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Gründerin lernt lieber LKW fahren, als Zeit bei Netzwerktreffen zu vergeuden

Sara Schiffer (30) hat mit Hylane den ersten Wasserstoff-LKW auf die Straße gebracht - Copyright: Hylane
Sara Schiffer (30) hat mit Hylane den ersten Wasserstoff-LKW auf die Straße gebracht - Copyright: Hylane

Deutschland und die EU wollen Wasserstoff-Weltmeister werden: Bereits in sechs Jahren soll rund jeder sechste neue LKW mit Wasserstoff unterwegs sein. Das wären etwa 60.000 neu zugelassene Fahrzeuge im Jahr 2030. Allein die Kosten für die notwendige Infrastruktur liegen im Milliardenbereich. Aber: Erst vor anderthalb Jahren rollte der erste Truck mit Brennstoffzelle tatsächlich auf deutschen Straßen. Und dafür verantwortlich ist kein großer Player, sondern das Startup Hylane.

„Wir sind im Moment der größte Wasserstoffabnehmer an deutschen Tankstellen“, sagt die 30-jährige Hylane-Gründerin Sara Schiffer im Gespräch mit Gründerszene. Allerdings sei „der Markt noch in einem ganz frühen Stadium. Einige Entwicklungsstufen vor den E-LKWs.“ Diese E-LKWs gehören wie Wasserstoff-Trucks zur europäischen Strategie, die klimaschädlichen Emissionen zu senken.

Dass Hylane im Wasserstoff-Tanken-Segment nach eigenen Angaben Marktführer sein kann, liegt also auch daran, dass der Markt selbst noch sehr jung und klein ist: In diesem Jahr will das Startup etwas mehr als 100 Fahrzeuge an seine Kunden übergeben haben.

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Und zwar mit einem Twist: Hylane verkauft die Fahrzeuge nicht, sondern vermietet sie. Die Kunden wie DB Schenker, Rewe oder Hermes zahlen nur die gefahrenen Kilometer.

Wasserstoff-LKWs nicht kaufen, sondern mieten

Ein Mietmodell: Das ist vermutlich das Erfolgsrezept von Hylane, denn die Kunden müssen die neuen Fahrzeuge nicht kaufen. „Damit nehmen wir zwei wesentliche Risiken von unseren Nutzern weg“, so Schiffer. Das Investitionsrisiko in die Fahrzeuge und in Teilen auch das operative Risiko. Denn wenn die LKWs nicht fahren, dann entstehen bei den Nutzern keine Kosten, so die Gründerin.

Schiffer ist Informatikerin und startete Hylane 2021 gemeinsam mit Bernd Zens in Köln. Parallel zur Gründung machte sie den LKW-Führerschein: „Ich habe meine Zeit nicht bei irgendwelchen Gründertreffen verbracht, sondern in der LKW-Fahrschule.“ Das habe Schiffer den „LKW-Fahrerinnen und -Fahrern nähergebracht" und helfe ihr heute, diese "viel besser zu verstehen“.

Mitgründer Zens ist zudem Vorstand bei der DEVK-Versicherung, wo auch Schiffer zuvor arbeitete und wo die Idee zu Hylane entstand – Hylane ist ein Tochterunternehmen der DEVK. „Wir profitieren extrem von der DEVK als Investor“, so Schiffer. Das strahle nach außen Seriosität aus und zeige, dass „wir nicht irgendein Startup auf der grünen Wiese sind.“

Daneben gab auch die Bundesregierung zuletzt 25 Millionen Euro an Fördergeldern über das Bundesministerium für Digitales und Verkehr an das Startup aus. Bei einer ersten Förderung erhielt Hylane 2021 bereits rund 15 Millionen Euro. Das Geld soll indirekt über reduzierte Mietkosten an die Kunden weitergegeben werden.

Erste Kunden durch Kontakte der DEVK

Bei ihrer Arbeit bei der DEVK habe die Gründerin gesehen, „dass von Jahr zu Jahr die Schäden durch Extremwetterereignisse immer weiter zunehmen“, so Schiffer. „Der Verkehr macht einen Großteil der CO2-Emissionen aus. Hier gibt es also ein gutes Einsparpotenzial – das war der Grund für mich, Hylane zu gründen.“ Nutzfahrzeuge – inklusive Bussen – machen rund ein Drittel der CO2-Emissionen im Verkehr aus.

Der LKW-Verkehr in Europa fokussiert sich auf Deutschland als Binnenland. Es wäre eine Option, einen Teil auf die Schiene zu bringen, so Schiffer, aber das Netz sei bereits ausgelastet: „Es wäre utopisch, den gesamten LKW-Verkehr auf die Schiene zu bringen.”

Das Startup habe früh mit DB Schenker gesprochen, der Kontakt sei über die DEVK entstanden. „Sie fanden die Idee eines Mietmodells gut und so ist nach und nach das Startup entstanden.“

Doch ob Miete oder Kauf, als das Startup vor drei Jahren startete, waren Wasserstoff-LKWs quasi noch Neuland. Zumindest hierzulande. In China setzt der Staat seit Jahren auf die Technologie und ist weltweit vorn.

„Unsere erste Challenge war, nachzuweisen, dass die Technologie funktioniert, dass die Fahrzeuge fahren, dass das Betanken funktioniert, dass das alles im Alltag praktikabel ist. Und jetzt sind wir in einem Modus, wo wir das gezeigt haben“, so Schiffer.

Nun hat Hylane 122 Fahrzeuge gekauft: 42 Fahrzeuge davon sind bereits zugelassen und wurden an Kunden übergeben, 80 befinden sich gerade im Zulauf – sind also in Produktion und im Auslieferungsprozess. Die meisten LKWs in der Flotte kommen von Hyundai und werden in Korea produziert, kommen dann mit dem Schiff nach Deutschland. Das Startup holt sie aus Bremerhaven ab. In diesem oder im nächsten Jahr sollen dann die ersten LKWs von Iveco kommen, die in Ulm produziert werden, so Schiffer.

Sind die Wasserstoff-LKWs von Hylane klimaneutral?

Seeweg? Korea? Das klingt bisher nicht ganz klimaneutral – und darum geht es eigentlich. Denn Wasserstoff in Brennstoffstoffzellen ist neben E-Fuels und E-Antrieb mit Batterien eine der Säulen der deutschen und EU-Regierung, um die klimaschädlichen Emissionen im Mobilitätssektor zurückzudrängen. Hinzu kommt, dass Hylane derzeit beim Betanken der Fahrzeuge nicht ausschließlich auf sogenannten grünen Wasserstoff setzt, der klimaneutral produziert wird.

Die Wasserstoff-LKWs selbst stoßen im Betrieb aber keine schädlichen Emissionen aus. Die im Truck verbauten Brennstoffzellen erzeugen für das Fahrzeug Energie, indem der Wasserstoff im Tank in Verbindung mit aus der Luft zugeführtem Sauerstoff in Wasserdampf umgewandelt wird. Diese Energie wird dann – wie auch beim E-Auto mit Batterie – von einem Elektromotor genutzt und in Bewegung umgesetzt. Der Wirkungsgrad liegt aber deutlich unter dem von „klassischen“ E-Autos.

Mit dem grünen Wasserstoff wäre zumindest die gesamte Energiebilanz klimaneutral – ausgenommen der Produktion des Fahrzeugs inklusive Brennstoffzelle. Wie viel Treibhausgase dabei erstehen, ist nicht klar, wie Schiffer auf Nachfrage sagt. Um die Bilanz grundsätzlich zu verbessern, geht das Startup eine Kooperation mit Bosch ein, die die Brennstoffzellen nach Lebensende für weitere Fahrzeuge wiederverwertet.

„Wir schauen derzeit noch nicht auf die Farbe des Wasserstoffs, sondern wollen eine initiale Nachfrage generieren“, so Schiffer. „Wenn wir diese haben und beweisen konnten, dass die Technologie funktioniert, können wir uns darauf konzentrieren, die Produktionskapazität von grünem Wasserstoff hochzufahren.“

Der Wasserstoff, der an den Partnertankstellen von Hypion und GP Joule vertankt wird, sei schon jetzt zu 100 Prozent grün, so Schiffer. Bei den Tankstellen von H2-Mobility wird aktuell eine Mischung aus grünem und grauem Wasserstoff – aus fossilen Energieträgern – bereitgestellt. Bis 2028 strebe H2-Mobility an, ausschließlich grünen Wasserstoff zu vertanken, so die Gründerin.

Grundsätzlich könne jeder der Hylane-LKWs an jeder Wasserstoff-LKW-Tankstelle in Deutschland tanken. Denn hierzulande gäbe es im Gegensatz zum restlichen Europa de facto ein einheitliches Betankungsprotokoll. Lidl setze ein Fahrzeug von Hylane in Frankreich ein. Manche Kunden wie DB Schenker würden auch grenzübergreifend fahren.

Wasserstoff oder batterieelektrische Fahrzeuge?

Aber warum eigentlich Wasserstoff und kein batterieelektrischer Betrieb? Weil es Vorteile gibt, so die Gründerin: Wasserstoff-LKWs haben höhere und stabile Reichweiten von 400 bis 500 Kilometern, das Betanken der Batterien dauert nicht Stunden wie das Laden bei E-LKWs, sondern nur 15 Minuten. Sie haben mehr Ladekapazität durch das Wegfallen der Batterien – eine Brennstoffzelle inklusive notwendiger weiterer Technologie wiege rund 500 Kilogramm, so Schiffer, eine vergleichbare Batterie rund 4,5 Tonnen - zwar haben auch Wasserstoff-LKWs eine Batterie, aber diese ist deutlich kleiner und dient der Überbrückung von Spitzen. Und mit Wasserstoff können die Fahrzeuge unabhängig vom aktuellen Stromnetz mit Energie versorgt werden.

Auch Batterie-LKWs können Vorteile haben, gibt die Gründerin zu. Etwa bei einem guten Netzanschluss und wenn die Fahrzeuge über Nacht geladen werden können. Oder wenn der Wasserstoff erst lange zum Kunden transportiert werden müsste und höhere Transportkosten hinzukämen, als wenn der Wasserstoff direkt neben einem Logistikzentrum hergestellt wird. Ein wichtiger Hersteller von grünem Wasserstoff ist übrigens ebenfalls ein Startup: Sunfire. Das Unternehmen aus Dresden konnte zuletzt in einer Runde mehr als 300 Millionen Euro einsammeln.

„Die Technologien werden durchmischt werden. Wir wollen, dass Unternehmen schon früh Erfahrungen sammeln können, um herauszufinden, was für ihren Use Case am besten funktioniert“, so Schiffer.

Der Markt für Wasserstoff-LKWs steht also noch ganz am Anfang. Um die ehrgeizigen Ziele der Regierungen zu erreichen, muss jetzt das Tempo deutlich angezogen werden. Gut, dass hier Startups ganz vorn mit dabei sind.