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Läuft Deutschland in die Rohstoff-Falle?

Energiewende und Elektromobilität sind zwei der ganz großen Zukunftsthemen für die deutsche Industrie. Für die Batterien, die die Elektroautos antreiben sollen, brauchen die Hersteller unter anderem Lithium und Kobalt. In Elektromotoren, Magneten und Speziallegierungen wiederum stecken Rohstoffe wie Indium und Seltene Erden. Aber wenn es um die Sicherung der Zufuhr solcher Rohstoffe aus dem Ausland geht, halten sich die deutschen Konzerne mit Investitionen auffällig zurück – obwohl Fachverbände und Politik appellieren, sich stärker zu engagieren. Ziehen die Preise an oder wird das Angebot knapp, dann läuft Deutschland Gefahr, dass die Rohstoffe fehlen oder nur zu hohen Kosten erhältlich sind.

„Die reibungslose Versorgung mit mineralischen Rohstoffen ist Voraussetzung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und damit unerlässlich für die Sicherung des Wohlstands“, heißt es dazu im jüngsten Bericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Die deutsche Industrie hat vor Jahrzehnten die Rohstoffförderung im Ausland fast komplett aufgegeben und sich auf ihre Kernkompetenz konzentriert, die Herstellung von hochwertigen Produkten.

Der drohende Mangel vor allem der „strategischen“ oder „kritischen“ Rohstoffe für Zukunftstechnologien löste bereits vor einigen Jahren eine rege Debatte über Rohstoffsicherung aus. Bundesregierung und EU legten Rohstoffstrategien vor. Im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wurde 2010 die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) eingerichtet.

2012 gründete der BDI eine „Rohstoffallianz“ zahlreicher großer deutscher Industrieunternehmen. Über sie sollten sich die Unternehmen finanziell an der Entwicklung von Förderstätten im Ausland beteiligen, sei es durch Joint Ventures oder langfristige Abnahmegarantien. Allerdings konnten sich die beteiligten Firmen auf keine gemeinsame Vorgehensweise einigen, so dass die Allianz Ende 2015 ihre Arbeit einstellte.

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Aber das Problem, der Mangel an eigenen Quellen für mineralische Rohstoffe und Metalle, besteht weiter. Volker Steinbach von der BGR wirbt dafür, dass die deutsche Wirtschaft auf mehr unterschiedliche Lieferanten setzt: „Mit Blick auf den steigenden Rohstoffbedarf, insbesondere bei Hightech-Rohstoffen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie zahlreicher Zukunftstechnologien, kann eine hohe Angebotskonzentration auf wenige Produktionsländer zu Liefer- und Preisrisiken führen.”

Die Fachvereinigung Auslandsbergbau (FAB) vertritt etwa 65 Unternehmen aus der Branche, von denen vor allem die Deutsche Rohstoff AG, Cronimet und Lanxess im Auslandsbergbau aktiv sind. Die Rohstoff AG ist an der US-Schiefergasproduktion beteiligt, Cronimet hat eine Kupfer-/Molybdän-Grube in Armenien und Lanxess betreibt eine Chromitgrube in Südafrika. Insgesamt sind jedoch nur wenige große deutsche Unternehmen, die Rohstoffe verbrauchen, in dem Verband organisiert. Aurubis etwa, der größte europäische Kupferverarbeiter, hat zwar keine eigene Rohstoffgewinnung im Ausland, sondiert aber über die FAB den Markt und ist an langfristigen Lieferverträgen interessiert.

„Wir sehen heute von deutschen Unternehmen, die Rohstoffe verbrauchen, leider nur wenig Engagement im Auslandsbergbau. Wir haben einen Tiefstpunkt erreicht“, sagt FAB-Geschäftsführer Martin Wedig. „Wir haben wenig Absicherungen beim Zugang zu Rohstoffen. Wenn sich die Preisspirale nach oben bewegt, wird es unsere Industrie hart treffen. Das gilt sowohl für Metallrohstoffe als auch für die so genannten kritischen Metalle, die für die Hightech-Industrie benötigt werden, zum Beispiel Indium, Gallium, Neodym und andere seltene Erden Metalle." Die FAB weise immer wieder darauf hin und die deutsche Industrie wisse um die Gefahren, „aber die Absicherungsmechanismen sind schwach".


Chinas Monopol als große Gefahr

Ein Grund für die Zurückhaltung besteht darin, dass Rohstoffförderung sehr kapitalintensiv ist. Zudem spürt die Branche immer noch die Auswirkungen der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009. Ein weiterer Grund sind offensichtlich die seit längerem anhaltenden niedrigen Preise für viele Rohstoffe und ihre gegenwärtige Verfügbarkeit auf dem Markt. Zudem spüren sie zwar eine gewisse Abhängigkeit bei der Belieferung mit Rohstoffen, aber ihre Kernkompetenzen liegen vor allem in der Fertigung von Endprodukten mit hoher Qualität. „Dies hat bei deutschen Unternehmen die Einstellung gefördert, dass Rohstoffe immer und zu niedrigen Preisen zur Verfügung stehen“, sagt Wedig.

Angesichts der bereits einsetzenden oder sich abzeichnenden Preissteigerung etwa bei Kupfer, Eisenerz und Kokskohle sieht er die Zurückhaltung deutscher Unternehmen inzwischen sehr kritisch. Bei vielen Metallen fördere und verbraucht China bereits heute mehr als 50 Prozent des Weltaufkommens. Die Volksrepublik verkauft aber die Rohstoffe meist nicht auf dem Weltmarkt weiter, sondern benötigt sie für die Fertigung von eigenen industriellen Endprodukten. China will die Wertschöpfung im eigenen Land behalten.

Ein Beispiel für Lieferengpässe ist die chinesische Monopolstellung bei der Gewinnung von Seltenen-Erden-Metallen. „Die Belieferung des Weltmarktes funktioniert heute einzig durch die Existenz eines unkontrollierbaren Schwarzmarktes. Und genau das soll ja auch mit der deutschen Beteiligung an EITI, der Initiative für Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor, bekämpft werden.“

„Die Beteiligung deutscher Unternehmen an internationalen Bergbauprojekten ist gering, die Rohstoffsicherung erfolgt häufig über langfristige Lieferverträge“, meint auch Thomas Gäckle Leiter der Unterabteilung Rohstoffpolitik im Bundeswirtschaftsministerium. Bundesregierung und DERA würden für ein Engagement der Industrie werben, damit mineralische Rohstoffe für deutsche Unternehmen verfügbar seien. Gäckle setzt darauf, dass die Branchenmesse PDAC, die derzeit in Toronto läuft, einen neuen Anstoß gibt. Die Entwicklung hin zu Elektromobilität und erneuerbaren Energien erhöhe den Bedarf etwa von Lithium, Kobalt und Seltenen Erden. „Vielleicht findet sich doch das eine oder andere deutsche verarbeitende Unternehmen, das sich in der Rohstoffgewinnung im Ausland engagiert“, sagt er.

Auf der PDAC, eine der bedeutendsten Messen der Bergbauindustrie, ist die deutsche Wirtschaft dabei in diesem Jahr so stark vertreten wie lange nicht mehr. So betreiben Unternehmen und Institute einen Gemeinschaftsstand und präsentieren an einem „deutsch-kanadischen Tag“ Bergbautechnologie. Die Teilnahme an der weltgrößten Explorations- und Bergbaukonferenz, sei „wichtig, um die Entwicklung neuer Explorations- und Bergbauprojekte zu kennen und frühzeitig neue Lieferquellen für deutsche Unternehmen zu erschließen“, sagt Volker Steinbach, Abteilungsleiter bei der BGR.

„Kanada ist für uns ein wichtiger Partner, denn wir beziehen aus Kanada eine Reihe energetischer und nichtenergetischer Rohstoffe“, erklärt Thomas Gäckle vom Wirtschaftsministerium. So sei Kanada ist ein wichtiger Produzent von Graphit, Kobalt und Nickel und „verfügt über bedeutende Reserven dieser Rohstoffe, die in verschiedenen Zukunftstechnologien zum Einsatz kommen“, erklären Sven-Uwe Schulz und Siyamend Al Barazi von der Deutschen Rohstoffagentur. Kanada hat einige Lithium-Lagerstätten, deren Projektentwicklung die DERA als „vorangeschritten“ einschätzt.


Kanada ist wichtiges Exportland

Kanada ist aber auch als Absatzmarkt ein wichtiges Zielland für deutsche Maschinenbauer. 2015 wurden Bergbaumaschinen im Wert von 24 Millionen Euro nach Kanada exportiert. Daher bietet mehr als ein Dutzend deutscher Unternehmen auf der PDAC ein breites Spektrum an Technologien an.

Die Herrenknecht AG aus Schwanau ist eines der deutschen Unternehmen, die in Kanada bereits aktiv sind. Das 5000 Mitarbeiter zählende Familienunternehmen ist auf den Bau von Tunnelbohrmaschinen spezialisiert und hat für die Jansen-Kalimine des britisch-australischen Konzerns BHP Billiton in der Provinz Saskatchewan zwei Schächte bis in eine Tiefe von 1000 Meter gebohrt. Auf der PDAC stellt Herrenknecht Maschinenkonzepte vor, die einen flexibleren Einsatz unter Tage ermöglichen sollen.

Die Umwelt-und Ingenieurtechnik GmbH Dresden (UIT), ein mittelständisches Unternehmen mit 45 Mitarbeitern, bietet Explorationstechnologien wie eine Neutronenbohrlochsonde, die Informationen über die Zusammensetzung von Gestein, Elemente und Erzgehalt liefert. Vor allem aber setzt UIT auf ein bereits in Australien erprobtes „In-situ“-Verfahren zum Abbau von Rohstoffen, die sich in porösem Gestein befinden. In das Gestein wird eine Lösung injiziert und diese dann, angereichert mit Rohstoffen wie Uran, Kupfer, Zink, Nickel, Vanadium, Molybdän, Selen und Seltenen Erden, wieder abgepumpt. „Auch technische Metalle, die in kleinen Konzentrationen vorhanden sind, können auf diese Weise wirtschaftlich abgebaut werden“, erläutert UIT-Geologe Micha Zauner. Die „In-situ Recovery“ sei eine interessante Alternative zu kostspieligen Bergwerken.

Sachtleben Mining Services aus Wolfach im Schwarzwald bietet in Kanada seine Expertise im Untertagebau und bei der Felssicherung über Tage an. Zu seinen Dienstleistungen gehören Bergbauplanungen, Stollenbau, Bergsicherung im Altbergbau und die Sicherung von Verkehrswegen gegen Steinschlag. Als großes deutsches Rohstoffunternehmen ist K+S in Toronto vertreten, um über den Stand seines „Legacy“-Projekts, der neuen Kalimine in Saskatchewan zu informieren. Im zweiten Quartal soll die Kaliproduktion dort anlaufen und Ende des Jahres eine Produktionskapazität von zwei Millionen Tonnen erreicht werden.

FAB-Geschäftsführer Wedig hofft in Sachen Rohstoffsicherung auf ein Umdenken der deutschen Industrie. Die Präsenz bei der PDAC sollte ein Signal sein, dass sich deutsche Unternehmen wieder stärker im Auslandsbergbau engagieren. „Die Mitglieder der FAB, die zumeist Dienstleistungen für den Auslandsbergbau anbieten, sind hier genau richtig, ihre Klientel zu finden. Wichtig ist, dass auch die Rohstoff verbrauchende deutsche Industrie den Weg hierher findet, um Projekte zu sondieren, mit dem Ziel zukünftig wieder eine eigene Rohstoffgewinnung im Ausland aufzubauen.“

Die Kanadier sind jedenfalls für solche Kooperationen offen. Vor allem die Juniorunternehmen, die sich nach der Exploration von Rohstoffstätten um den Aufbau der Produktion bemühen, hatten auf größeres deutsches Engagement gehofft. Kanada verfügt über wichtige Lagerstätten, sei es bei Seltenen Erden, Chrom, Graphit oder Lithium. So hatte Avalon Advanced Materials, das ein Seltene-Erden-Projekt in den Nordwest-Territorien entwickeln wollte, auf Unterstützung aus Deutschland gehofft. Diese blieb dann aber aus, weil 2013 die Preise für Seltene Erden in den Keller gingen.

Nun will Avalon den Ausbau einer Lithium-Stätte in Ontario vorantreiben. „Deutsche Verbraucher sollten bei der Sicherung künftiger Lieferungen von Lithium etwas aggressiver sein, als sie bei Seltenen Erden waren“, meint Don Bubar, Vortsandschef von Avalon. Produzenten zu helfen, neue Quellen zu erschließen, sei der einzige Weg, um bei einer Knappheit die Versorgung mit dem wichtigen Alkalimetall sicherzustellen.

KONTEXT

Wie und wo die Preise für Ressourcen entstehen

Welche sind die wichtigsten Handelsplätze?

Das Herz der globalen Rohstoffmärkte schlägt in London, Paris und Chicago. Hier läuft ein großer Teil des Handels mit denjenigen natürlichen Ressourcen ab, die für die Ernährung und Energieversorgung von Milliarden Menschen sowie Herstellung zahlloser Produkte unentbehrlich sind. Den sogenannten Termingeschäften schlägt jedoch regelmäßig auch viel Kritik entgegen.

Wie funktionieren Termingeschäfte?

Wir sind es meist gewohnt, nach Kauf oder Bestellung eines Produkts direkt zu zahlen. An den Finanzmärkten ist das oft nicht so. Hier gibt es neben sofort ausgeführten Geschäften ("Spot"/"Kassa") auch viele Deals, bei denen die Abwicklung in der Zukunft liegt - aber zu schon heute vereinbarten Konditionen. Käufer und Verkäufer einigen sich dann auf eine Umsetzung per Termin ("Future"). Ein Stahlkonzern kann etwa Monate im Voraus Eisenerz ordern und weiß genau, was ihn das später kostet.

Warum sind solche Geschäfte wichtig?

Generell soll der Terminhandel die Märkte stabilisieren. Im Einkauf großer Öl-, Rohstoff- oder Chemiekonzerne ist eine langfristige Planung ohne teilweise abgesicherte Preise und Mengen nicht denkbar. Grundsätzlich gilt: Wenn die für einen späteren Zeitpunkt erwarteten Preise von den aktuellen abweichen, kann es sich lohnen, auf künftige Preise zu spekulieren. Ziel ist es, beim Liefertermin keinen Verlust zu machen, falls das Preisniveau in der Zwischenzeit in den Keller geht.

Wo gibt es Terminmärkte?

Bekannte Beispiele sind der Handel mit Metallen, Kohle oder Erdöl. Dafür gibt es Börsen, an denen täglich Milliarden umgesetzt werden. Bei Metallen wie Kupfer und Zink läuft das etwa über die London Metal Exchange. Relativ rohstoffarme Länder wie Deutschland sind darauf angewiesen: Laut der Bundesbehörde BGR fiel der Wert der heimischen Rohstoffproduktion 2015 um 100 Millionen auf 13,4 Milliarden Euro. Agrargüter wie Getreide, Soja oder Zucker werden vor allem in Chicago und Paris ge- und verkauft.

Wo lauern Gefahren?

Geht ein Termingeschäft auf, wird die Risikobereitschaft der Akteure belohnt. Probleme können entstehen, wenn die Spekulation von reiner Finanz-Zockerei angetrieben ist. Solche Spekulanten wollen oft gar nicht in reale Güter investieren. Sie setzen auf Preisanstiege etwa von Agrar-"Futures", um diese mit hohem Gewinn weiterzuverkaufen. Etliche Termingeschäfte sind stark kreditfinanziert und brauchen nur wenig Eigenmittel des Spekulanten. Und Skeptiker weisen auf möglichen Missbrauch durch Insider-Spekulation (Wetten "gegen den Markt") oder Leerverkäufe (Spekulation mit bloß geliehenen Zertifikaten) hin.

Sind die Geschäfte also schlecht?

Das lässt sich pauschal keinesfalls sagen. Bei realen Gütern kann sie stabilisierend wirken, wenn etwa nach der Ernte Teile des Angebots durch Lagerung verknappt und die Erzeugerpreise so gefestigt werden. Turbulenzen können spekulative Geschäfte aus Sicht vieler Ökonomen dagegen vor allem bei Finanzprodukten auslösen. Einige Banken haben das Geschäft mit Agrarzertifikaten unabhängig davon eingestellt.