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Nach Insolvenz von Sirplus: So will Gründer Raphael Fellmer neu anfangen

Sind jetzt Geschäftspartner: Raphael Fellmer und Alexander Bernikas.  - Copyright: Sirplus
Sind jetzt Geschäftspartner: Raphael Fellmer und Alexander Bernikas. - Copyright: Sirplus

Insolvenzantrag. Nach sieben Jahren. Es ist etwa drei Monate her, dass Raphael Fellmer diese Nachricht auf Linkedin mitteilte, auch Gründerszene berichtete. Fellmer gründete 2017 Sirplus, einen Online-Supermarkt für gerettete Lebensmittel. Er habe es nicht geschafft, sein Startup zu kapitalisieren, schrieb er auf Linkedin. Er wolle jedoch „alles tun, um Sirplus zu retten und einen Neustart zu ermöglichen.“

Jetzt der Blick nach vorn: Fellmer macht mit Sirplus weiter, wie Gründerszene exklusiv vorab erfahren hat. Seit heute ist der Shop wieder online. Kundinnen und Kunden können dort weiterhin Lebensmittel bestellen, aber nicht nur. Fellmer setzt jetzt auch auf nachhaltige Artikel, wie beispielsweise Kosmetik. Etwa 200 neue Produkte gibt es im Sortiment. Obst und Gemüse werde es aber nicht mehr geben. „Damit hatten wir in der Vergangenheit Probleme“, sagt Fellmer. „Es ist super kompliziert, die Margen abzudecken.“ Zudem wird es weiterhin eine monatliche Box mit veganen Produkten geben, die sich Kunden nach Hause liefern lassen können. Das seien die ersten Neuerungen für die Kunden von Sirplus.

Neue Gründung

Die viel größeren Veränderungen von Sirplus liegen in der Unternehmensstruktur. Im vergangenen Jahr musste Fellmer zwei Drittel der Mitarbeitenden entlassen, eine geplante Finanzierungsrunde für Dezember 2023 scheiterte. Und auch die restlichen Mitarbeitenden verließen das Startup. Denn die Sirplus GmbH ist insolvent, das Insolvenzverfahren ist in der Abwicklung. Für eine Betriebsfortführung fand Fellmer keine Investoren. „Das hätte viele Kosten mit sich gebracht“, sagt er. „Investoren sind bei E-Commerce-Food immer noch sehr, sehr vorsichtig. Wir haben es gesehen: Getir und Gorillas haben sich aus dem Markt zurückgezogen. Es ist ein schwieriges Umfeld.“

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Für eine andere Lösung hingegen konnte Fellmer Investoren gewinnen. Vom Insolvenzverwalter sicherte er sich Markenrechte an Sirplus, die Domain, den Online-Shop und die Social-Media-Accounts. Dafür bekam er Wandeldarlehen von Bestandsinvestoren der Sirplus GmbH sowie von einem neuen Investor. Sirplus läuft nun unter einer neuen UG weiter, namens Lebensmittelretten Ecoplus. Die gründete Fellmer gemeinsam mit Alexander Bernikas. Beide halten Anteile an der UG, Fellmer ist der Geschäftsführer.

Sirplus dockt an Strukturen von Trendraider an

Bernikas ist selbst Gründer im E-Commerce-Bereich. Ihm gehört das Startup Trendraider. Damit vertreibt er monatliche Überraschungsboxen mit Lebensmitteln im Abo-Modell. Bernikas habe Trendraider komplett gebootstrappt. Auch nach zehn Jahren komme er ohne Fremdkapital aus, wie er sagt. Die beiden Gründer sind nun Geschäftspartner, beide Marken bleiben bestehen, es ist keine Betriebsübernahme. „Für uns war es wichtig, jetzt schnell einen Neustart hinzukriegen“, sagt Bernikas. „Das geht am besten, wenn man auf bestehende Strukturen zurückgreifen kann.“ Kundenservice, Einkauf, Produktmanagement und die Logistik für Sirplus liegen somit bei Bernikas. Dafür will er sein Team bei Trendraider vergrößern, „damit es zwei Projekte covern kann.“

Die Marken Sirplus und Trend Raider würden „sehr gut zusammenpassen“, wie die beiden sagen. Wieso? Trendraider bezieht vegane und nachhaltige Produkte. Das Geschäftsmodell besteht jedoch ausschließlich aus Boxen im Abo-Modell. Der Online-Shop von Sirplus, bei dem Einzelbestellungen möglich sind, sei daher eine gute Ergänzung. Außerdem hätten Produzenten oft Probleme, ihre Ware loszuwerden. Was für die Boxen von Trendraider nicht geeignet ist, zum Beispiel aufgrund von einem zu kurzen Mindesthaltbarkeitsdatum, könne über den Shop von Sirplus verkauft werden.

Und nicht nur was die Produkte angeht, seien die beiden Gründer ein gutes Match. Bernikas kümmert sich um das operative Geschäft, ist mehr der Typ „Innenminister“, wie er sagt. Fellmer will wieder verstärkt öffentlich wirksam sein und mehr Aufmerksamkeit für das Thema Food-Waste schaffen – zum Beispiel auf Youtube, Twitch, Instagram und in Podcasts. Der Gründer will sich wieder mehr auf seine Mission fokussieren, so wie er es mit der Bewegung Foodsharing e. V. gemacht hat, die er 2012 gestartet und weshalb er überhaupt Sirplus gegründet hatte. Die heißt: weniger Lebensmittel sollen verschwendet werden und alle Menschen sollen genug zu essen haben.

Learnings aus der Insolvenz

„In den letzten vier Jahren musste ich mich nur noch um Geld kümmern, das habe bis Ende 2023 geschafft, aber es wurde immer schwieriger“, sagt Fellmer. „Ich war gar nicht mehr in meiner Stärke tätig, war nur noch hinter dem Computer und konnte kein Bewusstsein schaffen für die Thematik.“ Rückblickend für ihn ein Learning: Aufgaben im Team oder extern an diejenigen abgeben, die sich gut auskennen. So wie Fellmer es jetzt mit Bernikas macht.

Und noch zwei weitere Dinge habe er gelernt. Erstens: „Lieber den roten Edding radikal ansetzen, als am Ende eine Insolvenz durchzumachen.“ Und zweitens: „Überleg dir, welchen Mehrwert du für die Community, für den Kunden schaffen kannst, die einen schon schätzen.“ Für Fellmer liegt der Mehrwert zum Beispiel bei Real-Life-Treffen mit Kundinnen und Kunden, und darin, nahbar zu sein. Er möchte wieder enger mit der Community in den Austausch gehen. Das habe er vernachlässigt.

Ökonomische Ziele

Bei der Anmeldung der Insolvenz der Sirplus GmbH stellte sich auch die Frage, was mit den Anlegern passiert, die Sirplus beim Crowdinvesting unterstützt haben. „Ein Teil von der neuen Firma, wird für die ehemaligen Investorinnen und Darlehensgeber zurückgehalten, sodass sie unmittelbar bei der Reise dabei sind und wir ihnen irgendwann das Geld hoffentlich zurückgeben können. Dafür müssen wir erstmal wachsen“, sagt Fellmer.

Obwohl es um den E-Commerce-Markt mit Lebensmitteln momentan schlecht steht, zeigen sich Fellmer und Bernikas vorsichtig optimistisch. „Wir wollen in den nächsten Monaten in den Break-Even kommen“, sagt Fellmer.

Gelingen soll das durch organisches Wachstum, mit der Kombination aus der Sirplus-Box und den Einzelbestellungen im Online-Shop. Kunden sollen zudem noch in diesem Jahr Boxen abonnieren können, die bezüglich der Produkte auf ihr Einkaufsverhalten abgestimmt sind. Möglich mache das ein Algorithmus. Passe ein Produkt in der Box mal nicht, könne es ausgetauscht oder entfernt werden.

Fellmer hofft auf die Treue der Kunden und darauf, dass sie zu Sirplus zurückkehren. Den früheren Kundenstamm kann Fellmer nämlich nicht mitnehmen. „Einen Monat konnte man im Shop nichts kaufen und es waren immer noch täglich hunderte Menschen auf der Webseite“, sagt er.

Große Wachstumsszenarien malen sich Fellmer und Bernikas zum Neustart nicht aus. „Wir haben durch die Erfahrung erstmal konservativ und vorsichtig kalkuliert“, sagt Bernikas. „Das ist trotzdem viel Geld, aber gemessen an den Zahlen, mit denen sich Raphael zuvor beschäftigt hat, sind das kleinere Beiträge.“ Ob sie auch eine neue Finanzierungsrunde planen? Das ist etwas fürs nächste Jahr, sagt Fellmer.