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Kalifornien droht der Stillstand, Las Vegas wird zur Geisterstadt

Wenn Kalifornien stillsteht, droht in den USA ein Versorgungsengpass. Und der Zockerstadt Las Vegas droht angesichts der Schließungen sogar das Aus.

Die Casinos in Las Vegas wurden wegen des Coronavirus am Samstag geschlossen. Foto: dpa
Die Casinos in Las Vegas wurden wegen des Coronavirus am Samstag geschlossen. Foto: dpa

Die Entwicklung ist alarmierend: Am Samstagmorgen lag die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus im US-Bundesstaat Kalifornien bei mehr als 1000. Das stellte zu diesem Zeitpunkt eine Verdopplung innerhalb von drei Tagen dar. Der gesamte Bundesstaat steht nun unter einer weitgehenden Quarantäne-Anordnung, ganze Industrien müssen schließen. Die Folgen dürfte das ganze Land zu spüren bekommen.

Von den Infektionen entfallen rund 300 auf den bevölkerungsreichen und wirtschaftsstarken Landstrich rund um Los Angeles. Übertroffen werden diese Zahlen in den USA nur noch von New York City, wo inzwischen mehr als 5000 Infizierte registriert sind. „Wir sind jetzt das Epizentrum der Krise“, sagte Bürgermeister Bill de Blasio.

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Doch die Schockwellen, die von Kalifornien ausgehen werden, könnten mindestens so gravierend sein wie die von der Finanzmetropole mit ihrem Handelsparkett auf der Wall Street. Dank Silicon Valley, Hollywood und einer starken Agrarindustrie wäre Kalifornien, isoliert betrachtet und nach Zahlen aus dem Jahr 2018, mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund drei Billionen US-Dollar die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt – hinter Deutschland und noch vor England.

Das alles ist in akuter Gefahr. Der Tourismus ist zusammengebrochen. Allein in San Francisco werden binnen 14 Tagen rund 50 Prozent aller Hotels schließen, fürchten Branchenexperten. Die Auslastung liege oft nur noch im „einstelligen Prozentbereich“.

In Hollywood werden jeden Tag weitere Film- und Fernsehproduktionen abgesagt. Zehntausende Beschäftigte wie Bühnenarbeiter, Produktionsassistenten, Beleuchter, Fahrer oder Drehbuchautoren stehen ohne Arbeit und ohne soziale Absicherung da. TV-Sendern und Plattformen wie Netflix geht der Nachschub aus.

Großen Unternehmen aus dem Silicon Valley wie Uber brechen nach eigenen Angaben in vielen Städten bis zu 70 Prozent des Umsatzes weg. Der Bettenvermieter Airbnb hat weltweit kaum noch Geschäft. Nach dem jüngsten Kurssturz an der Wall Street zögern Investoren mit neuen Investitionen in Start-ups.

Die acht Milliarden Dollar große Farmindustrie in Fresno County, im Herzen Kaliforniens gelegen, sieht derzeit noch keine Auswirkungen. Dort wird Obst und Gemüse angebaut, Rinder- und Schweinefarmen versorgen große Teile der USA. Von der Regierung wird die Branche als unverzichtbar eingeordnet.

Wohl in Vorahnung auf das, was kommen könnte, betont das Fresno County Farmbureau, dass „social distancing“, also das Abstandhalten von anderen Menschen, auf den weiten Feldern ohnehin Alltag sei, und auch in den Fleischfabriken arbeiteten die Menschen mit großem Abstand zueinander. Arbeiter dürften zudem nur noch in kleinen Gruppen zum Mittagessen.

Ohne Erntehelfer aus Mexiko wird es schwierig

Probleme könnte bald die Schließung der Grenzen zu Mexiko zur Erntezeit bereiten. Es gibt kaum eine Alternative zu den Zehntausenden Wanderarbeitern, die Orangen oder Zitronen pflücken, Erdbeeren oder Avocados ernten.

Die massiven Einschränkungen für Bars, Restaurants oder in der Unterhaltungsindustrie mögen in Staaten wie New York, Kalifornien oder New Jersey erhebliche Auswirkungen haben. Aber für einen Bundesstaat sind sie praktisch ein Todesurteil: Nevada. Der Staat im Westen der USA ist vor allem für eines bekannt: Las Vegas, die glitzernde Gambling-Metropole inmitten der Wüste.

Nevada ist flächenmäßig einer der größten Bundesstaten der USA, hat aber nur rund drei Millionen Einwohner. Laut Volkszählung 2010 leben 1,9 Millionen davon in Clark County mit Las Vegas als größter Stadt. Pro Jahr reisen üblicherweise 42 Millionen Touristen in die Wüstenstadt, viele kommen aus dem nahen Kalifornien.

Diese Konzentration von Bevölkerung und Wirtschaft auf engem Raum begünstigt die Ausbreitung des Virus. Touristen fliegen in Massen ein und nur Tage später als potenzielle Virenträger wieder zurück in die ganze Welt. Die Bekämpfung wird zur wirtschaftlichen Katastrophe.

Mit der Schließung aller nicht systemrelevanten Geschäfte und Unternehmen in Nevada für mindestens 30 Tage wurde Las Vegas mit dem 16. März zur Geisterstadt. Der berühmte „Strip“ ist menschenleer, Nobelcasinos wie „Caesars Palace“ oder „Bellagio“ zeigen sich mit holzverrammelten Eingängen. Nachts sind die Fassaden der Riesenhotels stockdunkel.

Blickt man auf die Zahlen, weiß man, warum diese drastischen Einschnitte nötig sind und vielleicht sogar zu spät kamen: Am frühen Samstag lag die Zahl der Infizierten in Clark County laut Gesundheitsbehörde bei 126, nach 56 am Vortag, eine Verdoppelung, und die ersten zwei Todesopfer sind zu beklagen.

Neben Las Vegas ist Reno die zweite Casinostadt, und von den Schließungen sind insgesamt 206.000 Arbeitsplätze direkt betroffen, hat der Branchenverband AGA („American Gaming Association“) zusammengetragen. Die meisten davon in Las Vegas. Dazu kommen rund 350.000 Arbeitsplätze bei Zuliefer- und Serviceindustrien wie Caterern oder Reinigungsdiensten. Jeder Monat unter einem Lockdown werde die Casinoindustrie des Staates 4,7 Milliarden Dollar Umsatz kosten. „Die Auswirkungen auf Mitarbeiter, deren Familien und Gemeinden sind atemberaubend“ so AGA-Präsident Bill Miller.

Die Bürgermeisterin von Las Vegas fasst die Situation so zusammen: „Das wird diese Stadt nicht überleben“, sagt Carolyn Goodman. Sie sieht „unerträgliche Härten“ auf die Einwohner zukommen. Sie fordert eine Verkürzung der Schließungen auf zehn Tage, findet damit aber kaum Gehör. Eine Kunstwelt wie Las Vegas passt nicht mehr in Zeiten wie die des Coronavirus.

Zumindest ein Etablissement in der Sündenstadt will während des Lockdowns seine Türen weiter offen halten. Der Stripclub „Little Darlings“ bietet seit Samstagnacht „Drive-up“-Shows an. Die Kunden fahren mit ihren Autos, in denen sie sitzen bleiben müssen, bis vor die Tür des Clubs, wo die Nackttänzerinnen, dann jeweils 1,80 Meter voneinander entfernt, die zehnminütige Show präsentieren. Die Einfahrt kostet 100 Dollar pro Teilnehmer. „Es klingt unglaublich“, sagte Clubbesitzer Ryan Carlson dem „Las Vegas Review Journal“, „aber wir sind seit 30 Jahren fast jede Nacht ausverkauft.“ Und er glaubt, dass dies auch in den kommenden Wochen so sein werde. Aufgeben will er nicht.

Das alte Las Vegas wird vielleicht sterben. Aber ein neues wird entstehen. Nur wie es aussehen wird, das weiß keiner.

Ein Mann mit einem Rucksack steht auf dem menschenleeren Hollywood Boulevard. Foto: dpa
Ein Mann mit einem Rucksack steht auf dem menschenleeren Hollywood Boulevard. Foto: dpa