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Digitalexperte Siegfried Russwurm soll Voith zukunftsfest machen

Wenn es jemanden gibt, der das teilweise ja durchaus abstrakte Thema Industrie 4.0 anschaulich erklären kann, dann ist das Siegfried Russwurm. Egal ob als eloquenter Honorarprofessor der Mechatronik an der Universität Erlangen oder vor chinesischen Fachbesuchern auf der Hannover Messe: Der Ex-Siemens-Vorstand hat schon unzählige Male die Chancen der Digitalisierung in der Industrie erläutert. Nun Voith.

Der 55-Jährige übernimmt den Vorsitz im Aufsichtsrat und dem alles entscheidenden Gesellschafterausschuss bei dem Familienkonzern, zu dem Papiermaschinen, Turbinen, Turbomaschinen und jetzt auch Digitales gehören. Er wird damit der neue starke Mann in Heidenheim. Sein Vorgänger, der Ex-Hochtief-Chef Hans-Peter Keitel (71), scheidet altersbedingt aus. Das entspricht der Satzung.

Aber Fakt ist auch, dass der ehemalige BDI-Präsident einen Fehlgriff bei der Besetzung des Vorstandschefs maßgeblich zu verantworten hat. Nach nur wenigen Monaten im Amt schied im Oktober Ex-BMW-Motorradchef Stephan Schaller wieder aus. Seitdem führt Finanzchef Toralf Haag das Unternehmen, dessen Umsatz bei 4,2 Milliarden Euro stagniert und dessen Rendite wegen hoher Investitionen in die Digitalsparte um rund einen Prozentpunkt auf 6,4 Prozent sank.

Etwas undankbar für Haag, dass Russwurms Berufung gestern mit seiner ersten Bilanzpressekonferenz zusammenfiel. Haag sprach von einem guten Verhältnis zu Russwurm, der schon seit März einfaches Mitglied im Gesellschafterausschuss ist. In jedem Fall bekommt der promovierte Finanzmann Haag jetzt einen sehr starken Chefaufseher. Russwurm reize die Aufgabe, hieß es am Donnerstag in seinem Umfeld.

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Für einen „Tech-Typ“ wie ihn sei das Portfolio spannend, gleichzeitig habe Voith auf dem Weg in die weitere Digitalisierung und zu neuen Zukunftsfeldern noch einiges zu tun. „Das ist kein Selbstläufer.“ Die Konstruktion mit der Familie im Hintergrund halte Russwurm für interessant. Er sehe seine Rolle als Mittler zwischen dem operativen Management und den Eigentümern. Seit Jahrzehnten wird der 151 Jahre alte Traditionskonzern von familienfremden Managern geführt.

Und vermutlich freut sich Russwurm auch, endlich eine große Aufgabe gefunden zu haben. In den vergangenen anderthalb Jahren war es etwas still geworden um den Manager. Bei seinem langjährigen Arbeitgeber Siemens hatte er seinen Vertrag nicht verlängert. Viele rechneten damit, dass der allseits geschätzte Manager schnell eine neue Aufgabe finden würde. Für mehrere Posten war Russwurm in der Zwischenzeit im Gespräch.

So galt er als Kandidat für eine Führungsposition bei der Bahn. Doch daraus wurde nichts, ebenso wenig aus Sondierungen bei Linde. Auch mit einem großen Autozulieferer soll Russwurm verhandelt haben. Sein Abgang bei Siemens hatte natürlich auch mit dem nicht einfachen Verhältnis zu Konzernchef Joe Kaeser zu tun. Russwurm hatte selbst als möglicher Kandidat für die Nachfolge von Ex-Siemens-Chef Peter Löscher gegolten.

Doch Finanzvorstand Kaeser setzte sich durch. Als Chef verordnete er ihm später einen Postentausch: Russwurm musste den von ihm geliebten Posten des Industrievorstands abgeben und übernahm das Technologieressort von Klaus Helmrich. Manche im Haus werteten dies als Degradierung, zumal Kaeser bei der Verkündung sagte, der Jobtausch folge keiner besonderen Logik. Später soll es auch Differenzen beim Thema Start-ups und Innovationen gegeben haben. Nach einiger Zeit trennte man sich im guten Einvernehmen – aber man trennte sich.

Menschliche Qualitäten

Täuschen sollte man sich nicht in Siegfried Russwurm. Auf den ersten Blick wirkt der Ex-Industrievorstand wie ein gemütlicher, barocker Franke: Über seinem Schreibtisch in Erlangen hing ein modernes Gemälde, eine Biergartenansicht. Doch ist er ein hochintelligenter Experte – und natürlich auch machtbewusst, anders kommt man nicht in solche Positionen.

Bei Siemens preisen sie bis heute seine menschlichen Qualitäten, egal ob es sich um ehemalige Fahrer, Manager oder Vorstandskollegen handelt. „Ich kenne niemanden, der etwas Schlechtes über ihn sagen würde“, meint ein Siemensianer. Bei seinem letzten Auftritt auf der Topmanagement-Tagung von Siemens gab es Standing Ovations für Russwurm. Er sei unkompliziert, auf sein Wort sei Verlass, lautet das Urteil am Wittelsbacher Platz.

„Russwurm war immer sehr zuverlässig, er hatte Handschlagqualitäten“, lobte einmal der langjährige Betriebsratsvorsitzende Lothar Adler. Auch fachlich galt er als ausgewiesener Industrie-4.0-Experte. Er hat die Grundsteine für die heute so erfolgreiche Division namens Digitale Fabrik mitgelegt.

Russwurm stelle sich sehr schnell auf sein Gegenüber ein und wisse, wie er ein Thema auf den Punkt bringen müsse, sagt einer, der mit ihm zusammengearbeitet hat. Allerdings hakte es wohl bei der Einführung der Internet-der-Dinge-Plattform Mindsphere. Bei allen Qualitäten als großer Erklärer habe er bei der Umsetzung auch Schwächen, meinte ein Siemens-Manager.

Der studierte Fertigungstechniker hatte 1992 bei Siemens als Fertigungsplaner in der Medizintechnik angefangen, später leitete er verschiedene Einheiten. 2006 stieg er in den Bereichsvorstand der Medizintechnik auf, zwei Jahre später in den Konzernvorstand. Zwischenzeitlich führte er auch das Personalressort. Die Arbeitnehmer schätzten ihn als ausgleichenden Verhandlungspartner.

Doch das Industrie- und später auch das Technikressort lagen dem Produktionsexperten später näher. Russwurm und Haag werden ein spannendes Duo an der Voith-Spitze. Mit ihnen erfolgt ein echter Generationswechsel in einem Konzern, der mit aller Macht den Sprung in die Digitalisierung schaffen will und muss.

Russwurms digitale Expertise kann natürlich bei den fast gleichalten Managern auch zum Problem werden. Auf den geringen Altersunterschied zwischen Aufseher und CEO angesprochen, sagte Haag, leicht scherzend: Beide seien über 50, da spiele das Alter nicht mehr eine solche Rolle.