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Ein Schwabe will als Erster komplette Autos per Zug nach China befördern

Mit Chengdu können die wenigsten in Deutschland etwas anfangen. Tierfreunde kennen die 14-Millionen-Metropole in Zentralchina vielleicht als Hort der Pandabären. Theatergänger erahnen in der Megacity möglicherweise die Hauptstadt jener Provinz, in der Bertolt Brecht sein Kapitalisten-Psychogramm „Der gute Mensch von Sezuan“ spielen ließ.

Für Jörg Mosolf jedoch steht die Riesenstadt knapp drei Flugstunden südwestlich von Peking für den großen Aufbruch. Wenn alles klappt, wird der Unternehmer aus dem schwäbischen Kirchheim unter Teck der erste deutsche Logistiker sein, der fabrikneue Autos „made in Germany“ mit der Eisenbahn nach China verfrachtet. Der Start ist für das erste Quartal 2019 geplant. Bis Ende dieses Jahres soll die dafür erforderliche hundertprozentige chinesische Tochter gegründet sein, hofft Mosolf.

Die Deutsche Bahn feierte in diesen Tagen das zehnjährige Jubiläum ihres ersten Güterzugs nach China. Inzwischen rattern regelmäßig Waggons von Duisburg nach Chongqing 400 Kilometer östlich von Chengdu, von Hamburg ins ostchinesische Zhengzhou oder von Leipzig nach Shenyang, um das dortige BMW-Werk mit Komponenten zu versorgen.

Komplette Autos, wie Mosolf sie nun als Erster ins Reich der Mitte transportieren will, nehmen bis heute den längeren Seeweg. Die Fahrzeuge namhafter deutscher Autobauer, die Mosolf auf die rund 10.000 Kilometer lange Reise schicken will, müssen dabei sicher verpackt sein. Dazu werden je zwei von ihnen übereinander auf Stahlgestelle gepackt und mit einem weiteren Paar in einem Container weggeschlossen.

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Der 61-jährige Mosolf ist eine Ausnahmeerscheinung in einer Branche, ohne die kein Auto aus der Fabrik zu den Kunden käme: der Fahrzeuglogistik. Denn das kapitalintensive Geschäft ist von Großunternehmen geprägt. Dazu zählen die landeseigene Bremer BLG Group, die Gefco-Gruppe, die früher zum französischen Autobauer PSA gehörte und seit 2012 ein Ableger der russischen Staatsbahn ist, sowie der französische Konzern CAT, eine ehemalige Tochter von Renault.

Der Schwabe hingegen ist ein klassischer Familienunternehmer. Mit 2.600 Mitarbeitern weltweit macht er in diesem Jahr voraussichtlich 400 Millionen Euro Umsatz und rund acht Millionen Euro Gewinn vor Steuern. Bis 2025 soll der Umsatz auf 600 Millionen Euro steigen.

Zusammen mit dem ähnlich umsatzstarken bayerischen Wettbewerber Altmann gehört seine Mosolf SE unweit von Stuttgart zu jenen mittelständischen Firmen, die sich erfolgreich in der Welt der mächtigen Konzerne behaupten. Von dem Einstieg in Chengdu verspricht sich Mosolf einen Vorsprung in einem großen Zukunftsgeschäft.

Mosolf ist durch und durch bodenständig und trotzdem – wie so viele Mittelständler – Kosmopolit. Sein Handwerk hat er von der Pike auf gelernt. Nach einer Lehre bei einer Stückgutspedition studierte er an der Deutschen Außenhandels- und Verkehrsakademie in Bremen. Er arbeitete erst bei einer Spedition in London, dann acht Jahre für den väterlichen Fuhrbetrieb in Frankreich und Spanien.

Nach dem MBA in St. Gallen folgte die Doktorarbeit über „Interkulturelles Management in der Logistik“ in Prag. All das hat aus dem Spediteurssohn, Typ handfester Schaffer, einen ebenso weltläufigen wie gewieften Strategen gemacht. „Jörg Mosolf ist einer jener hemdsärmeligen Vollblutunternehmer, wie wir sie aus der Nachkriegszeit kennen, mit einem Gespür für Zukunftsgeschäfte“, sagt Ex-BLG-Chef Dethold Aden. „Wenn er als Inhaber etwas auf die Spur setzt, dann zieht er das durch.“

Nun setzt Mosolf gerade das Projekt in Chengdu auf die Spur. Denn dort endet und beginnt die künftig wichtigste Eisenbahnverbindung zwischen China und Europa, die sich über Kasachstan, Russland und Weißrussland bis Lodz in Polen erstreckt.

Die Chinesische Staatsbahn hat auf der Route inzwischen Verträge über die durchgängige Nutzung des Schienenweges abgeschlossen und bietet die Slots nun an. Die will Mosolf vom kommenden Frühjahr an mit einem Teil seiner 350 Spezialwaggons nutzen, auf denen er bereits Autos innerhalb von Europa transportiert.

Die neue Seidenstraße

Chengdu wurde von den Wirtschaftsplanern in Peking zum zentralen Umschlagplatz der neuen Seidenstraße in China erkoren. Dazu richtet die Regierung, die mit Milliardeninvestitionen den alten eurasischen Landweg vom Reich der Mitte in den Okzident wiederbelebt, seit April 2017 eine gigantische Freihandelszone ein: die Sichuan Pilot Free Trade Zone. Deren Dreh- und Angelpunkt ist ein gewaltiger Güterbahnhof mit der größten Umladestation für Container in ganz Asien.

Mosolf will dort ein Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Eisenbahngesellschaften und Logistikern gründen. Dieses soll die Fahrzeuge umladen und zu den Händlern oder Kunden im Reich der Mitte weiterbefördern. Zwar ist der Transport über die Schiene der neuen Seidenstraße pro Tonne fast viermal so teuer wie über das Meer, dafür aber fast doppelt so schnell. „Das zahlt sich bei teuren Gütern wegen der kürzeren Kapitalbindung aus“, meint Mosolf. „Die Firmen sparen dadurch Liquidität.“

Es ist nicht das erste Mal, dass der Schwabe sich als Pionier der hiesigen Logistikbranche hervortut. So sorgte er Anfang des vergangenen Jahrzehnts für Aufsehen, als er aus Unzufriedenheit mit der Deutschen Bahn ein Eisenbahnverkehrsunternehmen gründete, um seine Waggons mit eigenen Loks zu ziehen.

Doch nach einigen Jahren verkaufte er das Unternehmen wieder. Übrig blieb der Geschäftsbereich Rail mit den Spezialwaggons, die er von klassischen Bahngesellschaften wie der Deutschen oder der Polnischen Bahn bewegen lässt.

Sein Hauptaugenmerk lag in den vergangenen Jahren vor allem auf Firmenübernahmen. Die jüngste Akquisition, der Erwerb von Konkurrent Autokontor Bayern mit 150 Mitarbeitern und 120 Spezialtransportern, datiert vom Mai. Wie seine Wettbewerber verfügt Mosolf über ein Netz eigener Werkstätten, um Autos auf Kundenwünsche zu trimmen. Das bescherte ihm Anfang des Jahres einen Auftrag aus dem Saarland, 37 Mercedes-Vito-Transporter zu Polizeiwagen umzubauen.

Auffällig an Mosolf ist sein Talent zum Netzwerken. Im April hat der Menschenfänger es zum Präsidenten des Deutschen Verkehrsforums gebracht. Vor Kurzem berief Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) das bekennende FDP-Mitglied auch noch in den Lenkungssauschuss der Nationalen Plattform „Zukunft der Mobilität“.

Auch der Einstieg in Chengdung gelang Netzwerker Mosolf, indem er Kontakte bis in die höchsten Regierungsränge in Peking knüpfte – wohl wissend, wie unerlässlich im Reich der Mitte Guanxi (persönliche Beziehungen) sind. „Ich fühle mich wie ein Eisbrecher, der den Weg politisch frei macht“, sagt er und grinst. „Die praktischen Probleme lösen dann meine Leute.“