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Ich bin im Vorstand des Otto-Konzerns und arbeite in Teilzeit – so schaffe ich meinen Job trotzdem

Katy Roewer ist bei der Otto Group Vorständin für den Bereich Service und Personal. Sie arbeitet in 80 Prozent Teilzeit, hat also zwei Nachmittage pro Woche frei.  - Copyright: OTTO
Katy Roewer ist bei der Otto Group Vorständin für den Bereich Service und Personal. Sie arbeitet in 80 Prozent Teilzeit, hat also zwei Nachmittage pro Woche frei. - Copyright: OTTO

Ich bin keine perfekte Vorständin und keine perfekte Mutter. Häufig fühle ich mich hin- und hergerissen zwischen beiden Rollen. Dennoch ist es mir wichtig, nicht nur unter der Woche Zeit für meinen Sohn zu haben, sondern auch am Wochenende. Daher arbeite ich – trotz meiner Rolle als Vorständin – in 80 Prozent Teilzeit, und das bereits seit etwa neun Jahren. Ich musste mich auf das Konzept einlassen, genauso wie meine Kollegen und Mitarbeitenden. Doch mit einer guten Planung, Vertrauen und Kommunikation hat sich alles eingespielt.

Inzwischen haben wir bei der Otto Group viele Führungskräfte nach diesem Arbeitsmodell eingestellt. Zudem schreiben wir seit vergangenem Jahr alle leitenden Positionen mit der Option auf 80-Prozent Teilzeit aus. Man muss einige Dinge beachten, wenn man sich dafür entscheidet – doch ich denke, es ist grundsätzlich für jeden umsetzbar.

Ich bin inzwischen seit acht Jahren bei Otto angestellt. Von der Controllerin arbeitete ich mich zur Abteilungsleiterin und schließlich zur Direktorin im Konzerncontrolling hoch. Im Jahr 2015 wechselte ich in den Vorstand Service & HR. Zu dem Zeitpunkt war mein Sohn erst drei Jahre alt. Vor allem in den ersten Jahren, in denen unser Kind seine größte Entwicklung durchläuft, legen mein Partner und ich viel Wert auf gemeinsame Familienzeit. Daher fragte ich unseren heutigen CEO Alexander Birken, ob ich meine Position in einer 80 Prozent-Teilzeitstelle ausüben könne.

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Hätte er Nein gesagt, dann wäre das für mich in Ordnung gewesen, weil dieses Arbeitszeitmodell auf Vorstandsebene noch nicht üblich war. Doch er willigte ein, wollte es ausprobieren. Einige Mitarbeitende im Unternehmen waren skeptisch. Aber viele andere, auch meine Kollegen im Bereichsvorstand, nahmen die Entscheidung sehr positiv auf. Nicht nur ich, sondern auch meine direkten Kollegen mussten das Arbeitsmodell unterstützen und sich darauf einlassen, dass es organisatorisch etwas komplizierter wird.

Die Assistentinnen mussten sich daran gewöhnen, dass sie nicht zu jeder Zeit mit mir einen Termin vereinbaren können. Es klappt nur, wenn beide Seiten offen ihre Erwartungen kommunizieren. Außerdem muss ich vorausschauend planen, kann nicht von heute auf morgen alles umwerfen. Doch das klappt inzwischen ziemlich gut. Denn die meiste Zeit bin ich schließlich erreichbar.

Das Konzept erfordert viel Planung und Kommunikation

Ich arbeite drei volle Tage und zwei halbe Tage. An zwei Tagen pro Woche bin ich zudem im Home Office. Das erleichtert es mir, meine Position mit meinem Privatleben zu vereinbaren. Bereits bevor ich meine Stelle in 80 Prozent Teilzeit angetreten bin, gab es im Unternehmen alle Instrumente, um ein solches Arbeitsmodell umzusetzen. Wichtig ist aber auch – und daran ist es häufig gescheitert: Führungskräfte müssen es sich selbst vorstellen können, nach einem solchen Konzept zu arbeiten und zuverlässig sein. Dafür ist es erforderlich, im privaten Umfeld Unterstützung zu haben, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung. Außerdem muss man es sich finanziell leisten können.

Ich erhalte viel Unterstützung von meinem Mann und meiner Mutter. Hinzu kommt, dass unsere Wahlheimat Hamburg – im Vergleich mit anderen Bundesländern – bei der Kinderbetreuung sehr gut aufgestellt ist. Sowohl in Kindergärten als auch in Schulen und Kitas gibt es noch ausreichend Plätze. In vielen anderen Regionen in Deutschland können Mütter dagegen nicht in Vollzeit in ihren Job zurückkehren, weil sich keiner um ihre Kinder kümmern kann.

Ich bin mir aber auch bewusst, dass ich keine perfekte Vorständin bin und keine perfekte Mutter. Häufig schwanke ich zwischen den beiden Rollen. Während der Grundschulzeit meines Sohnes, die nun bald vorbei ist, war ich auf keiner einzigen Weihnachtsfeier. Mein Mann war immer dort. Andere Mütter beschimpfen mich, wenn ich nicht zum Bastelnachmittag erscheine. Manche nannten mich sogar „Rabenmutter“. Doch das bedeutet nicht, dass ich eine schlechte Mutter bin.

Gleichzeitig muss ich Abendveranstaltungen absagen, weil ich montags und freitags im Home Office bin – oder es schlichtweg nicht schaffe. Man muss sich immer wieder eingestehen, dass man weder im Beruf noch im Privatleben fehlerlos sein kann. Ehrlichkeit sich selbst und dem Partner gegenüber ist essenziell. Für mich ist das Wichtigste, einen Partner an meiner Seite zu haben, der die familiäre Verantwortung mitträgt. Er sollte aber nicht nur die Rolle des Hausmanns einnehmen, sondern auch seine eigenen beruflichen Ziele verfolgen.

Anderen Frauen rate ich, sich von ihrem Umfeld nicht entmutigen zu lassen. In Skandinavien oder Frankreich erhalten Frauen viel mehr Verständnis, wenn sie neben ihrer Mutterrolle Karriere machen. Ich habe für eine längere Zeit in Frankreich gelebt – dort ist es üblich, nach der Elternzeit sehr schnell in den Beruf zurückzukehren. Unter meinen Vorgesetzten waren Managerinnen, die drei oder vier Kinder hatten. Allerdings gibt es in Frankreich, im Gegensatz zu Deutschland, viele Ganztagsschulen.

50 Prozent Teilzeit zu arbeiten, würde in einer Position wie meiner dagegen nicht funktionieren. Ich übernehme Verantwortung für rund 4700 Mitarbeitende. Das gelingt nicht mit einem Halbtagsjob. Stattdessen müsste man Jobsharing ausprobieren, sich also die Führungsposition mit einer weiteren Person aufteilen. Ich habe für mich selbst festgestellt, dass ich mindestens 70 Prozent der Zeit für meinen Job benötige, um beruflich erfüllt zu sein. Sonst ist man permanent hin- und hergerissen zwischen dem Job und dem Familienleben und kann beides nicht zufriedenstellend ausüben.

Als Führungskraft bedeutet das für mich, dass ich meinen Mitarbeitenden vertrauen muss. Doch ich habe ohnehin einen Führungsstil, der auf Vertrauen basiert. Meine Mitarbeitenden können ihren Job – ich muss in ihren Aufgaben nicht besser sein als sie. Daher muss ich nicht an jedem Meeting oder an jeder Veranstaltung teilnehmen. Damit die Zusammenarbeit gelingt, müssen wir unsere Erwartungen und Feedback klar kommunizieren. Nur wenn jemand nicht mitzieht, ist es meine Aufgabe, einzuschreiten.

Immer mehr Führungskräfte bei der Otto arbeiten in 80 Prozent Teilzeit

Inzwischen bin ich nicht mehr die Einzige, die zu 80 Prozent arbeitet. Wir haben in den vergangenen Jahren zunehmend Führungskräfte mit diesem Arbeitszeitmodell eingestellt und schreiben diese Möglichkeiten auch in unsere Stellenanzeigen. Dadurch erreichen wir zum Beispiel Menschen, die sich auf eine Teilzeitstelle nicht bewerben würden, weil sie lieber Vollzeit tätig sein wollen.

Die Umsetzung ist aber auch ein Prozess, bei dem wir die Führungskraft begleiten. Ich denke, das funktioniert nur mit Mitarbeitenden, denen viel daran liegt, den Beruf und das Familienleben miteinander zu verbinden. Damit sprechen wir vor allem Frauen an. Denn es ist empirisch belegt, dass viele Frauen zu dem Zeitpunkt, an dem sie eine Familie gründen wollen, Karriereabbrüche erleben.

Daher wollen wir Mitarbeitende dabei unterstützen, nach der Elternzeit (frühzeitig) in ihre Jobs zurückzukehren. Manche fangen auch mit mehr Stunden an und reduzieren diese nach und nach. Frauen können sich dazu bereits beraten lassen, bevor sie in den Mutterschutz gehen. Darüber hinaus haben Mitarbeitende in den vergangenen Jahren ein Frauen- sowie ein Väter-Netzwerk gegründet. Mitglieder können sich hierbei für familienbewusstes Arbeiten einsetzen und Kollegen dazu beraten, aber auch mit uns als Arbeitgeber gemeinsam die erforderlichen Instrumente weiterentwickeln.