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Gründen mit 40: "Für mein Umfeld waren das Hirngespinste von Studenten"

Anna Fleck bezeichnet sich nicht als alt, gehört mit ihren 46 Jahren aber zu einer Minderheit in der Startup-Szene - Copyright: Valeska Achenbach
Anna Fleck bezeichnet sich nicht als alt, gehört mit ihren 46 Jahren aber zu einer Minderheit in der Startup-Szene - Copyright: Valeska Achenbach

Anna Fleck (46) war ungefähr 40 Jahre alt, als sie sich entschied, zu gründen. Heute leitet sie das Startup Youfreen, mit dem sie Deodorants für Kinder und Jugendliche verkauft. Hier erzählt sie von ihrem Weg ins Ungewisse. Und warum ältere Gründer manchmal stigmatisiert werden. Ein Erfahrungsbericht.

Vor meiner Gründung habe ich ungefähr sieben Jahre bei einem Self-Publishing-Verlag gearbeitet. Als Head of Operations war ich für über 200 Publikationen im Monat zuständig. Zwar hat mir meine Arbeit großen Spaß gemacht, aber durch die starke Digitalisierung wurde alles immer automatisierter und mir fehlte irgendwann die Möglichkeit, mich richtig einbringen zu können. Ich war ungefähr 40 Jahre alt und habe mir die Frage gestellt, ob ich das noch die nächsten 20 Jahre machen möchte.

Ich träumte vor mich hin, was ich gerne machen würde, wenn ich nichts zu befürchten hätte. Was wäre das Allerschlimmste, was passieren kann? Dass es schief geht und ich zurück in meinen alten Job gehen muss. Ich hätte vielleicht Geld in den Sand gesetzt, aber das wäre kein Geld gewesen, dass ich unbedingt für meine Existenz gebraucht hätte. Und ich hätte viel mehr Erfahrung im Leben und Beruflichen gewonnen. So bekam ich den Wunsch, etwas Eigenes zu machen, etwas zu gründen.

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Ich habe zwei Kinder, bin verheiratet - und ich musste mich nie rechtfertigen. Mein Mann stand schon immer komplett hinter mir. Er fand die Idee, zu gründen, großartig, und hat mich in allem unterstützt.

Freunde konnten nicht verstehen, warum ich meine Karriere für eine Gründung aufgeben wollte

Im Freundes- und erweitertem Familienkreis gab es allerdings ein paar Skeptiker. Sie gingen ihrem normalen Job nach. Sie konnten nicht nachvollziehen, warum ich meine Karriere für eine Gründung aufgeben wollte. In Startup-Kreisen ist das etwas ganz Normales. Aber im normalen Berufsleben ist das sehr ungewöhnlich. Ich kannte vorher kaum Gründer oder Menschen, die plötzlich alles hingeschmissen haben und etwas ganz Neues angefangen haben. Ich war in meinem Umfeld also die erste, die auf diese Idee kam. Und da hat kaum jemand gejubelt. Das hatte sicherlich auch etwas mit meinem Alter zu tun. Gründen? Das waren in meinem Umfeld Hirngespinste von Studenten.

Ich hatte zwar keine Ahnung vom Gründen, aber ich konnte auf viel Berufserfahrung zurückgreifen. Ich wusste, wie man mit Menschen umgeht, wie man sich durchsetzt. Ich habe mit der Zeit gelernt, mit Problemen, mit Rückschlägen, besser umzugehen. Ich selbst hätte mit Anfang 20 oder 30 nicht gründen können. Da war ich noch sehr emotional. Ich hätte mir viel zu viele Gedanken und Sorgen gemacht. Heute geht die Welt nicht so schnell unter, wie mit Anfang 20. Und ich habe früher BWL studiert, das kaufmännische, der Unternehmensaufbau, das war mir im Grundsatz klar. Im Online-Marketing kannte ich mich ebenfalls aus durch meine Arbeit im Verlag.

Ich wusste nicht, was ich gründen wollte

Was ich allerdings nicht wusste, war, was ich gründen wollte. Bei mir war das nicht so wie bei anderen Gründern, dass sie morgens aufstehen und eine Mega-Idee haben, die sie unbedingt umsetzen wollen. Also bin ich aktiv auf die Suche gegangen.

Ich wusste, dass ich ein physisches Produkt haben will. Ich wollte keine Dienstleistung, keine Agentur gründen, sondern ein Unternehmen bauen, mit dem ich Produkte über den E-Commerce oder Einzelhandel verkaufen kann. Und ich wollte ein Problem lösen, es sollte Sinn ergeben.

Bei der Suche geholfen hat mir das Buch "Kopf schlägt Kapital" von Professor Günter Faltin. Er schreibt, dass er auf gute Produkt-Ideen kommt, indem er durch seinen Alltag läuft und überlegt, was ihm persönlich fehlt oder was er besser machen könnte. Also habe ich genau das getan, ich bin durch meinen Alltag gezogen und hatte plötzlich ganz interessante Ideen.

Vom faltbaren Kaffee-Becher zur Naturkosmetik für Kinder

Zum Beispiel wollte ich nachhaltige Coffee-to-go-Becher, von denen jeder fünf oder sechs zu Hause hat, in eine kleinere, faltbare Form bringen. Damit sie in die Handtasche oder den Rucksack passen. Es gab ähnliche Becher in den USA, aber die fand ich nicht optimal, also habe ich mit Produkt-Designern gesprochen, bin in die Materialforschung gegangen - und habe dann gemerkt, wie kapitalintensiv das wäre. Und es war ja nicht mal klar, dass am Ende ein funktionierendes Produkt dabei herauskommt. Deswegen bin ich von dieser Idee wieder abgekommen.

Auf die Naturkosmetik bin ich gekommen, da ich selbst zwei Teenager zu Hause habe. Und bei der Recherche und im Gespräch mit anderen Eltern habe ich festgestellt, dass Kinder nachweislich immer früher in die Pubertät kommen, und dabei unangenehmen Schweißgeruch entwickeln, oft schon mit acht Jahren. Meine Marktforschung, Gespräche mit anderen Unternehmen und Startups hatten ergeben, dass aktiv nach solchen Produkten gesucht wird, es aber nichts für diese spezielle Zielgruppe gab.

Ich habe dann einen Businessplan mit einem konkreten zeitlichen Rahmen aufgestellt. Aber hätte ich im Vorfeld gewusst, wie lange alles wirklich dauert, dann hätte ich mich vermutlich doch nicht getraut, das zu starten. Es hat unglaublich lange gebraucht, die passenden Partner zu finden, die Rezepturen entwickeln zu lassen, sie zu testen, Dinge dann wieder zu verändern. Das geht nicht innerhalb von Monaten, das dauert Jahre.

Stanij Wićaz arbeitet seit fünf Jahren als PR-Manager für Startups.
Stanij Wićaz arbeitet seit fünf Jahren als PR-Manager für Startups.

Wegen Corona startet Youfreen Online

Und dann kam ab 2020 wie bei allen anderen Startups auch noch Corona in die Quere, was die kompletten Lieferketten durcheinander gewirbelt hat. Plötzlich fehlte es an allem und zog die Entwicklung weiter in die Länge. Im Einzelhandel konnte ich wegen der Kontaktbeschränkungen auch nicht starten.

Also verkaufte ich Online, habe mit Performance-Marketing und Suchmaschenoptimierung die ersten Kunden gewonnen, später auch mit Google-Ads. Was besonders gut funktioniert, sind Meta-Ads, also Werbung bei Facebook und Instagram. Damit erreiche ich meine Zielgruppe besonders gut. Ich adressiere ja nicht die Kinder oder Jugendlichen, sondern die Eltern. Besonders die Generation 40+.

Als die erste Charge dann geliefert wurde, die Paletten vor dem Lager abgeladen wurden, war das großartig. Inzwischen läuft das Unternehmen erfolgreich. Ich habe die Drogerie-Kette Müller Anfang 2023 als großen Kunden gewonnen. Die Marke ist landesweit in allen Filialen vertreten. Das ist ein Meilenstein gewesen. Ich sehe das Unternehmen aber noch am Anfang. Ich entwickle gerade parallel auch neue Produkte, die in den nächsten Monaten auf den Markt kommen. Mein Ziel ist es, mich breiter mit neuen Produktkategorien aufzustellen.

Jetzt weiß ich, was alles schief gehen kann, was wichtig ist, mit welchen Partnern ich zusammenarbeiten möchte. Aber es gab natürlich immer Aufs und Abs. Oft gab es Momente, wo ich zum Beispiel dachte "es kann doch nicht sein, dass etwas jetzt schon wieder so lange dauert." Und es gab die Momente, wo plötzlich alles funktionierte.

Ann-Katrin Maier ist vom Konzern in ein Startup gewechselt – trotz Beförderungsaussichten bei ihrem alten Arbeitgeber und weniger Gehalt beim neuen.
Ann-Katrin Maier ist vom Konzern in ein Startup gewechselt – trotz Beförderungsaussichten bei ihrem alten Arbeitgeber und weniger Gehalt beim neuen.

Allein unter jüngeren Menschen

Inzwischen bin ich 46 Jahre alt. Und damit zehn Jahre älter als der Durchschnittsgründer. Und ja, das Alter macht sich schon bemerkbar. Natürlich gibt es auch andere Gründer in meinem Alter - aber ich sehe sie nicht. Ich würde mich selbst in keiner Weise als alt oder älter erachten, aber ich merke, dass auf Events nur wenige Menschen über 40 Jahre alt sind.

Warum das so ist, weiß ich nicht, ich vermute aber, dass es daran liegt, dass ältere Menschen grundsätzlich schlechter vernetzt sind. Je älter man wird, desto größer wird vielleicht die Hürde, auf Veranstaltungen wildfremde Menschen anzusprechen. Ich finde es aber schade, dass es so ist. Dadurch geht Potenzial verloren.

In Startups wird oft der Satz verwendet: "Wir sind ein junges Team." Ich frage mich dann immer: "Was soll mir das sagen?" Es bedeutet ja nicht nur, dass das Unternehmen erst kurz am Markt ist. Es sagt auch, dass man junge Mitarbeiter hat. Und das soll vermutlich suggerieren: Das Startup ist durch diese jungen Mitarbeiter agil und dynamisch. Das ist so in unseren Köpfen verankert. Mit diesen Stereotypen sind wir aufgewachsen. Aber zur Diversität gehören nicht nur Geschlechter oder Zugehörigkeiten, sondern auch das Alter. Ich finde: Man kann immer voneinander lernen.

Aufgezeichnet von Georg Räth