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„Viele erfolgreiche Unternehmer sind unglücklich“

 

Johannes Schmeer coacht seit Jahrzehnten Führungskräfte. In Gesprächen mit Unternehmern hat er festgestellt, dass viele zwar erfolgreich, aber unglücklich sind. Im Interview erklärt der Experte, was häufig die Ursachen der Unzufriedenheit sind und ob Unternehmen unter diesen Bedingungen überhaupt langfristig profitabel sein können.

Herr Schmeer, Sie behaupten, dass viele erfolgreiche Unternehmer unglücklich sind.
Richtig. Ich berate seit vielen Jahren Unternehmer und stelle fest, dass sie immer häufiger erfolgreich, aber gleichzeitig unzufrieden sind. Und das, obwohl ihre Unternehmen gute Gewinne einfahren und auch privat äußerlich alles in Ordnung scheint. Trotzdem sitzen mir immer öfter Menschen gegenüber, die unzufrieden sind und mit ihrer Situation hadern.

 

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Wie äußert sich diese Unzufriedenheit konkret?
Emotional. Die Menschen merken, dass sie schlecht drauf sind und fragen sich: „Bei mir ist doch alles in Ordnung. Ich verstehe selbst nicht, warum ich so unglücklich bin mit mir und meinem Leben.“ Die Unzufriedenheit äußert sich also auf eine diffuse Weise, weil die Unternehmer eben nicht sagen können: „Mir geht es schlecht, weil...“ – und dann folgt ein konkret zu benennender Anlass. Die negative Gefühlslage scheint abstrus, weil sowohl die emotional schlechte Verfassung spürbar ist als auch der Gedanke dominiert „Eigentlich ist doch alles okay“.

Was sind die Gründe dafür?
In Gesprächen zeichnet sich oftmals ab, dass die meisten sich wiederfinden in einem Korsett von Erwartungen. Das erscheint im ersten Moment paradox: Schließlich hat ein eigenständiger Unternehmer in der Wirtschaft die maximale Freiheit, da er sein eigener Herr ist.

 

Doch der Knackpunkt ist meistens das innere Erleben dieser Menschen. Sie fühlen sich enorm verpflichtet gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden oder Familie. Eigene Interessen rücken in den Hintergrund. Wonach diesen Menschen eigentlich zumute ist, nämlich ihr Wunsch danach, mehr so leben zu können, wie es ihnen selbst tatsächlich entsprechen würde, bleibt aufgrund des innerlichen Drucks zunehmend auf der Strecke. Die Konsequenz: Sie werden unglücklich.

Warum machen viele Unternehmer trotzdem unbeirrt so weiter?
Weil sie eine große Angst in sich tragen, irgendetwas zu ändern. Allein schon bei dem Gedanken an Veränderungen spielt sich in ihren Köpfen ein Horrorfilm ab, bei dem ihre eigene Welt zusammenbricht: In diesem Kopfkino geht zum Beispiel der wirtschaftliche Erfolg baden oder die Frau läuft davon, weil sie sich an den hohen Lebensstandard gewöhnt hatte, den der Unternehmer ihr durch sein befürchtetes Scheitern nicht mehr erfüllen könnte.


„Viele ignorieren Warnsignale über Jahrzehnte“

 

Aber führen sie durch ihr unverändertes Verhalten nicht gerade dieses Szenario herbei?
Genau. Viele Unternehmer ignorieren Warnsignale und akzeptieren ihre Unzufriedenheit für den beruflichen Erfolg über Jahre oder Jahrzehnte hinweg als Preis für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg. Die Dauer hängt dabei von der Ausgeprägtheit der Verdrängungsmechanismen ab. Oft folgen Menschen selbst dann noch dem alltäglichen Trott, wenn die Ehe tatsächlich zerbrochen ist oder die Kinder missraten. Denn viele Menschen verharren lieber im sicheren Unglück als sich auf die Suche nach dem unsicheren Glück zu begeben.

 

Von welchen Warnsignalen sprechen Sie?
Wenn Unternehmer unzufrieden sind, merken sie das sehr früh auf der mentalen, emotionalen oder körperlichen Ebene. Auf der physischen Ebene können das ganz einfach Bauch-, Rücken- oder Kopfschmerzen sein. Auf der emotionalen Ebene kann sich die Unzufriedenheit durch Gereiztheit und schlechte Laune widerspiegeln – und bis zu depressiven Verstimmungen führen, die sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen. An die kann sich ein Betroffener durchaus gewöhnen. Er nimmt sie gleichsam als notwendiges Übel hin.

Kann das Unternehmen unter diesen Bedingungen weiter so erfolgreich sein?
Das kommt auf die Führungsmannschaft an, die hinter dem Unternehmer steht. Oft ist das Team dazu in der Lage, seine Schwächen auszugleichen.

 

Der Unternehmer sitzt auch in den meisten Fällen gerade nicht depressiv in der Ecke, sondern er arbeitet. Eine häufige Reaktion auf eine Depression ist, eine Arbeitssucht zu entwickeln. Und immer mehr Menschen greifen zu leistungssteigernden Medikamenten wie Ritalin, um sich auf Kurs zu bringen. Unter Umständen merkt niemand im Betrieb, was im Chef tatsächlich vorgeht.

Was raten Sie diesen Unternehmern?
Über ihre Befürchtungen zu sprechen. Denn nur dadurch erkennen sie ihre eigenen Denkschranken – in welchen Bereichen also festgefahrene Glaubensüberzeugungen sie schon am ersten Schritt in die Veränderung hindern. Tatsächlich wissen sie aber gar nicht, ob sich diese in der Realität auch bewahrheiten würden.

Herr Schmeer, vielen Dank für das Interview.

KONTEXT

Ein guter Chef ...

... ist ...

... fair und empathisch.

... entscheidet ...

... auf Grundlage guter Argumente.

... geht ...

... mit gutem Beispiel voran.

... ist ...

... ideenreich und scheut sich nicht vorm Querdenken, hinterfragt und fördert Innovationen.

... bietet ...

... ein respektvolles wie angstfreies Umfeld.

... löst ...

... Konflikte ruhig und souverän.

... ist ...

... kommunikativ und transparent dabei.

... gibt ...

... Fehler zu.

... ist ...

... motiviert und konstruktiv.

KONTEXT

Was gute Führung ausmacht

Flexibilität und Diversität

Laut einer Umfrage der "Initiative Neue Qualität der Arbeit" unter 400 Führungskräften sind Flexibilität und Diversität sind weitgehend akzeptierte Erfolgsfaktoren. Das Arbeiten in beweglichen Führungsstrukturen, mit individueller Zeiteinteilung und in wechselnden Teamkonstellationen ist aus Sicht der meisten Führungskräfte bereits auf einem guten Weg. Die Idee der Förderung von Unterschiedlichkeit ist demnach in den Unternehmen angekommen und wird umgesetzt. Die Beiträge zur Führungskultur gerade aus weiblichen Erfahrungswelten werden äußerst positiv bewertet.

Umfrage der "Initiative Neue Qualität der Arbeit"

Prozesskompetenz

Prozesskompetenz ist für alle das aktuell wichtigste Entwicklungsziel. 100 Prozent der interviewten Führungskräfte halten die Fähigkeit zur professionellen Gestaltung ergebnisoffener Prozesse für eine Schlüsselkompetenz. Angesichts instabiler Marktdynamik, abnehmender Vorhersagbarkeit und überraschender Hypes erscheint ein schrittweises Vortasten Erfolg versprechender als die Ausrichtung des Handelns an Planungen, deren Verfallsdatum ungewiss ist.

Netzwerke

Selbst organisierende Netzwerke sind das favorisierte Zukunftsmodell. Die meisten Führungskräfte sind sich sicher, dass die Organisation in Netzwerkstrukturen am besten geeignet ist, um die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu bewältigen. Mit der kollektiven Intelligenz selbst organisierender Netzwerke verbinden diese Führungskräfte die Hoffnung auf mehr kreative Impulse, höhere Innovationskraft, Beschleunigung der Prozesse und Verringerung von Komplexität.

Ende der Hierarchie

Hierarchisch steuerndem Management wird mehrheitlich eine Absage erteilt. Die meisten Führungskräfte stimmen darin überein, dass Steuerung und Regelung angesichts der Komplexität und Dynamik der zukünftigen Arbeitswelt nicht mehr angemessen sind. Zunehmende Volatilität und abnehmende Planbarkeit verringern die Tauglichkeit ergebnissichernder Managementwerkzeuge wie Zielemanagement und Controlling. Überwiegend wird die klassische Linienhierarchie klar abgelehnt und geradezu zum Gegenentwurf von "guter Führung" stilisiert.

Kooperationsfähigkeit

Kooperationsfähigkeit hat Vorrang vor alleiniger Renditefixierung. Über die Hälfte der interviewten Führungskräfte geht davon aus, dass traditionelle Wettbewerbsstrategien die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben und das Prinzip Kooperation weiter an Bedeutung gewinnt. Nur noch 29,25 Prozent der Führungskräfte präferieren ein effizienzorientiertes und auf die Maximierung von Profiten ausgerichtetes Management als ihr persönliches Idealmodell von Führung.

Persönliches Coaching

Persönliches Coaching ist ein unverzichtbares Werkzeug für Führung. Mit dem Übergang zur Netzwerkorganisation schwindet der selbstverständliche Schonraum hierarchischer Strukturen. Die Durchsetzung eigener Vorstellungen über Anweisung werde immer schwieriger oder sei gar nicht mehr möglich. Mächtig ist nur, was auf Resonanz trifft. Einfühlungsvermögen und Einsichtsfähigkeit werden dadurch immer wichtiger. Alle Akteure, ob nun Führungskraft oder geführte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bräuchten im Unternehmen mehr Reflexion und intensive Entwicklungsbegleitung.

Selbstbestimmung und Wertschätzung

Motivation wird an Selbstbestimmung und Wertschätzung gekoppelt. Die Führungskräfte gehen davon aus, dass die motivierende Wirkung von Gehalt und anderen materiellen Anreizen tendenziell abnimmt. Persönliches Engagement wird mehr mit Wertschätzung, Entscheidungsfreiräumen und Eigenverantwortung assoziiert. Autonomie werde wichtiger als Statussymbole und der wahrgenommene Sinnzusammenhang einer Tätigkeit bestimme den Grad der Einsatzbereitschaft.

Soziale Verantwortung

Gesellschaftliche Themen rücken in den Fokus der Aufmerksamkeit. In der intuitiven Schwerpunktsetzung der Führungskräfte nimmt die Stakeholder-Perspektive des Ausgleichs der Ansprüche und Interessen von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen einen wachsenden Raum ein. Über 15 Prozent aller frei genannten Beschreibungen im Führungskontext beschäftigen sich mit Fragen der gesellschaftlichen Solidarität und der sozialen Verantwortung von Unternehmen.

KONTEXT

12 Karriere-Mythen

Mit 50 ist man zu alt für die Karriere

Nein! In der Realität gibt es diese Altersschranke oft gar nicht, glaubt Headhunter Marcus Schmidt: "Manche Mandanten suchen sogar explizit Führungskräfte ab 50, weil sie viel Wert auf Erfahrung legen und nicht wollen, dass der Neue gleich wieder weiterzieht." Zudem gilt in Deutschland seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das eine Diskriminierung aus Altersgründen verbietet.

Seine Erfahrungen hat Schmidt in dem Buch "Die 40 größten Karrieremythen" niedergeschrieben. Handelsblatt Online hat die spannendsten Zitate ausgewählt.

Ohne Doktortitel geht es nicht

"Die Frage, ob man promovieren soll oder nicht, hängt von der angestrebten Karriere ab", sagt Schmidt. Denn die Promotion koste immer auch Zeit - in der Diplomanden ein vergleichsweise geringes Gehalt beziehen. "Nicht alle jungen Berater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer wollen in einem Unternehmen zum Partner aufsteigen oder erreichen dieses Ziel."

Eine Top-Karriere macht man nur im großen Konzern

Falsch! Entscheidend für die Karriere sei nicht, bei welchem Unternehmen man arbeite, sondern welche Aufgaben und Entfaltungsmöglichkeiten man habe, sagt Personalberater Schmidt. "Gerade in weniger etablierten Unternehmen gibt es oftmals spannendere und weniger standardisierte Aufgaben als in Großkonzernen", so Schmidt.

Nur wer sich anpasst kommt weiter

Im Gegenteil: Eigene, gut argumentierte Überzeugungen hält Headhunter Marcus Schmidt für unabdingbar. "Wer nur mitläuft, um ja keinen Fehler zu machen, kann nichts Herausragendes leisten und wird nicht dauerhaft auf sich aufmerksam machen", so Schmidt. So könne man sich nicht profilieren oder für die nächsten Ebenen empfehlen.

Der MBA ist ein Karriere-Turbo

Die deutsche Wirtschaft zeigt ein anderes Bild: Absolventen hätten sich selten in die Führungsetage hochgearbeitet, sagt Schmidt. Anders als der Doktortitel ist der MBA zudem kein normierter akademischer Grad, seine Vergabe wird also grundsätzlich nicht staatlich geregelt oder kontrolliert. Wer Studiengebühren von bis zu 70.000 US-Dollar auf sich nehme, solle deshalb das Renommee der Schule immer überprüfen.

Ohne Examen gibt es keinen Aufstieg

Muss man heute studieren, wenn man Karriere machen will? Nein, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Und einige prominente Konzernlenker geben ihm recht: Telekom-Chef René Obermann etwa hat sein Studium abgebrochen, und auch Klaus-Peter Müller, bis 2008 Vorstandsvorsitzender der Commerzbank und jetziger Aufsichtsratsvorsitzender, hat nie studiert.

Gehalt ist ein untrüglicher Gradmesser des Karriereerfolgs

Die Position mit Perspektive sei nicht immer die am besten bezahlte, sagt Marcus Schmidt. So könne sich für ein renommiertes Traineeprogramm ein kurzfristiger Gehaltsverzicht durchaus auszahlen - etwa, wenn das ausbildende Unternehmen in seiner Branche als Kaderschmiede gilt.

Ein Auslandsaufenthalt fördert die weitere Karriere

Nicht immer, sagt Headhunter Marcus Schmidt - stattdessen kann der Auslandseinsatz sogar zum Nachteil werden. "Oftmals sind es die Daheimgebliebenen, die dann verbleibende Inlandsposten unter sich aufteilen". Sie säßen dann auf Stühlen, auf die Auslandsrückkehrer vergeblich spekulieren.

Der erste Job muss der richtige sein

Wer auf standardisierte Einstiegsprogramme in Unternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad setze, müsse auch in Kauf nehmen, dass die eigene Berufslaufbahn nachgemacht wirkt, sagt Personalberater Marcus Schmidt. "Gehen Sie eigene Wege. Suchen Sie Ihren Einstieg ruhig gegen den Strich. Probieren Sie etwas aus, was sie wirklich interessiert."

Karriere macht, wer mehr als 60 Stunden pro Woche arbeitet

Falsch, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Ebenso wichtig wie der tatsächliche Zeiteinsatz sei der gefühlte Zeiteinsatz. Und der definiere sich auch durch die Befriedigung mit der getanen Arbeit. "Wer es schafft, aus seines Arbeit weitgehend Befriedigung zu ziehen, muss auch nicht Karriereschablonen zum persönlichen Zeiteinsatz nachjagen."

Frauen hindert die "gläserne Decke" am Aufstieg

Tatsächlich finde sich diese "gläserne Decke" vor allem in den Köpfen der männlichen Entscheider, glaubt Schmidt. Für weibliche Führungskräfte scheine sie hingegen kein Thema zu sein. "Viele Beratungsunternehmen und große Konzerne bitten uns öfter sogar explizit, nach weiblichen Kandidatinnen zu suchen."

In der Wirtschaftskrise macht man keine Karriere

"In der Krise wählen Unternehmen bei der Besetzung von Stellen zwar sorgfältiger aus. Aber sie stellen trotzdem noch ein", ist die Erfahrung von Marcus Schmidt. Gerade in Phasen des Umbruchs gebe es etwa die Chance zur Übernahme von Restrukturierungsjobs, bei denen wirklich die Fähigkeit der Verantwortlichen zählt.