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Ende der Sonderkonjunktur: Bei Bürovermietern brechen die Einnahmen weg

In der Krise geraten Bürovermieter unter Druck. Das lange bestens funktionierende Geschäftsmodell hat vorläufig ein Ende gefunden.

Geometrische Formen werden das Büro der nahen Zukunft bestimmen: Quadrate und Kreise zieren die Fußböden, Beschäftigte sitzen im Dreieck an Sechsertischen oder im Zickzack im Großraumbüro. „Six-Feet-Office“ – also das 1,83-Meter-Büro – nennt der Immobiliendienstleister Cushman & Wakefield dieses Modell in Anlehnung an die Corona-Abstandsvorschriften. Auch für die Wege gibt es klare Anweisungen: Einbahnstraßen, damit sich Mitarbeiter möglichst nicht zu nahe kommen. An seinem Amsterdamer Standort hat das Unternehmen dieses Konzept bereits eingeführt. In den Niederlanden laufen bereits 20 Projekte, in Deutschland gibt es zwei große Mandate, sagt Yvo Postleb, Deutschlandchef von Cushman und Wakefield. „All die Maßnahmen sind mit wenig Aufwand möglich und kein großer Kostenblock“, so Postleb.

Flächenkonzepte zur Rückkehr ins Büro bieten alle großen Dienstleister in diesen Tagen an. Die Bürowelt verändert sich spürbar. Doch nicht nur vor Ort, auch am Büromarkt hinterlässt Corona Spuren. Nach wochenlangem Homeoffice und wegen der Konjunkturprobleme wird der Vermietungsboom am Büromarkt jäh gestoppt.

In einer aktuellen Umfrage von Corenet gaben 69 Prozent der Immobilienmanager aus Unternehmen verschiedenster Branchen an, dass ihr Unternehmen künftig weniger Fläche benötigt. Prominente Belege dafür gibt es: „Wir brauchen wahrscheinlich gar nicht alle Büros, die wir derzeit auf der Welt haben“, sagte der Chef des Lebensmittelherstellers Mondelez, Dirk Van De Put. Jes Staley, Chef der britischen Bank Barclays kündigte langfristige Anpassungen bei der Standort-Strategie an. „Die Idee, dass 7 000 Leute in einem Gebäude sind, könnte vielleicht bald der Vergangenheit angehören“, sagt er. Ähnlich äußerte sich James Gorman, Chef der US-Bank Morgan Stanley. Nach Corona werde das Wall-Street-Haus „deutlich weniger Immobilen“ brauchen.

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Mietmarkt eingebrochen

Die Frage, ob und wie stark sich die Bürowelt langfristig ändert, spaltet die Meinungen der Immobilienprofis. Die einen erhoffen sich wegen der neuen Abstandsregeln eine größere Flächennachfrage. Die anderen rechnen wegen positiver Erfahrungen mit Homeoffice mit sinkendem Bedarf.

Unumstritten ist hingegen die Bestandsaufnahme: In Coronazeiten geht das Vermietungsgeschäft drastisch zurück. Panajotis Aspiotis von Savills beobachtet, dass gerade die Flächengesuche im kleineren Bereich stark eingebrochen sind. Wolfgang Speer, der für Colliers International das Bürovermietungsgeschäft in Deutschland verantwortet, stellt fest: „Das Vermietungsgeschäft ist im April um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen.“ Wo es früher zehn Interessenten auf eine Fläche gegeben habe, gebe es heute vielleicht noch zwei. Immerhin seien das dann auch ernsthafte Interessenten, sagt Speer.

Laut Colliers könnten die Leerstandsquoten in den Top-Sieben-Städten – Berlin, München, Hamburg, Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Stuttgart – von 2,9 Prozent auf bis zu 5,5 Prozent im Jahr 2021 ansteigen. Dadurch könnten zunächst die Anreize für Neuverträge wie mietfreie Zeiten erhöht werden. Stellenweise könnten Neuvertragsmieten um fünf bis zu acht Prozent zurückgehen. Mit einem flächendeckenden Miet- und Kaufpreiseinbruch rechnet Speer aber nicht: Die „gesunde Leerstandsschwelle“ von fünf Prozent werde in vielen Märkte auch im pessimistischsten Szenario nicht erreicht.

Gegen eine massive Ausweitung des Leerstands sprechen Anpassungen beim Neubau. Für die nächsten fünf Jahre habe er vor der Coronakrise mit einem Volumen von 4,1 Millionen Quadratmetern an neuen Büroflächen gerechnet, sagt Andreas Schulten, Vorstand des Analysehauses Bulwiengesa. Dieses könnte nun um ein Drittel abnehmen. Das würde einer Überversorgung des Marktes zuvorkommen.

Eine Untersuchung der Deutschen Bank zeigt indes, wie fragil der Markt ist: Zwar kletterten die Mieten für Büros in den vergangenen Jahren deutlich, erreichten mit 16 Euro bei den Durchschnittsmieten und 23 Euro bei den Spitzenmieten in den Metropolen zuletzt Rekordwerte.

Doch schon eine um mehr als einen Prozentpunkt pro Jahr steigende Homeoffice-Quote könnte das Zyklusende im Büromarkt einläuten. In einem Strategiepapier rechnet das zur Deutschen Bank gehörende Fondshaus DWS bei europäischen Büros in diesem Jahr mit einem Mietrückgang um sechs Prozent.

Mieten werden gestundet

Genauso global wie die Pandemie sind ihre Folgen zu spüren. In New York etwa häufen sich die Mietausfälle bereits seit Wochen. Der Empire State Realty Trust, ein börsennotiertes Immobilienportfolio, das neben dem Empire State Building noch 13 weitere Gewerbeimmobilien besitzt, bekam im April nur 73 Prozent der Büro- und 46 Prozent der Einzelhandelsmieten. „Die Immobilieneigentümer sind in Panik. Die Branche hat New York seit 100 Jahren dominiert, das könnte nun vorbei sein“, sagt Ruth Colp-Haber, Gewerbeimmobilienmaklerin von Wharton Properties.

Immerhin: Die Ausfallrate bei bestehenden Mietverhältnissen ist weniger dramatisch als im Einzelhandels- oder Hotelsektor. Erik Marienfeldt, Geschäftsführer des Fondshauses HIH Real Estate, berichtet, dass in seinem sieben Milliarden Euro großen Deutschlandteil seines Portfolios fünf Prozent der Büromieten im April ausfielen. „Mieter, die nicht gezahlt haben, stammen meist aus den Bereichen Tourismus, Medien, Bildung und Coworking“, sagt Marienfeldt.

Coworking-Anbieter wie WeWork und Knotel stehen unter Druck. Beide Unternehmen leiden unter Mietausfällen, haben Mitarbeiter entlassen und haben auch ihrerseits zum Teil Mieten nicht bezahlt. Hier zeigt sich die Schwäche des Geschäftsmodells. Die Anbieter gehen selbst langfristige Mietverträge ein und vermieten die Büros dann kurzfristig unter. In schlechten Zeiten fehlen die Einnahmen, sie bleiben aber auf ihren Mietkosten sitzen. In einer Mitteilung erklärte WeWork, dass das Unternehmen ausreichend Liquidität habe, um den Herausforderungen der Coronakrise entgegenzutreten. Auf Anfrage erklärt das Unternehmen aber auch, dass sich die Eröffnung neuer Gebäude verzögert. Zudem bestätigt WeWork, dass nach den 2 400 Entlassungen im November weitere Stellen gestrichen werden, auch in Deutschland.

Design Offices, größter Coworking-Anbieter in Deutschland, rechnet beim Umsatz in Teilbereichen mit Einbußen durch die Coronakrise. Diese entfallen vor allem auf das Konferenz-Geschäft, wo die Einnahmen wegen des Veranstaltungsverbotes im Moment komplett einbrachen, sagt Joachim Gripp, COO bei Design Offices. Veranstaltungen machen 30 Prozent des Umsatzes aus. CEO Schmutzer sprach in diesem Bereich Anfang April von Stornierungen in Millionenhöhe.

Im Vermietungsgeschäft gebe es bislang aber keine bedeutenden Einbußen, da große Unternehmenskunden hier für 80 Prozent der Umsätze stünden, sagt Gripp. Diese haben keine monatlich kündbaren, sondern meist Verträge mit einer Laufzeit über ein oder anderthalb Jahre. Allerdings seien die Neuabschlüsse seit Beginn der Coronakrise erheblich gebremst. Mietverträge laufen aus, kaum neue kommen hinzu. Wegen der Lockerungen blick Gripp aber zuversichtlich nach vorn, sowohl für die Vermietungen als auch das Veranstaltungsgeschäft. Auch am Plan, in diesem Jahr fünf neue Standorte zu eröffnen, hält Design Offices fest.

Die Lage ist für Anbieter flexibler Büros derzeit schwierig. „In Deutschland zählen wir über 400 Coworking-Spaces. Nicht alle werden überleben“, sagt Stephan Leimbach, verantwortlich für das Bürovermietungsgeschäft bei JLL. Dennoch glaubt er, dass Coworking langfristig gute Chancen hat.

Gesundheit im Fokus

Tischfußball, Sitzsäcke, Fitnessstudio – das moderne Büro musste lange Zeit möglichst viel Spaß und Ablenkung bieten, um vor allem die jungen Talente anzuziehen. In Zeiten der Coronakrise müssen Unternehmen und Immobiliengesellschaften umdenken. Die Gesundheit rückt in den Vordergrund. Allgemein scheinen durchsichtige Plexiglasscheiben, die Mitarbeiter in Großraumbüros voneinander trennen, derzeit eine beliebte Lösung. Auch an neuen Lüftungssystemen und Meeting-Räumen wird gearbeitet. „Covid-19 und die Zukunft der Möbel“ heißt eine Präsentation des Immobiliendienstleisters CBRE.

Dort ist von Schreibtischen die Rede, in denen Desinfektionsmittel-Spender automatisch integriert sind. Von Oberflächen, die einfach zu reinigen sind und auch aggressive Chlorreiniger vertragen. Und von Spinden, die bis über den Schreibtisch ragen und somit gleichzeitig als Abgrenzung zum Kollegen nebenan dienen.

Mit dem Virus Guard hat das Proptech Thing Technologies ein digitales Schutzsystem für vernetzte Immobilien entwickelt. Das System wird mit den Smartphones der Mitarbeiter verknüpft. Nähern sich zwei Mitarbeiter zu sehr an, erkennen dies die Handys über Bluetooth und geben eine Warnung ab, etwa per Vibrationsalarm. Über Sensorik und das Buchen von Arbeitsplätzen wird ebenfalls der notwendige Abstand eingehalten.

Über das System könnten Mitarbeiter auch ohne eine offizielle Corona-App melden, ob sie sich infiziert haben. In solch einem Fall liefert das Smartphone einen anonymen Schlüssel an ein zentrales Netzwerk. Darüber können sich die Kollegen dann informieren, ob sie Kontakt mit einer infizierten Person hatten. Auch die Reinigungskräfte können dort erfahren, in welchen Räumen sich infizierte Personen aufgehalten haben und entsprechend desinfizieren.

„Das System verarbeitet die Daten anonymisiert und auf freiwilliger Basis der Mitarbeiter“, sagt Marc Gille, Co-Gründer von Thing Technologies. Interesse an seinem System haben schon Unternehmen wie Drees & Sommer, Hypoport und Biogen angemeldet.