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Wie der Spirituosenkonzern Bacardi die Bar nach Hause bringt

Der weltgrößte Spirituosenhersteller in Familienhand hilft Barkeepern mit Know-how für „Cocktails to go“. Neu auf dem Markt sind alkoholfreie Varianten.

Als die Bars nach dem ersten Lockdown langsam wieder öffneten, gaben die 2500 Mitarbeiter von Bacardi in Europa 10.000 Drinks aus: Je drei Leuten durften sie auf Firmenkosten in Bars zu Cocktails einladen.

Nicolas Rampf, Bacardi-Chef im deutschsprachigen Raum, lud seine Freunde zum „Boilerman“ im Hamburger Hafen. „Eine coole Bar, in der ich am liebsten fruchtige Cocktails wie Bacardi Daiquiri trinke.“ Mit der Aktion „Back to the Bar“ wollte der weltgrößte Spirituosenhersteller in Familienhand die Barszene wiederbeleben.

Doch längst sind Clubs und Bars im zweiten Lockdown. Auch wenn die Gastronomie nur 20 Prozent vom Umsatz von Bacardi hierzulande ausmacht, treffen die Schließungen den Hersteller von Marken wie Bacardi Rum, Bombay Sapphire Gin, Grey Goose Wodka, Patron Tequila und Martini. „In Bars können die Leute neue Drinks probieren. Die Gastronomie ist und bleibt für uns ein wichtiger Kanal zum Markenaufbau“, betont der 39-jährige Flensburger.

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Bacardi will notleidenden Bars auch im Lockdown helfen und hat deshalb das europaweite Online-Portal „Bring the Bar Home” gestartet. Dort finden Barbesitzer alles Notwendige für den Aufbau eines Liefer- oder Abholservice. Gastronomen erhalten freie Software zum Designen und Drucken eigener Cocktail-Etiketten, Rezepte und Hilfe für Marketing über Social Media. „Für die Bars ist das kostenlos. Und letztlich profitieren wir ebenfalls davon, auch nach der Pandemie“, sagt Rampf.

Bacardi hat seit der Gründung vor 158 Jahren etliche Krisen, Kriege und Erdbeben durchgestanden. 1862 kaufte der spanische Auswanderer und Kaufmann Facundo Bacardi Masso auf Kuba eine kleine Rumdestillerie und startete eine Spirituosen-Revolution. Er machte Rum, damals ein kaum genießbares Feuerwasser, salonfähig. Aus zwei Destillaten, die er mit Holzkohle filterte, schuf er einen feinen, klaren Rum, der sich zum Mixen eignete.

„Facundo Bacardi legte damit die Grundlage für die Cocktailkultur. Das war damals ein großer technologischer Fortschritt“, sagt Rampf. Bacardis Frau Amalia, die Fledermäuse im Dachstuhl der Destillerie entdeckte, entwickelte eines der ältesten Markenlogos der Welt. Die schwarze Fledermaus galt als Glücksbringer und prangt seit 158 Jahren auf jeder Flasche.

Streit im Bacardi-Clan

Der berühmteste Cocktail, der Cuba Libre, entstand nach der Befreiung Kubas von den spanischen Kolonialherren. US-Soldaten und kubanische Freiheitskämpfer mischten Cola mit Bacardi und stießen 1900 auf das freie Kuba an. Zu Zeiten der amerikanischen Prohibition in den 1920er-Jahren genossen Ernest Hemingway und Hollywood-Stars auf Kuba die karibische Leichtigkeit mit Bacardi-Cocktails.

Doch nach dem Umsturz durch Fidel Castro wurde die Familie Bacardi 1960 enteignet. Sie floh ins Exil. Ihre Firma überlebte, weil sie bereits Werke in Mexiko, Puerto Rico, den USA und Spanien hatte. Heute sitzt die Zentrale auf Bermuda. Zum globalen Umsatz schweigt das Unternehmen, die „Lebensmittelzeitung“ schätzt ihn auf mehr als vier Milliarden Dollar.

Durch Zukäufe wuchs das Portfolio auf etwa 200 Marken. 2018 übernahm Bacardi den Tequila-Hersteller Patron Spirits komplett, der damals mit 5,1 Milliarden Dollar bewertet war. Europa ist Bacardis zweitgrößter Markt. Weltweit sind etwa 7000 Mitarbeiter beschäftigt. Sie nennen sich familiär untereinander „Primos“, Spanisch für „Cousins“.

Mit Facundo Bacardi ist ein direkter Nachfahre des Gründers als Chairman aktiv – in achter Generation. Es gibt etwa 400 lebende Mitglieder der Familie Bacardi. Eine Handvoll davon arbeitet im Unternehmen. Einmal im Jahr treffen sich die Nachfahren aus aller Welt und informieren sich über die Geschäfte.

Doch wie in vielen weit verzweigten Unternehmerfamilien gibt es auch bei Bacardis Streit. Monika und Maria Louisa, Witwe und Tochter des Urenkels des Firmengründers, fühlen sich von Treuhändern im Bastille Trust, einer Art Familienstiftung in Liechtenstein, ausgebootet und um Dividenden gebracht.

Diese weisen die Vorwürfe gegenüber dem Handelsblatt als „samt und sonders unwahr und verleumderisch“ zurück und haben eine einstweilige Verfügung dagegen vor Gericht erwirkt. Das Unternehmen will sich zu Familienangelegenheiten nicht äußern.

Premiummarken profitieren in der Krise

2018 hatte Bacardi sein einziges Abfüllwerk in Deutschland geschlossen. Die meisten Spirituosen verkauft das Unternehmen hierzulande im Handel. „Der E-Commerce hat durch die Pandemie einen Schub bekommen. Da haben wir viel investiert, und er wird ein wichtiges Standbein“, so Rampf, der früher als Marketing-Manager bei L’Oréal arbeitete.

Langfristig soll der E-Commerce von Bacardi zwölf Prozent des Umsatzes einbringen. Der Nettoumsatz lag laut Jahresabschluss 2019/20 (bis März) bei 122 Millionen Euro, ein Plus von rund vier Prozent.

Online werden deutlich mehr Premium-Produkte geordert. Dort verkaufen sich auch Varianten gut, die in den Regalen des Handels keinen Platz finden. „Außerdem bekommen wir nun Daten über unsere Kunden, die wir vorher nicht persönlich kannten. Mit denen können wir nun über Social Media direkt kommunizieren“, erläutert Rampf die Vorteile. 30 Prozent vom Umsatz fließen ohnehin in Werbung.

Ein Drittel des Geschäfts macht der Hersteller im Weihnachtsquartal. „Spirituosen werden wichtiger in Coronazeiten“, meint Rampf. „Die Deutschen möchten in den eigenen vier Wänden feiern nach einem Jahr, das irgendwie verkorkst war.“ In der Pandemie greife der Konsument zu bewährten Marken.

Das bestätigt Angelika Wiesgen-Pick, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Spirituosen-Industrie (BSI): „In der Tat gibt es in der Spirituosenbranche Trends zu bekannten deutschen Marken, zu Premiumprodukten, zu Importprodukten, aber auch zum Craft-Handwerk.“ Mit rund 720 Millionen Flaschen à 0,7 Liter schrumpfte der deutsche Spirituosenmarkt 2019 leicht um rund 1,5 Prozent zum Vorjahr. Weiterhin ist er der größte Markt für Spirituosen in der EU.

Jeder Deutsche trank 2019 im Schnitt 5,3 Liter Spirituosen. Hersteller und Importeure machten 2019 rund 4,7 Milliarden Euro Umsatz – inklusive etwa 2,1 Milliarden Euro Alkoholsteuern.

Der Bestseller aus dem Hause Bacardi ist der „Carta Blanca“. Neben Rum ist Gin Bacardis zweites Standbein mit der Premiummarke „Bombay Sapphire“. Bei Gin und Martini liegen fruchtige Varianten im Trend. Der neue Bombay Bramble etwa wird aus natürlicher Fruchtinfusion reifer Brom- und Himbeeren hergestellt.

Kunden können sich Cocktails nun auch zu Hause mixen. Sie brauchen nur Wasser und Eis zu den sogenannten „Twistail“-Kapseln geben und schütteln.

Seit Kurzem bietet Bacardi auch nichtalkoholische Getränke an und folgt damit dem Zeitgeist. „Es war technologisch sehr aufwendig, Aperitifs wie Martini Vibrante oder Floreale ohne Alkohol zu entwickeln“, erklärt Rampf.

Die Kategorie Spirituosen mit wenig oder ohne Alkohol oder auch „Mindful Drinking“ sei mit einer Million Euro Umsatz hierzulande noch klein. Sie werde sich aber in den nächsten fünf Jahren verzehnfachen. „Denn es sind vor allem die Digital Natives, die Cocktails gerne auch alkoholfrei genießen.“