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Koalition kassiert Regierungspläne für verpflichtende Reisegutscheine bei Corona-Stornierungen

Die Koalitionsfraktionen tragen die geplante Gutschein-Lösung nicht mit. Im Gespräch ist nun eine Fonds-Lösung zur Entschädigung der Reiseunternehmen.

Protest in Mecklenburg-Vorpommern: Reiseveranstaltern machen auf ihre schwierige wirtschaftliche Lage aufmerksam. Foto: dpa
Protest in Mecklenburg-Vorpommern: Reiseveranstaltern machen auf ihre schwierige wirtschaftliche Lage aufmerksam. Foto: dpa

Die von der Bundesregierung angestrebte verpflichtende Gutscheinlösung für stornierte Reisen in der Coronakrise steht vor dem Aus. Nach der Union rückt nun auch die SPD von dem umstrittenen Vorhaben ab.

„Die Zwangsgutscheine werden nicht kommen, weil wir keinen nationalen Alleingang machen werden“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, dem Handelsblatt. „Wir hatten gehofft, dass die CDU ihre Parteifreundin an der Spitze der EU-Kommission (Ursula von der Leyen) mal zu einer Aussage zu verpflichtenden Reisgutscheinen bewegt.“ Dass da noch etwas komme, glaube man nicht mehr. „Deswegen sind die Zwangsgutscheine vom Tisch.“

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Bei abgesagten Reisen sollten die Verbraucher nach dem Willen der Bundesregierung Gutscheine statt einer sofortigen Rückzahlung bekommen. Die Gutscheine sollten bis Ende 2021 befristet sein. Hat der Kunde seinen Gutschein bis dahin nicht eingelöst, muss der Veranstalter ihm den Wert erstatten. Bei Pauschalreisen gilt allerdings EU-Recht.

Fechner plädiert nun wie die Union für eine Fonds-Lösung zur Entschädigung der Reiseunternehmen. Da ein solcher Reisesicherungsfonds in die Zuständigkeit von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) falle, müsse nun sein Ministerium einen Regelungsvorschlag präsentieren. „Eine Lösung könnte so aussehen, dass mit einem staatlich finanzierten Fonds Reisegelder zurückerstattet werden“, erläuterte der SPD-Politiker. „Damit die Kosten nicht am Steuerzahler hängenbleiben, würde die Reisebranche den Fonds innerhalb einer bestimmten Frist wieder auffüllen.“

Das sei ein Modell, mit dem Reisebranche, Reisekunden und auch Verbraucherschützer leben könnten, sagte Fechner weiter. Jetzt sei Altmaier am Zug, schnell einen Vorschlag dafür vorzulegen. „Die Zeit drängt, weil die Reisebranche von dramatischen Zuständen berichtet und auch die Reisenden endlich wissen wollen, wie es für sie weitergeht“, mahnte der SPD-Politiker.

EU-Kommission gegen Reisegutscheine

Der Kurswechsel in den Koalitionsfraktionen ist auch dem Umstand geschuldet, dass die EU-Kommission der Gutscheinlösung schon mehrfach eine Absage erteilt hat. Der zuständige Kommissar für Justiz und Verbraucherschutz, Didier Reynders, hatte sich allerdings nicht offiziell an die Bundesregierung gewandt, sondern die Haltung Brüssels lediglich über Zeitungsinterviews mitgeteilt.

Er sei sich der Krise für den Tourismussektor in Europa bewusst, so Reynders. Doch Entscheidungen der Mitgliedstaaten müssten mit EU-Recht übereinstimmen. Danach hätten Verbraucher die Wahl, ob sie einen Gutschein akzeptierten oder eine Erstattung bevorzugten.

In einem Schreiben an mehrere Bundesminister, aus dem das ARD-Hauptstadtstudio am Montag zitierte, macht auch EU-Verkehrskommissarin Adina Valean deutlich, dass die EU-Fluggastrechte auch während der Corona-Krise gelten. Kein Fluggast könne dazu gezwungen werden, einen Gutschein anstelle einer Rückerstattung anzunehmen. Es sei der EU-Kommission „wichtig, an unseren Verbraucherrechten festzuhalten und den Fluggesellschaften bei Liquiditätsproblemen auf andere Weise helfen“. Anstelle verpflichtender Gutscheine empfiehlt Valean „Gutscheine für Verbraucher wirtschaftlich interessant zu machen“ und „diese gegen Insolvenz abzusichern“.

Da der Flugverkehr wegen der Coronakrise fast zum Erliegen gekommen ist und Fluglinien massive finanzielle Schwierigkeiten haben, hatten sich mehrere Mitgliedsstaaten für die Gutschein-Lösung stark gemacht. Die ARD zitiert aus einem gemeinsamen Brief von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Wirtschaftsminister Altmaier und Justizministerin Lambrecht, die gefordert hatten, dass es „zielführend“ wäre, „wenn die Europäische Kommission temporär auch ohne Zustimmung des Fluggastes eine Ausgabe von Gutscheinen statt Rückerstattung durch die Luftfahrtunternehmen ermöglicht“.

Union beziffert „Schutzschirm“ auf zehn Milliarden Euro

Wegen des Widerstands der EU-Kommission hatte sich die Union vor kurzem anders positioniert. „Wenn das europäische Recht keine Spielräume für eine verpflichtende Gutscheinlösung lässt, brauchen wir andere Regelungen“, hatte der rechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), dem Handelsblatt gesagt. Er könne sich einen staatlich abgesicherten Reisesicherungsfonds vorstellen, aus dem die Rückzahlungen zunächst finanziert werden.

Der CSU-Tourismuspolitiker Paul Lehrieder sprach von einem „Schutzschirm für die Reisebranche“, der gespannt werden solle. „Wir überlegen deshalb, einen Reise-Rettungsfonds aufzulegen, der Reiseunternehmer vor einer Insolvenz schützt und zugleich Verbrauchern die Rückerstattung für ihre stornierten Reisen sichert.“

Lehrieder bezifferte das Volumen des Fonds für Reisen, die bis zum Ende des Sommers gebucht sind, auf etwa zehn Milliarden Euro. „Die Summe würde der Staat in vollem Umfang übernehmen“, sagte er. Laut Luczak soll die Summe aber nicht dem Steuerzahler aufgebürdet werden. „Deswegen muss die Reisebranche diesen Fonds nach und nach wieder auffüllen, damit das Geld zurückfließen kann an den Bundeshaushalt.“ Von jeder neu gebuchten Pauschalreise könne etwa ein Prozent verpflichtend in diesen Fonds von den Reiseveranstaltern eingezahlt werden.

Aus Sicht der Reisebranche besteht dringender Handlungsbedarf. Der Branchenverband DRV rechnet inzwischen mit Umsatzeinbußen von mindestens 10,8 Milliarden Euro bis Ende Juni. „Das Geschäft der Reisebüros und Reiseveranstalter ist durch staatliche Anordnung fast vollständig zum Erliegen gekommen“, sagte Verbandspräsident Norbert Fiebig am Montag in Berlin. Eine Besserung sei nicht in Sicht. Die weltweite Reisewarnung aufgrund der Corona-Pandemie war jüngst bis Mitte Juni verlängert worden. „Vor Ende der Pfingstferien in Deutschland werden keine Auslandsreisen möglich sein“, sagte Fiebig.

Hinzu kämen die Belastungen durch die Rückabwicklung gebuchter Reisen. Fiebig forderte ein staatliches Soforthilfeprogramm mit nicht rückzahlbaren Beihilfen. Zwei von drei Unternehmen sähen sich bereits unmittelbar von einer Insolvenz bedroht. „Die Politik kann nicht länger völlig tatenlos hinnehmen, wie Reisebüros und Reiseveranstalter ihre Existenz verlieren“, mahnte Fiebig.