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Bundesregierung nimmt „völkische Siedler“ in den Blick

Rechtsextremismus in Ostdeutschland - Bundesregierung nimmt „völkische Siedler“ in den Blick

In ihrem Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit warnte jüngst die Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), dass „Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Intoleranz eine große Gefahr für die gesellschaftliche, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder“ darstelle. Dass Rassismus also vor allem eine Gefahr für Ostdeutschland sei. Ein typisches rechtes Phänomen im Osten taucht in dem Bericht jedoch nicht auf, die sogenannten völkischen Siedler.

Experten halten sie für Neonazis, die vor allem in siedeln. Um deren Gefährlichkeit besser einschätzen zu können, will die Ost-Beauftragte die rechte Bewegung nun mittels einer wissenschaftlichen Untersuchung näher in den Fokus nehmen.

„Ein Blick auf die einschlägigen Straftatenstatistiken genügt, um festzustellen, dass die Entwicklung und Verbreitung rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und rassistischer Einstellungen und Ideologien in ihren zahlreichen Spielarten weitreichende und zunehmend schlimme Auswirkungen haben“, sagte Gleicke dem Handelsblatt. „Vor diesem Hintergrund soll die geplante Studie mit dem Arbeitstitel „Völkische Siedlungen in Ostdeutschland“ einen weiteren wissenschaftlichen Beitrag zur Aufhellung dieser Phänomene und ihrer Ursachen leisten.“

Bei den völkischen Siedlern handle es sich um eine „Bewegung, die in den strukturschwachen, ländlichen Regionen Ostdeutschlands Fuß zu fassen versucht“, erläuterte die SPD-Politikerin. „Das kommt scheinbar unpolitisch, bieder und harmlos daher und strotzt in Wahrheit nur so vor nationalsozialistischer völkischer Ideologie.“ Zu diesem Thema gebe es schon „sehr gute“ Vorarbeiten, vor allem auch von deutschen NGOs.

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Die neue Untersuchung soll nun aber die von Gleicke bereits Anfang dieses Jahres in Auftrag gegebene Studie „Ursachen und Hintergründe für Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und fremdenfeindlich motivierte Übergriffe in Ostdeutschland, sowie die Ballung in einzelnen ostdeutschen Regionen“ um einen weiteren wichtigen Aspekt ergänzen.

Das Bundesinnenministerium sieht die rechten Siedler als Teil eines Problems, dem sich die neuen Bundesländer schon länger ausgesetzt sehen - nämlich, dass offenbar insbesondere Ostdeutschland eine besondere Anziehungskraft auf Rechtsextreme ausstrahlt.


„Nirgends siedeln so viele Neonazis wie in Mecklenburg-Vorpommern“

Die Einschätzung geht auf Erkenntnisse zurück, die das Ministerium auf eine Anfrage der Linksfraktion kürzlich preisgegeben hat. „Schwerpunkte von Rechtsextremisten in ländlichen Regionen liegen vor allem in Ostdeutschland, aber auch in einigen wenigen Regionen der westlichen Länder“, heißt es in der Antwort.

Teilweise kann demnach sogar das Phänomen beobachtet werden, „dass es Orte gibt, in denen ein zahlenmäßig erhöhtes rechtsextremistisches Personenpotenzial lebt“, konstatiert das Ministerium. „Lokal konzentrierte Ansiedlungen von Personen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet werden können, sind der Bundesregierung in der Ortschaft Jamel und dem Landkreis Güstrow in bekannt.“

Das Ministerium erwähnt in diesem Zusammenhang auch die sogenannten „völkischen Siedler“, nach denen die Linksfraktion explizit gefragt hat. Allerdings betont das Ministerium, dass die völkische Siedlerbewegung kein Beobachtungsobjekt des Bundesverfassungsschutzes sei und derzeit auch „keine Erkenntnisse zu einer gezielten Strategie von Rechtsextremisten zu ländlicher Siedlertätigkeit“ vorlägen.

Die Autorin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke erkannte mit ihren Recherchen indes schon vor über einem Jahr, dass Mecklenburg-Vorpommern ein Zentrum für braune Siedler ist. „Nirgends siedeln so viele Neonazis wie in Mecklenburg-Vorpommern“, schrieb Röpke in ihrem neuen Buch „Gefährlich verankert“, das sie im Auftrag der Schweriner SPD-Landtagsfraktion geschrieben hat.

Dazu gehörten Mitglieder der Arier-Sekte „Artgemeinschaft“, die Bewegung der „Neo-Artamanen“, NPD-Anhänger aus den Ballungsgebieten oder völkische Rechte, die die eigene Scholle bewirtschaften wollten, etwa im Raum um Güstrow.

In einem dieses Jahres beschrieb Röpke die Absichten der bisher offenbar von der Politik weitgehend unterschätzten Bewegung. „Das Ziel ist eine homogene „Volksgemeinschaft“ nahe am Ideal des Dritten Reiches“, sagte die Politikwissenschaftlerin. „Sie wollen bestimmen, wem es erlaubt ist, in dieser Gemeinschaft zu leben.“ Behinderte, Ausländer oder politisch Andersdenkende gehörten nicht dazu.

Nach ihrer Beobachtung feiern die Siedler NS-Brauchtumsfeiern, erziehen die Kinder nach altem Vorbild soldatisch und autoritär oder führen „Arbeitseinsätze“ durch. In der Lüneburger Heide seien etwa im Sommer junge Männer zusammengekommen, um gemeinsam landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten oder Holz zu hacken. „Zum Essen wird mit der Fanfare geblasen und abends sitzt man zusammen am Lagerfeuer“, schilderte Röpke die Aktion.


Verbindungen zur AfD

Im Zusammenhang mit den Siedlern ist immer wieder auch von Verbindungen zur Partei Alternative für Deutschland (AfD) die Rede. Röpke nennt hier die „Neo-Artamanen“ - eine kleine Gruppe aus dem Raum Güstrow, die, wie sie sagt, „einerseits völkischen Werten anhängen, die auch schon Heinrich Himmler verehrte“. Andererseits seien sie „gut vernetzt von der AfD bis hin zur Kindererziehungsorganisation Der Sturmvogel, in dessen Reihen die Kinder strammstehen müssen“.

Laut Recherchen von NDR und „Süddeutscher Zeitung“ hat die Nordost-AfD einen „völkischen Siedler“ in ihren Reihen: Sascha Jung. Der Jurist durfte dem Bericht zufolge wegen seiner rechtsextremistischen Aktivitäten nicht in den bayerischen Staatsdienst. Die Burschenschaft, der er angehöre, werde zudem von Bayerns Verfassungsschutz beobachtet. Jung, so die Recherchen, sei sogenannter Neusiedler mit Anschluss ins völkische Spektrum der „Neo-Artamanen“.

Die Innenexpertin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, kritisiert, dass die Bundesregierung sowohl bei den „Neo-Artamanen“ als auch bei anderen Siedlergruppen wie „Sturmvogel“, „Freibund“ und „Jungbund Pommern“, wie es in der Antwort des Innenministeriums heißt, „keine hinreichend gewichtigen Erkenntnisse für rechtsextremistische Bestrebungen“ sehe.

Die Erklärung liefert das Ministerium gleich mit, indem es konstatiert, dass diese Gemeinschaften „ihre Überzeugungen ohne Anspruch auf eine politisch-gesellschaftliche Umgestaltung“ auslebten, was „nicht als verfassungsfeindliche Bestrebung“ gelte. Jelpke findet indes, dass damit unterschätzt werde, „dass dort immerhin jedenfalls die Kinder einer Art faschistischer Gehirnwäsche unterzogen werden“.


Kubitschek-Anwesen als „Mekka dieser neurechten Burgenromantik“

Die Politikwissenschaftlerin Röpke wertet das Treiben der „völkischen Siedler“ als rechtsextreme „Graswurzelarbeit“. Als Vordenker gelten etwa der Publizist Götz Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza. Deren Rittergut Schnellroda in Sachsen-Anhalt, das die Wochenzeitung „Die Zeit“ kürzlich als „Mekka dieser neurechten Burgenromantik“ bezeichnete, dient den beiden mit ihren sieben Kindern nicht nur als Lebensmittelpunkt. Dort ist auch der Kubitschek‘sche Rechtsaußen-Verlag Antaios und seine Zeitschrift Sezession ansässig.

Zudem fungiert das Anwesen auch als Zentrale des sogenannten „Instituts für Staatspolitik“, bei dem der Chefredakteur des nationalkonservativen Magazins „Compact“, Jürgen Elsässer, die AfD-Landeschefs Björn Höcke (Thüringen) und André Poggenburg (Sachsen-Anhalt), der Chef der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ in Österreich, Martin Sellner, und diverse weitere Protagonisten der neuvölkischen Bewegung des Öfteren zu Gast sind.

Die Linksfraktionsabgeordnete Jelpke kritisiert, dass die Bundesregierung das Problem nicht ernst genug nehme. „Diese Siedlerprojekte sind mögliche Brutstätten des Naziterrors“, sagte Jelpke. „Ich erwarte von der Bundesregierung, sich genauere Kenntnisse über diese Bewegung zu verschaffen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.“

Die Ost-Beauftragte der Regierung, Iris Gleicke, geht nun diesen Weg. Doch bis die von ihr in Auftrag gegebene Expertise vorliegt, vergeht noch einige Zeit. Die Studie soll laut Gleicke voraussichtlich Ende 2017 veröffentlicht werden.

KONTEXT

Rechte Parteien in den Landtagen

Rechte Parteien in Deutschland

Immer wieder haben rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien den Sprung in deutsche Landesparlamente geschafft. Von langer Dauer war ihr parlamentarisches Wirken meist nicht. Die Fraktionen machten häufig eher durch interne Streitigkeiten von sich reden als durch politische Initiativen. In Mecklenburg-Vorpommern könnte die NPD nun am Sonntag aus dem letzten Landtag fliegen - auch wegen der AfD, die mit einem zweistelligen Ergebnis einziehen dürfte. Ein Überblick.

NPD

Die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) erlebte in den 60er Jahren eine erste Erfolgswelle. Ihr gelang der Einzug in sieben der damals elf Landesparlamente, bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte sie mit 4,3 Prozent nur knapp an der Fünfprozenthürde. Der Aufstieg war aber nur ein vorübergehendes Phänomen, in den 70er Jahren verschwand sie weitgehend wieder von der Bildfläche, ohne in den Landesparlamenten nennenswerte Ergebnisse erzielt zu haben.

Einen Wiederaufstieg mit neuem Personal erlebte die NPD nach der Wiedervereinigung. Wurde sie in den 60er Jahren noch von alten NSDAP-Anhängern getragen, konnte sie nun vor allem bei jenen Wählern in Ostdeutschland punkten, die sich als Verlierer der Wende sahen. 2009 zog sie in den Landtag von Sachsen ein, nach heftigen internen Querelen verfehlte sie 2014 den Wiedereinzug. Seit 2011 ist die NPD nur noch im Schweriner Landtag vertreten.

Republikaner

Unter Führung des früheren SS-Manns Franz Schönhuber wirbelten die rechten Republikaner vor einem Vierteljahrhundert die Parteienlandschaft auf. 1989 gelang ihnen völlig überraschend der Einzug ins Europaparlament und ins Abgeordnetenhaus von Berlin. 1992 erreichten sie bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 10,9 Prozent.

Vier Jahre später kam die Partei mit 9,6 Prozent erneut in den Landtag - und stellte damit eine Ausnahme von der Regel dar, dass rechte Protestparteien normalerweise nach einer Legislaturperiode wieder aus den Landtagen fliegen. Allerdings wurden auch die Republikaner von internem Streit zerrissen, inzwischen ist die Partei bedeutungslos.

DVU

Die Deutsche Volksunion (DVU) bot sich in den 90er Jahren als Auffangbecken für enttäuschte NPD-Wähler an und erzielte teils überraschende Wahlerfolge. 1991 zog sie ins Bremer Landesparlament ein, ein Jahr später in den Landtag von Schleswig-Holstein. In Sachsen-Anhalt erzielte sie 1998 mit 12,9 Prozent ihr bestes Ergebnis, auch in Brandenburg wurde sie in den Landtag gewählt.

Die DVU war voll auf ihren Gründer, den reichen Münchener Verleger Gerhard Frey, zugeschnitten. Bei den Wahlen trat sie in der Regel mit völlig unbekannten Kandidaten an. In den Landtagen machte sie vor allem mit internen Streitereien von sich reden, die DVU-Fraktionen zerfielen rasch. 2010 gingen die Reste der Partei in der NPD auf.

Schill-Partei

Eine weitere rechte Partei, die klar auf eine Führungsfigur zugeschnitten war, war die Partei Rechtsstaatliche Offensive des Hamburger Richters Ronald Schill. Sie schaffte es sogar in die Regierungsverantwortung. 2001 zog sie mit 19,4 Prozent in die Bürgerschaft ein und trat unter CDU-Bürgermeister Ole von Beust in die Regierung ein. Schill hatte sich als Richter mit umstrittenen harten Urteilen gegen Straftäter einen Namen gemacht.

Die Regierungskoalition zerbrach 2003 unter spektakulären Umständen. Von Beust entließ Schill als Justizsenator. Der Bürgermeister warf Schill den Versuch vor, ihn wegen seiner Homosexualität erpressen zu wollen. Bei der Wahl 2004 kam die Schill-Partei nicht mehr ins Landesparlament.

KONTEXT

Nach welchen Kriterien der Verfassungsschutz seine Ziele auswählt

Beobachten oder nicht beobachten, das ist die Frage

Sollte die rechtspopulistische AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden? Darüber wird nach Antisemitismusvorwürfen gegen den baden-württembergischen AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon erneut gestritten, Verfassungsschutzämter haben einem Pressebericht zufolge ohnehin AfD-Vertreter im Blick. Ab wann der Verfassungsschutz aktiv wird.

Welchen Auftrag hat der Verfassungsschutz?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die Verfassungsschutzämter der Länder haben den Auftrag, Parteien und Gruppierungen zu beobachten, die die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand und die Sicherheit des Staates in Frage stellen oder gegen die Idee der "Völkerverständigung" gerichtete Ziele verfolgen. So steht es im Verfassungsschutzgesetz. Dazu sammeln sie Informationen und werten sie aus.

Was ist die freiheitlich demokratische Grundordnung?

Der Begriff umfasst die zentralen Konstruktionsprinzipien, ohne die Demokratie und Rechtsstaat gar nicht erst existieren würden. Als unverhandelbare "Spielregeln" sind sie daher der politischen Auseinandersetzung entzogen und dürfen nicht geändert werden.

Dazu gehört der Grundsatz, dass die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, das seine Vertreter in freier Wahl bestimmt. Er beinhaltet auch, dass sich das Parlament als Gesetzgeber nicht über die Verfassung hinwegsetzen darf. Ebenso dazu gehören das Recht, im Parlament eine Opposition zu bilden, die Unabhängigkeit der Gericht sowie die Menschenrechte.

Wie geht der Verfassungsschutz vor?

Der Verfassungsschutz entscheidet anhand gesetzlich definierter Kriterien, ob er eine Partei beobachtet. Ihm kann nicht befohlen werden, dies zu tun, er ist also unabhängig gegenüber Weisungen aus der Politik. Auf der anderen Seite darf er nicht willkürlich aktiv werden. Liegen Verdachtsmomente vor, ist er gesetzlich zum Handeln verpflichtet.

Seine Tätigkeit beschreibt der Verfassungsschutz als die eines "Frühwarnsystems". Er meldet seine Lageeinschätzungen an das Innenministerium und strafrechtlich relevante Erkenntnisse an die Polizei, die in eigener Regie über die Konsequenzen entscheiden.

Was bedeutet Beobachtung genau?

Der Begriff Beobachtung ist mehrdeutig und führt in der öffentlichen Diskussion daher gelegentlich zu Missverständnissen. Zuerst leitet der Verfassungsschutz beim Aufkommen bestimmter Verdachtsmomente eine Art Prüfverfahren ein. Dabei analysiert er öffentlich zugängliche Äußerungen von Funktionären oder Dokumente, um herauszufinden, ob eine bestimmte Vereinigung die Kriterien für die eigentliche Beobachtung erfüllt.

Falls ja, wird eine Partei oder Vereinigung zum offiziellen "Beobachtungsobjekt", wie es im Fachjargon des Inlandsgeheimdienstes heißt. Erst wenn diese Stufe erreicht ist, dürfen auch sogenannte nachrichtendienstliche Mittel zum Einsatz kommen. Dazu gehören heimliche Observationen sowie das Anwerben von verdeckten Informanten, den V-Leuten.

Gibt es da nicht Grauzonen?

Die Einstufung als "Beobachtungsobjekt" ist tatsächlich oft schwierig, nicht selten klagen Betroffene vor Gericht gegen die Einstufung. Das gilt schon für die Definition des Begriffs "Bestrebung", der Grundlage für eine Beobachtung ist. Eine entsprechende Geisteshaltung reicht nicht aus, es muss laut Verfassungsschutzgesetz zugleich eine "ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise" vorhanden sein. Nicht notwendig ist aber, dass die Beobachteten die Demokratie schon aktiv bekämpfen oder illegale Taten planen.

Außerdem muss der Verfassungsschutz abwägen, ob die demokratiefeindlichen Bestrebungen gewissermaßen repräsentativ für eine Organisation als Ganzes stehen oder lediglich Splittermeinungen darstellen. In solchen Fällen besteht allerdings immer auch die Möglichkeit, Teilgruppen zu überwachen. Auch Einzelpersonen dürfen beobachtet werden.

Wer wird schon vom Verfassungsschutz beobachtet?

Das Spektrum der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierungen ist bereits sehr groß. Es reicht von den Dschihadistenorganisationen Al-Kaida und Islamischer Staat (IS) über die rechtsextreme NPD bis hin zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).

Besonders kontrovers wird immer wieder die Beobachtung bestimmter Gruppierungen wie der Kommunistischen Plattform innerhalb der Linkspartei diskutiert. Auch bekannte Linken-Politiker wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow wurden beobachtet. Er aber klagte 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen die Überwachung.

KONTEXT

Der Nazi-Jargon der AfD

Auffällige Nazi-Rhetorik bei einzelnen AfD-Politikern

Der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache, Peter Schlobinski, betont zwar, dass man nicht die gesamte (Alternative für Deutschland) AfD über einen Kamm scheren dürfe. "Doch einzelne Mitglieder pflegen eine auffällige Nazi-Rhetorik. Der Rhythmus, das sprachliche Diktum, die Emotionalisierung - es gibt einiges, was stark an die NSDAP-Sprache angelehnt ist." Und der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke sei ja schon "fanatisch in seiner Sprache". Es folgen einige Beispiele.Quelle: "Stern", eigene Recherche.

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef

"3000 Jahre Europa! 1000 Jahre Deutschland!"

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef (2)

"Erfurt ist "¦ schön "¦ deutsch! Und schön deutsch soll Erfurt bleiben!"

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef (3)

"Das Boot ist übervoll und wird kentern."

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef (4)

In einem Vortrag stellte Höcke das Bevölkerungswachstum Afrikas in einen Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise, was weithin als biologischer Rassismus bewertet wurde. Er sprach von einem "Bevölkerungsüberschuss Afrikas" und erklärte, der "lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp" treffe in Europa auf den "selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp". Dann schlussfolgerte er: "Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern."

André Poggenburg, Chef der AfD in Sachsen-Anhalt

In ihrem auf Facebook verbreiteten Weihnachtsgruß vom 24.12.2015 sprach die AfD Sachsen-Anhalt unter anderem davon, in der Weihnachzeit über die "Verantwortung für die Volksgemeinschaft und nächste Generation" nachzudenken. Der verwendete Begriff "Volksgemeinschaft" löste daraufhin eine Diskussion aus. Denn, so der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn von der Universität Göttingen bei "tagesschau.de", der Begriff der Volksgemeinschaft sei historisch "eindeutig durch den Nationalsozialismus belegt". Der Begriff sei in einer Demokratie unhaltbar, so der Professor, selbst wenn man sich auf den Standpunkt historischer Naivität zurückziehen würde. Die Idee einer Volksgemeinschaft sei generell nicht mit den Vorstellungen von Demokratie vereinbar.

Alexander Gauland, Brandenburg-AfD-Chef

"Es wird Zeit, dass wir das Schicksal des deutschen Volkes, damit es ein deutsches Volk bleibt, aus den Händen dieser Bundeskanzlerin nehmen."

Alexander Gauland, Brandenburg-AfD-Chef (2)

"Das Boot ist voll. Auch um der Flüchtlinge willen muss Deutschland jetzt die Notbremse ziehen."

Frauke Petry, AfD-Bundesvorsitzende

"Die deutsche Politik hat eine Eigenverantwortung, das Überleben des eigenen Volkes, der eigenen Nation sicherzustellen."

Markus Frohnmaier, Bundesvorsitzender der Jungen Alternative (JA)

"Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht - denn wir sind das Volk, liebe Freunde."

KONTEXT

Nazi, Faschist oder doch Nationalist?

Rechtspopulismus

Seit den achtziger Jahren sind Rechtspopulisten in Europa auf dem Vormarsch. Zum Spektrum gehören rechtsextreme Parteien genauso wie Gruppierungen, die mit populistischen Äußerungen auf sich aufmerksam machen wollen. Ihre politischen Ziele reichen vom Wunsch nach "Ordnung", "Autorität" und "Identität" über die Agitation gegen Minderheiten wie Sinti und Roma bis hin zur Forderung, ein "weißes Europa" ohne "jüdischen Einfluss" zu schaffen. Paradoxerweise bauen die teilweise aggressiv nationalistischen Parteien dabei zunehmend auf eine länderübergreifende Zusammenarbeit und verstehen sich meist als "Freunde" im Kampf gegen multikulturelle Überfremdung.

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Faschismus

Ursprünglich aus sozialrevolutionären lokalen Zusammenschlüssen, den Syndikalisten, "Bewegung der Tat", entstanden, entwickelte sich Anfang der 1920er-Jahre in Italien rasch eine Bewegung, deren Anhänger sich selbst als Faschisten bezeichneten und deren Symbol, das Rutenbündel (italienisch: fascio), die Stärke und Überlegenheit des Bundes gegenüber dem Einzelnen bedeutet. Die italienische Entwicklung diente teilweise den deutschen Nationalsozialisten als Vorbild, sodass Faschismus und Nationalsozialismus (schwarze und braune Faschisten) teilweise gleichbedeutend verwendet werden. Gemeinsam ist ihnen a) eine charismatische, autoritäre Führerfigur, b) die strikte Unterwerfung unter das Führerprinzip und c) der hierarchische Aufbau der politischen Organisation; weiterhin d) das rechtsextreme, offen rassistische und fremdenfeindliche Gedankengut und e) die (in Bezug auf andere politische Überzeugungen) negative Eigendefinition (als antidemokratisch, anti-parlamentarisch, antiliberal, anti-humanistisch etc.).

Rechtskonservativ

Rechts von christlich-konservativ Positionen kann das rechtskonservative Spektrum verortet werden. Dabei wird zwar vom Rechtsradikalismus unterschieden, allerdings ist der Übergang teilweise fließend. Rechtskonservativ ist, wer sich mit demokratischen Prinzipien und Werten nicht verbunden fühlt, Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung nicht ausdrücklich ablehnt, für eine Begrenzung von Zuwanderung ist, um eine kulturelle Überfremdung zu verhindern, gegen eine Integration Europas ist und keine Opposition im Parlament akzeptiert.

Rechtsradikal

Als radikal (von lateinisch "radi" = Wurzel, Ursprung) werden politisch-ideologische Grundeinstellungen beziehungsweise Bestrebungen bezeichnet, die gesellschaftliche Fragen und Probleme von deren Ursprüngen bis in die letzten Details, also mit besonderer Konsequenz und einseitiger Kompromisslosigkeit, zu lösen suchen. Radikale Strömungen verstoßen nicht zwangsläufig gegen die Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Von den Behörden und der Sozialwissenschaft wird der Begriff Rechtsradikalismus in der Regel auf Personen und Organisationen gerichtet, die klar rechts der Mitte des politischen Spektrums stehen, dabei allerdings im Rahmen der Verfassung bleiben. Der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht Rechtsradikalismus in der Regel nicht feindlich gegenüber. Die Grenzen vom Rechtsradikalismus zum Rechtsextremismus sind dabei allerdings häufig fließend. Einer Definition des Politikwissenschaftlers Michael Minkenberg zufolge schließt der Rechtsradikalismusbegriff "auch Kräfte und Bewegungen" ein, die "die geltende demokratische Ordnung als solche nicht in Frage stellen, jedoch durch Rückgriff auf den ultranationalistischen Mythos eine Radikalisierung nach rechts und damit eine Revision der Verfassungswirklichkeit anstreben."

Extremismus

Der Begriff Extremismus unterliegt einer Zweideutigkeit, aus der sich eine Vielzahl an Debatten und Kontroversen ergibt. Von einigen Liberalen und Libertären wird beispielsweise argumentiert, dass extremistische Ziele und Ideen an sich "unproblematisch" seien, solange sie friedlich und mit legalen Mitteln verfolgt würden. Die Lehre aus dem Aufstieg der Nationalsozialisten - so der österreichische Philosoph Karl Popper - sei, dass tolerante Gesellschaften die Pflicht hätten, sich gegen jegliche Art von Extremisten zu verteidigen: "Wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen." Hieraus leitet sich das Prinzip der "wehrhaften Demokratie" ab. Für Wissenschaftler ergibt sich aus der Zweideutigkeit des Begriffs eine Notwendigkeit zur Abgrenzung. Viele Forscher unterscheiden deshalb zwischen "kognitiven Extremisten" - also Menschen, deren Ziel- und Wertvorstellungen dem gesellschaftlichen Konsens drastisch widersprechen - und "gewaltbereiten Extremisten"

Nationalismus

Übersteigertes Bewusstsein vom Wert und der Bedeutung der eigenen Nation. Im Gegensatz zum Nationalbewusstsein und zum Patriotismus (Vaterlandsliebe) glorifiziert der Nationalismus die eigene Nation und setzt andere Nationen herab. Zugleich wird ein Sendungsbewusstsein entwickelt, möglichst die ganze Welt nach den eigenen Vorstellungen zu formen.

Nationalsozialismus

Nationalsozialismus bezeichnet eine politische Bewegung, die in Deutschland in den Krisen nach dem Ersten Weltkrieg entstand, 1933 die Weimarer Demokratie beendete und eine Diktatur (das sogenannte Dritte Reich) errichtete. Der Nationalsozialismus verfolgte extrem nationalistische, antisemitische, rassistische und imperialistische Ziele. Politisch schloss der Nationalsozialismus an die radikale Kritik und Ablehnung der demokratischen Prinzipien an und bekämpfte den Friedensvertrag von Versailles. Der Nationalsozialismus war keine geschlossene Lehre, sondern begründete eine "Weltanschauung", in deren Mittelpunkt die Idee des "arischen Herrenvolkes" stand, das sich aller Mittel zu bedienen hat, um sich "Lebensraum" zu schaffen, andere (angeblich minderwertige) Völker und Nationen zu unterdrücken und die Welt vom (angeblich einzig Schuldigen, dem) Judentum zu befreien. Die Verachtung des Menschen im Nationalsozialismus fand Ausdruck in der fabrikmäßigen Tötung von Millionen wehrloser Opfer.