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Longevity und Rejuvenation: Fünf Startups, die Milliarden-Firmen werden könnten

Web.de-Gründer Michael Greve investiert mit Kizoo ausschließlich in Startups aus dem Bereich Rejuvenation-Biotech.
Web.de-Gründer Michael Greve investiert mit Kizoo ausschließlich in Startups aus dem Bereich Rejuvenation-Biotech.

Longevity ist mindestens so heiß wie missverstanden. Viel zu breit und nicht genau definiert. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff Langlebigkeit. In der Branche deuten Menschen ihn sehr unterschiedlich. Auf einem „Longevity Dinner“ in Berlin Anfang Mai etwa, zu dem Gründerinnen und Gründer sowie Investoren eingeladen waren, haben wir Ärzte getroffen, die auf Eisbaden zur Verjüngung der Arterien schwören (= Longevity). Und Gründer, die mit Botox und Hyaluron gegen das Altern kämpfen ( = "Skin-Longevity"). Aber auch einen New Yorker Venture Capitalist, der gerade in ein Pharmaunternehmen aus der Krebsforschung investiert hatte. Auch wieder: Longevity! Wobei dieser Investor im Gespräch mit Gründerszene auch sagte: „I hate the L-word“.

Doch ob ihm das nun gefällt oder nicht: In seiner Heimat, den USA, ist Longevity, Langelebigkeit, wenn man es wörtlich übersetzt, längst ein Thema, das Verbraucherinnen und Verbraucher fasziniert und Investorinnen und Investoren anzieht. Bryan Johnson ist als „Longevity-Pioneer“ auf allen Social Kanälen („A Wacko!“, wie der New Yorker Investor findet), rechnet vor, wie er sein biologisches Alter verringert, präsentiert Präparate und Shakes, die verjüngen sollen.

Der Mark: Schwer zu fassen, aber wohl riesig

Doch gerade weil Langlebigkeitsprodukte und -dienstleistungen nicht genau definiert sind, ist es schwer, den Markt wirklich zu analysieren. Darüber hinaus überschneidet er sich mit anderen Branchen wie Gesundheitswesen, Wellness, mal Beauty, bisweilen auch Food. Dennoch gibt es einige Studien. So haben etwa Analysten der Bank of America berechnet, dass der Longevity-Markt bis 2025 rund 600 Milliarden US-Dollar groß sein könnte. Die US-amerikanische Plattform Longevity Technology zeigt in ihrem Bericht „The State of the Longevity Industry 2023“, dass die Investitionen in Longevity-Startups im Jahr 2022 bereits 5,7 Milliarden US-Dollar erreicht haben, was einem Anstieg von 44 Prozent gegenüber 2021 entspricht.

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Das meiste davon geschieht derzeit in den USA. Dort haben sich spezialisierte Longevity-Fonds etabliert, der Longevity Vision Fund und der Longevity Fund etwa. Auch der Techinvestor Peter Thiel ist ein bekannter Unterstützer von Startups dieser Branche.

In Europa ist das Thema noch eher klein. „Die Industrie ist einfach noch sehr jung“, sagt Michael Greve. 40 führende Startups, zwei Hand voll VCs – das sei es hier. In Deutschland ist Apollo Health auf dem Gebiet unterwegs, in der Schweiz Maximon und Longe VC. Und natürlich Kizoo, der Fonds von Michael Greve. Greve ist einer der ersten, die sich mit Langlebigkeit und Verjüngungsmedizin als Geldgeber beschäftigen. 2013 habe er angefangen, sich mit dem Thema zu befassen, erzählt Greve im Gespräch mit Gründerszene.

Bis dahin war Greve ein Internet-Unternehmer gewesen, einer der erfolgreichsten Deutschlands. Gemeinsam mit seinem Bruder hat er das Portal Web.de gegründet. Auch Lastminute.de. und Flug.de stammen von ihm. Er hat mehrere Exits gemacht und später Geld als Venture Capitalist in Firmen wie MambuBabbel oder Staffbase, allesamt spätere Unicorns, investiert. Jetzt investiert er mit seiner VC-Firma Kizoo ausschließlich in Verjüngungsmedizin. 300 Millionen Euro umfasst sein Fonds.

Longevity versus Rejuvenation

Greve unterscheidet "Logevity" und "Rejuvenation". Jede Medizin sei Longevity, sagt er. Es geht ja immer darum, die gesunde Lebensspanne zu verlängern. Bei Rejuvenation-Medizin gehe es darum, alle altersbedingten Krankheiten zu vermeiden und zu heilen, indem man die Grundursache bekämpft: das Altern.

Startups, die für Greve spannend sind, entwickeln Therapien, die auf molekulärer und zellulärer Ebene die Veränderungen, die durch den Alterungsprozess entstehen, mindestens verlangsamen, besser noch anhalten und im Idealfall sogar zurückdrehen. Dann wäre es nämlich tatsächlich Verjüngung.

Greve erklärt das mit einem Beispiel: Ein Startup aus seinem Portfolio, Cyclarity, entwickele eine Therapie gegen die Ursache von Dreivierteln aller Schlaganfälle und Herzinfarkte: weiche Plaque, die im Zuge des Älterwerdens zunimmt und im schlimmsten Fall Arterien verstopft. Der Wirkstoff des Startups soll diese Plaque entfernen und damit die Blutgefäße verjüngen.

Viel Milliarden wiederkehrende Kunden

Tatsächlich sei das ein relativ einfacher Wirkstoff, erklärt Greve. Könnte ein Generika werden, wie Aspirin und Ibuprofen. Und genauso billig. Denn: Rejuventation-Produkte punkten nicht durch Preise und Margen, sondern durch ihre immens große Zielgruppe. Nämlich eigentlich die gesamte Menschheit.

„Der Alterungsprozess betrifft uns alle“, sagt Greve. „Prävention muss jeder machen. Es will doch keiner das Risiko eingehen, wenn es eine Möglichkeit gibt, das auszumerzen." Und: In der Regel werden die Verjüngungstherapien zyklisch angewendet. „Ich entwickle also im Prinzip Aboprodukte für vier Milliarden Menschen“, sagt Greve. „Das ist ein komplett neues Businessmodell." Und ein unfassbar lukratives.

Natürlich gilt: Wenn es denn klappt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Startups scheitern, ist im Bereich Biotech nicht gering. „Aber dann ist da das Potenzial. Jetzt ist die Frage: Was ist es dir wert, dass du später vielleicht 10 Prozent an der Firma hast, die dann 500 Milliarden wert ist?" Geht man das Risiko ein? Greve schon. Viele andere noch nicht, wie er sagt: „Das Potenzial wird nicht real gesehen.“ Ein bisschen sei das wie mit AI. Die gäbe es schon seit 20 Jahren, aber erst seit ChatGPT drehten die Märkte durch, so Greve. So werde das auch bei Rejuventaion laufen, wenn die ersten Therapien erst auf dem Markt sind. Davon ist der Web.de-Gründer überzeugt.

Hürden des Verjüngingsmarktes

Bis dahin kann und wird es aber noch dauern. Innovation passiert im Pharma- und Gesundheitssektor langsam - zumindest, bis sie beim Verbraucher ankommt. Entwicklungszyklen von zehn Jahren sind normal. Das ist aber eben so, sagt Greve und lacht: „Wenn’s draußen regnet, wird man nass. Man muss im Health-Tech Geduld mitbringen."

Und dicke Taschen, denn die Entwicklungsprozesse kosten auch sehr viel Geld. Greve rechnet vor: Auch wenn die eigentliche Entwicklung eines neuen Wirkstoffs vielleicht nur zwei Millionen koste, folge dann die erste Testphase auf Giftigkeit. Da gingen rund 10 Millionen Euro drauf. Phase Zwei sei dann eine Studie mit dreißig bis vierzig Leuten, die koste geschätzt 40 Millionen. Dann folge noch eine weitere Studie mit tausend Probanden, und die koste schnell einen dreistelligen Millionenbetrag.

Zugleich sei das Risiko, auf Null zurückzufallen, die ganze Zeit über da und sehr viel höher als in der Tech-Branche, aus der Greve kommt. Wenn man da in den Folgerunden investiere, wenn die Firma bereits eine zwei- bis dreistellige Millionenbewertung hat, sei es unwahrscheinlich, als Investor alles zu verlieren. In der Biotech-Welt hingegen kann auch nach zehn Jahren Forschung das Mittel dann doch am Ende der dritten Testphase noch scheitern - und dann war alles umsonst.

Es sei eine faszinierende Risk-Reward-Ratio. Denn: „Auf der anderen Seite: Wenn ich ein Produkt anbiete, das potenziell vier Milliarden Kunden haben wollen und regelmäßig anwenden, kann ich eine einfach Kalkulation machen, ob ich das Risiko eingehen möchte.“ Und ein wesentlicher, sinnvoller Beitrag zum Bestehen der Menschheit seien Verjüngungsprodukte allemal – zumindest sinnvoller als das nächste Tech-Gimmick.

Harte und weiche Investmentkriterien

„Wir investieren nur in Sachen, die vor uns noch keiner gemacht hat“, sagt Greve. „Ich will helfen, dass der Markt entsteht.“ Das stehe für ihn noch vor dem Ziel, mit seinen Investments Rendite zu machen. Seine bisherigen Beteiligungen sind überwiegend Uni-Ausgründungen. Er helfe gern Wissenschaftlern, aus ihrer Forschung Firmen zu machen, sagt Greve.

Selbst innerhalb der noch jungen Rejuvination-Medizin gäbe es mittlerweile Felder, in denen sich schon viele Firmen tummeln. Im Bereich "Epigenic Reprogramming", der Umprogrammierung des gealterten Genoms etwa. Da gäbe es schon zehn Startups, in ein elftes würde Greve mit Kizoo nicht investieren.

Interessant: Obwohl Michael Greve in ein neues Feld und nur in absolute Innovation investiert, ist ein sehr wichtiges Kriterium für ihn dasselbe wie bei den allermeisten Investoren aller anderen Branchen auch: Entscheidend ist, dass das Gründerteam den Investor überzeugt – als Menschen. „Meine Erfahrung über alle Branchen hinweg: Es ist immer das Team, es ist nie die Idee.“ Fünf Prozent Inspiration, 95 Prozent Transpiration, sagt er.

Greves fünf Rising Stars

Michael Greve hat uns fünf Startups genannt, in die er mit Kizoo (noch) nicht investiert hat. Weil das Feld der Rejuvenation-Medizin, wie er sagt, im deutschsprachigen Raum einfach noch sehr, sehr in den Kinderschuhen steckt, haben wir an dieser Stelle eine Ausnahme gemacht: Greve durfte auch Startups von anderswo vorschlagen. Die meisten kommen wie oben angedeutet aus den USA.

Die Cellbricks Chef-Etage: Joachim von Arnim, Managing Director, Alexander Leutner, ebenfalls MD, und Lutz Kloke, der Gründer des Biotech-Startups. (v.l.n.r.)  - Copyright: Lisa Kempke
Die Cellbricks Chef-Etage: Joachim von Arnim, Managing Director, Alexander Leutner, ebenfalls MD, und Lutz Kloke, der Gründer des Biotech-Startups. (v.l.n.r.) - Copyright: Lisa Kempke

Cellbricks

Doch auch Berlin hat zumindest eine Longevity-Hoffnung am Start: Die Macher von Cellbricks haben einen 3D-Drucker gebaut, der lebendes, menschliches Gewebe herstellen kann. Ein Leberimplantat aus dem 3D-Drucker – klingt völlig verrückt, ist aber das Ziel, wie das Gründerteam beim Gründerszene Ortsbesuch 2022 erklärt hat. „Da denken jetzt alle an Filme wie ‚Das Fünfte Element‘ oder ‚Alien Covenant‘“, sagte Gründer Dr. Lutz Kloke. So einfach wie in einem Hollywoodstreifen sei das alles natürlich nicht. Aber: „Science Fiction prägt unser Bild.“ Neue Niere, Leberimplantat, Ersatz-Bauchspeicheldrüse – „das ist schon das, wo wir hinwollen, definitiv.“ Im ersten Schritt arbeitet das Berliner Startup an Brustimplantaten aus menschlichem Gewebe. Gedruckt wird bisher im Labor auf dem Gelände des Pharmakonzerns Bayer.

Rubedo Life Science

Rubedo Life Sciences in ein Startups aus den USA. Das Team aus Wissenschaftlern entwickelt neuartige Therapien gegen chronische Alterskrankheiten mithilfe von Wirkstoffen, die gezielt sogenannte „vergreiste“ Zellen angreifen. Diese Zellen spielen eine wichtige Rolle bei Lungen-, Haut-, Krebs-, Nerven-, Bindegewebserkrankungen und anderen chronischen Leiden. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Sunnyvale, Kalifornien, und arbeitet bereits mit dem Hamburger Konzern Beiersdorf im Kosmetikbereich zusammen.

Matter Bio

Matter Bio ist ebenfalls ein US-amerikanisches Startup, das auf der Erkenntnis aufbaut, dass unser Genom mit zunehmendem Alter ständig durch exogene und endogene Einflüsse geschädigt wird. Um diese Schäden zu minimieren bzw. rückgängig zu machen, verfolgt das Unternehmen quasi zeitgleich mehrere Ansätze, indem es unterschiedliche Startups inkubiert, die auf diesem Gebiet forschen.

Aeovian Pharmaceuticals

Das US-amerikanische Startup Aeovian Pharmaceuticals forscht an der Entwicklung bestimmter, hoch selektiver Moleküle, die zur Bekämpfung seltener genetischer und altersbedingter Krankheiten eingesetzt werden können. Der derzeit wichtigste Entwicklungskandidat des Startups ist ein Molekül namens AV078, ein neuartiger, ins zentrale Nervensystem (ZNS) gelangender Hemmstoff. Er wird derzeit in einer Phase-1-Studie zur Behandlung einer bestimmten Form der Epilepsie untersucht. Neben AV078 verfügt Aeovian über eine firmeneigene Bibliothek kleiner Moleküle. Der deutsche VC Apollo Health Ventures hat hier bereits investiert.

Hevolution

Ganz anderer Ansatz: Weil erstens das Thema Biotech hochkomplex sei und zweitens die Firmen noch so rar sind, empfiehlt Greve Investitionen in einen spezialisierten Fund: Die Hevolution Foundation. Die 2021 in Saudi-Arabien gegründete Stiftung vergibt Fördergelder und tätigt frühe Investitionen, um unabhängige Forschung und Unternehmertum im Bereich Longevity voranzutreiben. Hevolution hat seinen Hauptsitz in Riad und eine Niederlassung in Nordamerika.