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Konjunkturpaket stößt bei Ökonomen und Verbänden auf ein überwiegend positives Echo

Oftmals gehen die Meinungen verschiedener Institutionen über politische Maßnahmen auseinander. Beim milliardenschweren Hilfsprogramm ist das offenbar anders.

Eine Kaufprämie gibt es nur für Elektroautos. Foto: dpa
Eine Kaufprämie gibt es nur für Elektroautos. Foto: dpa

Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Ökonomen halten sich mit Kritik an der Großen Koalition für gewöhnlich nicht zurück. Beim jetzt beschlossenen Konjunkturpaket jedoch sind sie sich einig: Die Stoßrichtung stimmt.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einen „starken Signal für Bürger und Unternehmen“. Umfang und zeitliche Verteilung des Paketes passten, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf.

Die angekündigten Maßnahmen für öffentliche und private Investitionen gingen in die richtige Richtung. „Die geplante Erhöhung und das Vorziehen öffentlicher Investitionen müssen nun zügig umgesetzt werden. Der Ausbau der Infrastrukturen – etwa für digitale Netze oder die Elektromobilität – muss hierzulande noch besser und schneller werden“, sagte Kempf. Der BDI-Präsident lobte die Verdoppelung der Forschungszulage für Unternehmen und die verstärkte Förderung von Schlüsseltechnologien.

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Nicht zufrieden ist der BDI mit der geplanten Regelung zum Verlustabzug. Der Rücktrag für nur ein Jahr und die Begrenzung auf fünf Millionen Euro seien unzureichend. „Hier besteht Nachbesserungsbedarf, um den Unternehmen Liquidität zu verschaffen und ihr Insolvenzrisiko zu verringern“, sagte Kempf.

Bei den Gewerkschaften hatte es im Vorfeld der Sitzung des Koalitionsausschusses durchaus kontroverse Auffassungen über die Inhalte des Konjunkturpakets gegeben. Bei Verdi kam nicht gut an, dass sich IG-Metall-Chef Jörg Hofmann für eine Kaufprämie auch für Autos mit Verbrennungsmotor stark gemacht hatte – wenn auch unter Bedingungen. Umgekehrt fand man bei der IG Metall die von Verdi geforderten Konsumschecks nicht vorbehaltlos gut.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als politische Stimme der Gewerkschaften lobte am Donnerstag vor allem den geplanten Kinderbonus, die Absenkung der Mehrwertsteuer und die Hilfen für Kommunen und den öffentlichen Nahverkehr. „Die Bundesregierung hat ein beachtliches Paket auf den Weg gebracht und beweist damit erneut Handlungsfähigkeit in schwieriger Zeit“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann.

Der Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, hob vor allem die Entlastung bei den Energiekosten hervor. Nach der Mehrwertsteuersenkung sei die schrittweise Rückführung der EEG-Umlage mit einem Volumen von elf Milliarden Euro der größte Entlastungsfaktor im Konjunkturpaket.

Der Schritt, die Umlage künftig auch durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren, sei überfällig: „Eine Finanzierung der Umlage über den Strompreis ist nicht nur unsozial. Sie trifft vor allem auch kleine und mittelständische Betriebe, die durch die Coronakrise ohnehin schon besonders stark belastet sind“, sagte Vassiliadis.

Ökonomen bewerten Paket positiv

Lob für das Konjunkturpaket kam auch vom Sozialpartner: „Eine Krise löst man mit Handlungsfähigkeit und Optimismus“, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Die Beschlüsse der Koalition leisteten deshalb einen Beitrag für einen raschen Ausstieg aus der Krise – „auch wenn mich die Zahlen schwindelig machen können“, sagte der BDA-Präsident unter Anspielung auf das Volumen des Konjunkturpakets von 130 Milliarden Euro.

Ökonomen bewerteten das Paket ebenfalls positiv. Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, zeigte sich „positiv überrascht“ von dem Konjunkturpaket. „Sonst ist es ja häufig so, dass die Politik die liebgewonnenen, aber problematischen Vorschläge beider Seiten realisiert“, sagte er dem Handelsblatt.

„Die Union wollte eine Autoprämie auch für Verbrenner, die SPD nicht. Die SPD wollte die Übernahme der kommunalen Altschulden, die Union nicht. Jetzt wird beides nicht umgesetzt und das ist gut so“, betonte er.

Die steuerlichen Verbesserungen für die Unternehmen wie die Ausweitung des Verlustrücktrags und schnellere Abschreibungen beurteilt er ebenfalls positiv. Zweifel hegt Feld aber an der Mehrwertsteuersenkung. „Die temporäre Mehrwertsteuersenkung kann ihre Wirkung für die Konsumenten nur entfalten, wenn sie in den Preisen weitergegeben wird“, sagte er. Ob sie dies wirklich tun werden, sei unklar. „Dahingehend ist die empirische Literatur nicht eindeutig“, so Feld.

Diese Bedenken hat auch Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). „Mir ist nicht ganz klar, ob die Unternehmen wirklich für die kurze Zeit ihre Preise senken werden oder diese Steuersenkung nicht einfach nur mitnehmen“, sagte der Ökonom dem Handelsblatt. „Gerade Unternehmen mit Marktmacht könnten das halbe Jahr einfach aussitzen“, ohne die Preise zu senken. In der Krise wäre es wirksamer, die Konjunktur über größere steuerliche Entlastungen für Unternehmen anzuschieben.

„Die steuerliche Dimension ist eine Enttäuschung, die Entlastung bleibt viel zu zaghaft“, sagte Felbermayr. Bei Verlustrückträgen und Abschreibungen hätte das Paket größer ausfallen können, da es sich dabei vor allem um eine Zeitverschiebung bei den Steuereinnahmen des Staates handelte. „Anstelle der Mehrwertsteuersenkung hätte man da mehr tun können“, meint er.

„Wahrscheinlich, dass Konsum angeregt wird“

Veronika Grimm, seit Anfang 2020 Mitglied des Rates der fünf Wirtschaftsweisen, teilt die Bedenken Felds und Felbermayrs mit Blick auf die Mehrwertsteuer nicht. „Ich halte die Entscheidung für gut, da durch die Senkung der Mehrwertsteuer ein unmittelbarer konjunktureller Stimulus entsteht“, sagte Grimm dem Handelsblatt.

Natürlich müsse man die Frage stellen, ob die Senkung tatsächlich komplett an die Konsumenten weitergegeben werde. „Aber selbst wenn das nicht vollumfänglich geschieht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Konsum angeregt wird“, sagte Grimm. Den Unternehmen könne die Mehrwertsteuersenkung dann finanziellen Spielraum verschaffen, den viele nach den Einschnitten der vergangenen Wochen dringend brauchen, sagte sie.

Zurückhaltender bewertet Grimm den Kinderbonus. Er habe vor allen Dingen symbolische Wirkung. „Es ist richtig, den Menschen, die in den vergangenen Monaten besonderen Härten ausgesetzt waren, entgegenzukommen und den Bonus auf bedürftige Personengruppen zu beschränken. Allerdings wäre es nach meiner Überzeugung zielführender, Betreuungsangebote zu auszuweiten, den Schulbetrieb schnellstmöglich und vollumfänglich wieder anlaufen zu lassen und bis dahin Bedingungen für das Homeschooling zu verbessern“, sagte Grimm.

Die Ökonomin hält die ebenfalls beschlossene Begrenzung der EEG-Umlage für einen Schritt in die richtige Richtung. Es sei richtig, die Umlage künftig zum Teil aus Haushaltsmitteln zu finanzieren. „Es bestand akuter Handlungsbedarf. Ohne diesen Schritt wäre die Umlage zum Jahreswechsel voraussichtlich massiv angestiegen. Ich hätte mir hier allerdings mehr erhofft“, sagte Grimm.

Der überfällige Systemwechsel sei damit noch nicht vollzogen. „Für viele klimafreundliche Geschäftsmodelle ist der Strompreis entscheidend. Es kommt nun in Zukunft darauf an, die steigenden Einnahmen aus der Bepreisung von CO2 in den Sektoren Verkehr und Wärme für eine weitere Absenkung der Abgaben und Umlagen beim Strom zu nutzen“, sagte Grimm.

Berlin hat einen Kinderbonus beschlossen. Foto: dpa
Berlin hat einen Kinderbonus beschlossen. Foto: dpa