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ROUNDUP: Spahn polarisiert mit Migrations-Vorstoß

BERLIN (dpa-AFX) -Die Forderung von CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn nach einer stärkeren Beschränkung der Einwanderung nach Deutschland findet Zustimmung bei Kommunalverbänden - stößt in der Ampel-Koalition aber auf Kritik. Spahn hatte in der "Bild am Sonntag" deutlich gemacht, dass dies schon an der EU-Außengrenze geschehen müsse. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann sagte dazu der "Welt", nationale Abschottung und ungeregelte Verhältnisse an den EU-Außengrenzen seien keine Alternative. Für die Innenpolitikerin Lamya Kaddor von den Grünen "kann es keine Lösung sein, Menschenrechte auszusetzen, um Migration zu begrenzen", wie sie der "Welt" sagte.

Spahn hatte dafür plädiert, in Europa 300 000 bis 500 000 Flüchtlinge im Jahr aufzunehmen und zu verteilen. Auswählen sollte die Menschen das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen UNHCR. "Deutschland braucht eine Pause von dieser völlig ungesteuerten Asyl-Migration", hatte er erklärt. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden laut UNHCR weltweit von Januar bis November 100 000 Menschen über solche Kontingente in anderen Ländern aufgenommen. Im Jahr davor waren es 63 190.

Die Asylantragszahlen sind zuletzt deutlich gestiegen. Im ersten Halbjahr beantragten 162 271 Menschen hierzulande Schutz - das entspricht rund 64 Prozent der Zahl des gesamten Jahres 2022. Hinzu kommen seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 ungefähr eine Million Menschen aus diesem Land.

Der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager, bezeichnete den Vorstoß Spahns als im Kern richtig. "Die Zuwanderung steuern und ordnen kann nur der Bund, die Kapazitäten der Landkreise zur Aufnahme und Integration Schutzsuchender sind mehr als ausgelastet. Wir laufen immer mehr unserem Anspruch hinterher, Geflüchtete angemessen aufnehmen und integrieren zu können", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Landkreise bräuchten hier mehr politischen Rückenwind.

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Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordere seit längerem einen Neustart in der Migrationspolitik, mit dem Ziel, das Geschehen zu ordnen und zu begrenzen, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der dpa. "Viele Kommunen sind bei der Versorgung, Unterbringung und Integration längst an ihrer Leistungsgrenze angelangt. Es fehlen ausreichend Wohnmöglichkeiten, auch Plätze in Kitas und Schulen für die Kinder müssen immer weiter ausgebaut werden, was zusätzlich durch fehlendes Personal und knappe Finanzmittel erschwert ist." Die Finanzierung sei Aufgabe von Bund und Ländern.

Die Co-Vorsitzende der Linken, Janine Wissler, nannte Spahns Äußerungen "rechtspopulistisches Geschwätz". Sie sagte im Sender Welt TV: "Wenn Krieg, Elend und Vernichtung auf dieser Welt keine Pause machen, dann kann auch die humanitäre Aufnahme von Menschen keine Pause machen." Zudem gebe es gar keine unbegrenzte Migration.

Äußerungen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu einer erhöhten Kinderarmut in Zuwandererfamilien und mögliche Schlussfolgerungen daraus sorgten derweil für Irritation beim Sozialverband VdK. Präsidentin Verena Bentele reagierte empört auf die Debatte um die Kindergrundsicherung. "Es ist unverantwortlich und unsozial, die Zukunft von Millionen Kindern im Klein-Klein von Haushaltsstreitigkeiten zu opfern", sagte sie der dpa.

Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang widersprach Lindner: "Verschiedene Zahlen zeigen uns, dass wir ein Problem mit verfestigter Kinderarmut schon seit längerer Zeit hier in Deutschland haben", sagte Lang dem Nachrichtenportal "ZDFheute.de". Deswegen sei die Einführung einer Kindergrundsicherung wichtig. "Dabei hängt die Frage, ob man etwas gegen Kinderarmut tun sollte, für mich nicht von der Herkunft ab", machte die Grünen-Vorsitzende deutlich.

Der DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagte am Montagabend in der "Aktuellen Stunde" im WDR, dass Lindner außer Acht lasse, wie Armut gemessen werde. "Wir messen Armut relativ. Das heißt alle Familien, alle Menschen, die in einem Haushalt mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens leben, die werden als arm bezeichnet." Das sei die statistische Definition. "Wenn Sie jetzt ganz viele Menschen haben, die noch ärmer sind, die neu ins Land kommen, dann verschiebt sich das mittlere Einkommen nach unten. Das heißt, es gibt viele deutsche Familien, die nicht mehr als arm gelten, weil eben sehr viel noch ärmere dazugekommen sind."

Lindner hatte am Wochenende Beratungsbedarf nicht nur zur finanziellen, sondern auch zur inhaltlichen Ausgestaltung der Maßnahmen gegen Kinderarmut anmeldet. Von Kinderarmut seien vor allem Familien betroffen, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien, sagte der FDP-Politiker am Sonntag. Er wolle darüber diskutieren, wie man diesen Kindern und Jugendlichen am besten helfen könne. Bei "ursprünglich deutschen Familien, die schon länger hier sind" sei die Kinderarmut hingegen deutlich zurückgegangen.

Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) geben Lindner Recht. Sie zeigen einen Anstieg der Zahl ausländischer Kinder, die Hartz IV oder Bürgergeld erhalten. Während ihre Zahl im Dezember 2010 bei rund 305 000 lag, waren es im Dezember 2022 rund 884 000. Nach Angaben der BA erhielten im März 2023 als größte Gruppe rund 275 500 ukrainische Kinder und Jugendliche Bürgergeld. Die mit Abstand zweitgrößte Gruppe waren mit rund 213 400 Beziehern Kinder und Jugendliche aus Syrien. Anders als Asylbewerber erhalten ukrainische Kriegsflüchtlinge unmittelbar Zugang zum deutschen Sozialsystem, was den zuletzt sprunghaften Anstieg erklärt. Der Trend zeigte sich aber schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine etwa an syrischen Flüchtlingen.

Die BA-Zahlen gehen zurück auf eine AfD-Anfrage. Daraus geht auch hervor, dass in der Zeit von 2010 bis 2022 die Zahl von Kindern und Jugendlichem mit deutschem Pass, die die entsprechenden Sozialleistungen erhielten, gesunken ist: und zwar von rund 1,37 Millionen im Dezember 2010 auf rund 895 000 im Dezember 2022. Der Wert für März 2023 liegt nach BA-Angaben bei 1,02 Millionen.

Lindner warf die Frage auf, ob man betroffenen Kindern am besten helfe, wenn man Eltern Geld überweise. "Oder ist nicht vielleicht mindestens diskussionswürdig, in die Sprachförderung, Integration, Beschäftigungsfähigkeit der Eltern zu investieren und die Kitas und Schulen für die Kinder so auszustatten, dass sie vielleicht das aufholen können, was die Eltern nicht leisten können?" Genau diese Debatte werde die Ampel-Regierung führen, kündigte Lindner an.

VdK-Präsidentin Bentele erklärte, Bildungspolitik sei kein Ersatz für Sozialpolitik. "Wenn man das eine fördert, muss man das andere nicht lassen." Sie warnte: "Arme Kinder, die heute keine gute Unterstützung erhalten, bleiben mit hoher Wahrscheinlichkeit arm und sind später nicht selten auf Sozialleistungen angewiesen und zahlen weniger Steuern."

Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, René Springer, sah sich durch Lindners Aussagen bestätigt. Lindner spreche nun "das Offensichtliche" aus: "Migration bringt Deutschland Armut und sichert keinesfalls unseren Wohlstand." Er ziehe aber die falsche Schlussfolgerung, nötig sei eine restriktive Zuwanderungspolitik.