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Thomas Cook kämpft um sein Überleben

Der britische Reiseanbieter Thomas Cook muss 200 Millionen Pfund aufbringen, um eine Insolvenz abzuwenden. Hunderttausende Urlauber sind besorgt.

Stundenlang verhandelte das Management des britischen Reisekonzerns Thomas Cook am Sonntag in London mit Banken, Aktionären und Anleiheeignern. Doch Rettung für den weltweit zweitgrößten Reisekonzern nach Tui war bis zuletzt nicht in Sicht.
Sollte sich das nicht in letzter Minute ändern, steht das Unternehmen wohl vor dem Aus. Von einer Pleite dürften Tausende Urlauber, Mitarbeiter und Hoteliers betroffen sein. Schätzungen zufolge sind derzeit 650.000 Touristen und Reisende mit Thomas Cook unterwegs, viele davon aus Deutschland.

An diesem Sonntag hatte der Vorstand jedoch keinen Insolvenzantrag gestellt. Das Unternehmen wollte die Entwicklungen auf Anfrage nicht kommentieren.

Die Situation hatte sich zugespitzt, als Banken forderten, dass Thomas Cook weitere 200 Millionen Pfund (rund 227 Millionen Euro) auftreiben müsse, um von den Geldhäusern über den für die Tourismusbranche schwierigen Winter gestützt zu werden. Für das 1841 gegründete Unternehmen war in den vergangenen Wochen ein Rettungspaket geschnürt worden, das bereits 900 Millionen umfasste. Nun wurden es 1,1 Milliarden Pfund. Das war den Beteiligten offenbar zu viel.

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Die Probleme von Thomas Cook sind nicht über Nacht entstanden. Das Unternehmen, das seit 2014 von dem Schweizer Peter Fankhauser geführt wird, hat einen milliardenschweren Schuldenberg angehäuft. Bei Vorlage der letzten Halbjahreszahlen bis Ende März verzeichnete die Firma einen Nettoverlust von 1,5 Milliarden britischen Pfund (1,7 Milliarden Euro). Die sogenannte Netto-Finanzverschuldung – die Finanzverbindlichkeiten abzüglich der Barmittel – betrug 1,2 Milliarden Pfund (1,4 Milliarden Euro).

Der gute Sommer 2018 hatte im vergangenen Jahr vielen Urlaubern die Lust auf eine Reise in die Ferne genommen. Noch dazu leidet der Konzern, zu dem Marken wie Neckermann Reisen und die Fluglinie Condor gehören, wegen des Brexits unter der Unsicherheit der Kunden in der britischen Heimat. Zudem müssen die Reisekonzerne mit immer höheren Rabatten versuchen, Kunden anzulocken. Obendrein war Thomas Cook gezwungen, eine milliardenschwere Abschreibung vorzunehmen. Investoren befürchteten angesichts dessen bereits das Schlimmste – bis der chinesische Großaktionär Fosun Thomas Cook eine umfassende Sanierung vorschlug.

Demnach soll das Unternehmen in einen Reiseanbieter und eine Fluggesellschaft aufgespalten werden. Aktionär Fosun, der zu den größten Konzernen in China gehört, sollte demnach 450 Millionen Pfund geben und im Gegenzug 75 Prozent an dem Reiseunternehmen und 25 Prozent an den Airlines erhalten. Die Gläubiger wiederum sollten ebenfalls 450 Millionen Pfund beisteuern, indem sie Kredite in Eigenkapital wandeln. Dafür sollten sie 25 Prozent am Reiseunternehmen und 75 Prozent an den Airlines bekommen.

Doch der Deal stand von Anfang an auf wackeligen Füßen. Zum einen war Widerspruch von den Aktionären zu erwarten, weil diese dabei leer ausgehen. Fraglich war aber auch, ob die Banken und Anleihegläubiger mitziehen würden. Die Gläubiger sollten über den Sanierungsplan kommende Woche abstimmen. Nun ließen aber Banken, unter anderem die britische Royal Bank of Scotland, die Lage eskalieren. Wie aus gut informierten Branchenkreisen zu hören ist, wollten diese dem „schlechten“ Geld kein gutes hinterherwerfen. Zumal der Schaden der Institute bei einer Insolvenz durch Kreditausfallversicherungen üblicherweise zumindest zum Teil abgefedert wird.

„Operation Matterhorn“

Die britische Regierung machte sich am Wochenende auf das Schlimmste gefasst. Nachdem sie nicht bereit war, selbst die 200 Millionen zuzuschießen, plante sie die sogenannte „Operation Matterhorn“, um gestrandete Urlauber zurückzuholen. Nach Informationen aus Branchenkreisen wurde im Vorfeld der Insolvenz auch die Bundesregierung kontaktiert.

Die habe aber abgelehnt, wohl auch mit Blick auf die schlechten Erfahrungen bei der insolventen Air Berlin. Der Airline hatte der Bund eine Staatsbürgschaft über 150 Millionen Euro zugesagt. Das Geld wurde zwar komplett zurückgezahlt, wie erst dieser Tage bekannt wurde. Doch die Bundesregierung erntete heftige Kritik für das Engagement. So stand der Vorwurf im Raum, der Bund habe die Fluggesellschaft nur am Leben halten wollen, um eine Übernahme durch Konkurrent Lufthansa sicherzustellen.

Für viele Briten sind die Nachrichten zu Thomas Cook ein Déjà-vu: Vor zwei Jahren erst kollabierte die britische Airline Monarch. Die 35 Maschinen der bis dahin fünftgrößten Fluggesellschaft Großbritanniens blieben am Boden. 110.000 Kunden saßen in ihren Urlaubsorten fest, bis die Regierung sie zurückholte.

Die Gründe für den Kollaps von Monarch decken sich mit vielen Problemen, die Thomas Cook so zusetzen: dem schwachen Pfund, dem Umstand, dass viele Briten wegen des schönen Wetters zu Hause blieben und angesichts des Brexits nicht reisen wollten, sowie den Terroranschlägen in den vergangenen Jahren in der Türkei und anderen wichtigen Urlaubsregionen. Dazu steigen die Kosten und die Einnahmen sinken.

Bei Monarch musste die Regierung rund 60 Millionen Pfund (68 Millionen Euro) zahlen, um gestrandete Briten heimzubringen. Bei Thomas Cook würden die Kosten Schätzungen zufolge deutlich höher liegen. Schließlich befinden sich rund 150.000 Briten im Ausland. Viele von ihnen fragen sich, wie es weitergeht. Aber einige wenige wollen sich nicht ihren Urlaub vermiesen lassen.

„Als wir die Nachrichten gehört haben, haben wir uns zunächst etwas Sorgen gemacht“, erzählte Urlauber Alan Banner der „Sunday Times“. „Aber dann habe ich gedacht: Ach, was soll’s, dann haben wir eben mehr Zeit, um einen Gin Tonic am Strand zu trinken.“ Und so flog der 64-Jährige am Samstag zusammen mit seiner Frau Lisa mit Thomas Cook auf die Kanaren.

Mehr: Neue Meldungen über den Rettungsplan des Touristikriesen Thomas Cook lassen die Aktien abstürzen. Dabei klang die Ad-hoc-Nachricht auf den ersten Blick verheißungsvoll.