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So will Griechenland den Braindrain umkehren

Hunderttausende Griechen haben während der Krisenjahre ihre Heimat verlassen. Jetzt will die Regierung die Auswanderer mit Subventionen zurücklocken.

Die antiken Statuen von Karyatis im Erehtheio der Akropolis in Athen. Griechenland will qualifizierte Auswanderer zurück ins Land holen. Foto: dpa
Die antiken Statuen von Karyatis im Erehtheio der Akropolis in Athen. Griechenland will qualifizierte Auswanderer zurück ins Land holen. Foto: dpa

Vor fünf Jahren hat Stella Zoi ihre Heimatstadt Thessaloniki verlassen. „Das Land steckte damals tief in der Krise, ich sah dort keine berufliche Zukunft für mich“, erinnert sich die Griechin. Heute arbeitet die 35-Jährige als Fachärztin an einer Klinik bei Aachen.

Auswanderer wie Stella hat der griechische Arbeits- und Sozialminister Giannis Vroutsis im Blick. „Rebrain Greece“ heißt das Programm, mit dem Vroutsis Griechinnen und Griechen, die während der Krisenjahre ihre Heimat verlassen haben, zurückholen möchte.

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Griechenland erlebte im zurückliegenden Jahrzehnt eine massive Abwanderung. Nach einer Studie der griechischen Zentralbank haben allein zwischen 2008 und 2014 rund 427.000 Griechen ihrem Land den Rücken gekehrt. Inzwischen dürfte die Zahl der Krisen-Auswanderer die halbe Million übersteigen. Beliebtestes Ziel ist Deutschland mit fast 160.000 griechischen Einwanderern seit Beginn der Krise.

Es waren überwiegend Akademiker, gut ausgebildete Fachkräfte und hoch qualifizierte Manager, die ins Ausland gingen. Nach Angaben der Athener Ärztekammer haben in den vergangenen zehn Jahren mehr als 11.000 griechische Mediziner das Land verlassen. Die Nichtregierungsorganisation Endeavor Greece schätzt, dass die Migranten in ihren Gastländern jährlich fast 13 Milliarden Euro zur Wirtschaftsleistung beitragen. Griechenland verliert durch den Braindrain also nicht nur viele seiner besten Talente, sondern auch sehr viel Wirtschaftskraft.

Jetzt, wo das Land die Krise hinter sich lässt und die Wirtschaft wieder wächst, will die Regierung den Braindrain umkehren und Auswanderer zurückholen. Als „Brücke“ für die Heimkehrer plant Minister Vroutsis eine virtuelle Jobbörse. Sie soll griechische Unternehmen, die hoch qualifizierte Mitarbeiter suchen, und interessierte Bewerber aus dem Ausland zusammenbringen.

„Zu wenig, zu spät“

Den Rückkehrern verspricht das Programm ein Monatsgehalt von mindestens 3000 Euro, wovon der Staat monatlich 2000 Euro ein Jahr lang als Zuschuss zahlt. Die staatlichen Fördermittel reichen vorerst für 500 Vermittlungen. Der Arbeitgeber muss sich verpflichten, den Rückkehrer mindestens ein weiteres Jahr zum vollen Gehalt zu beschäftigen. Das Programm richtet sich an Interessenten im Alter von 25 bis 40 Jahren. Voraussetzung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium und mindestens eine einjährige Berufserfahrung im Ausland.

Minister Vroutsis hofft, dass die Rückkehrer „ihr im Ausland erworbenes Know-how, Innovationen und frische Ideen mitbringen“. Interesse bei den Arbeitgebern dürfte es geben: Nach einer Umfrage des griechischen Industrieverbandes SEV haben trotz der hohen Arbeitslosenquote von fast 17 Prozent vier von zehn Unternehmen Schwierigkeiten, qualifizierte Führungskräfte für das Management und wissenschaftliche Mitarbeiter zu finden.

Aber kann dieser Plan, den Braindrain umzukehren, funktionieren? „Zu wenig, zu spät“, urteilt Nikos Stampoulopoulos. Der 49-jährige Filmemacher war 2009 angesichts der heraufziehenden Krise nach Amsterdam ausgewandert, kehrte 2014 zurück und betreibt die Internetseite Nea Diaspora, ein Netzwerk für griechische Auswanderer und Rückkehrer.

Die 500 für die Förderung zur Verfügung stehenden Plätze seien viel zu wenig angesichts der tausendmal so großen Zahl an Auswanderern, kritisiert Stampoulopoulos. Außerdem sei ein Gehalt von 3000 Euro, was netto 2166 Euro bedeute, zu niedrig, um hochqualifizierte, erfolgreiche Wissenschaftler aus dem Ausland zurückzulocken. Auch die Altersgrenze von 40 Jahren empfindet Stampoulopoulos als diskriminierend für jene, die mit Ende 30 oder Anfang 40 ausgewandert sind.

„Viele der neuen Auswanderer haben Griechenland nicht wegen der hohen Arbeitslosigkeit oder niedriger Gehälter verlassen, sondern wegen der Korruption, der Vetternwirtschaft, dem Klientel-Unwesen, wegen des vergifteten politischen Klimas, kultureller Stagnation und sozialer Rückständigkeit“, erklärt Stampoulopoulos. So lange sich daran nichts ändere, hätten Subventionen wohl wenig Resonanz, fürchtet er. „Ein Satz, den ich immer wieder höre, wenn ich Auswanderer frage, ob sie nicht zurückkehren wollen, lautet: ‚Nur in den Ferien‘“.

Auch Alexander Kritikos, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, ist skeptisch, was die Erfolgsaussichten des Programms angeht. Dabei sieht er in den Auswanderern ein großes Potenzial - wenn es gelänge, sie zurückzuholen.

Den meisten Ausgewanderten geht es im Ausland besser

Den meisten Menschen, die aus Griechenland ins Ausland gegangen sind, gehe es dort beruflich und finanziell besser, meint Kritikos. Die Auswanderung bedeute für viele Griechinnen und Griechen eine substanzielle Verbesserung, denn „sie haben häufig interessantere Jobs bekommen und können sich selbst beruflich weiterentwickeln, lernen andere Arbeitsabläufe und regulatorische Rahmenbedingungen kennen, ebenso wie andere Formen der Zusammenarbeit etwa zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft“.

Das könne wichtig werden, wenn diese Menschen nach Griechenland zurückkehren, meint Kritikos, „denn sie werden damit Wissensträger für den in Griechenland notwendigen Transformationsprozess und können ihn aktiv mitgestalten.“

Es sei zwar lobenswert, dass die Regierung den Braindrain als eine große Bedrohung für das Land erkannt habe und das Thema nun endlich offensiv angehe, sagt der Ökonom. „Leider ist es jedoch wenig wahrscheinlich, dass mit Lohnsubventionen der Braindrain in eine Brain Circulation, also eine Rückkehr der Ausgewanderten, verwandelt werden kann“, sagt Kritikos.

„Lohnsubventionen verfolgen eigentlich das Ziel, Arbeitskräfte, die nicht ausreichend produktiv sind, denen aber aufgrund von Lohnrigiditäten kein niedrigerer Lohn gezahlt werden kann, in Unternehmen eingliedern zu können“, erklärt Kritikos. „Das aber ist gerade nicht das Problem der Ausgewanderten – sie sind wahrscheinlich produktiver als die in der Heimat verbliebenen Arbeitskräfte.“

Kritikos hält die geplanten Subventionen deshalb für „wenig zielgerichtet“. Die Gründe für die Auswanderung lägen weniger in der Höhe der gezahlten Löhne, sondern in geringen Entwicklungsperspektiven der Unternehmen in Griechenland. „Es geht um die allseits bekannten Probleme wie Überregulierung, Überbürokratisierung und eine lahme Justiz, die dazu führen, dass Unternehmen und Investoren in andere Länder gehen“, erklärt der Ökonom.

„Sobald diese Strukturprobleme in Griechenland angegangen werden, wird das Land interessant für Investoren und innovative Unternehmen, die attraktive Arbeitsbedingungen anbieten können“, sagt Kritikos. „Dann werden auch die Ausgewanderten gern wieder zurückkommen, ohne irgendeine Subvention.“

Die ausgewanderte Griechin Stella Zoi zögert noch. Sie will sich die neue Jobbörse von Rebrain Greece „vielleicht mal ansehen“. Ihre Heimat fehle ihr zwar, sagt Stella. „Aber ich müsste schon ein sehr gutes Angebot bekommen, wenn ich meinen sicheren Job in Deutschland aufgeben soll“, meint die Ärztin.