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Deutsche Firmen kämpfen mit der Digitalisierung

Digitalisierung braucht Kulturwandel, doch damit tun sich viele deutsche Unternehmen noch schwer. Die neue Arbeitswelt ist ein Thema auf der Cebit.

Die Ankündigung dürfte die deutsche Autoindustrie in Aufruhr versetzt haben: Waymo, eine Schwesterfirma von Google, hat erstmals in Europa autonome Fahrzeuge getestet. In der Nähe von Turin rollten die Minivans ohne Menschen hinter dem Steuer über eine Versuchsstrecke. Es bleibt wohl nicht dabei. Waymo-Chef John Krafcik deutete an, dass seine Firma in Europa auch Robotertaxis auf die Straße schicken könnte – und damit BMW, Daimler und VW herausfordert.

Ranga Yogeshwar überrascht das nicht. „Innovationsprozesse werden meist von Outsidern angestoßen“, sagt der Wissenschaftsjournalist und Autor des Bestsellers „Nächste Ausfahrt Zukunft“. Das sei schon im 18. Jahrhundert so gewesen, als in England die industrielle Revolution begann: Wasserkanäle und Eisenbahnen, die bald schon Maschinen und Kohle ins ganze Land transportierten, bauten Menschen, die sich zuvor nicht damit beschäftigt hatten. „Heute fangen IT-Unternehmen an, Autos zu bauen“, so Yogeshwar.

Der rasante technologische Fortschritt ermöglicht Durchbrüche, die vor nicht allzu langer Zeit als Science-Fiction galten: von Sprachassistenten, die täuschend echt Friseurtermine vereinbaren, wie Google jüngst demonstrierte, bis zu selbstfahrenden Autos.

Wie tiefgreifend das Gesellschaft und Wirtschaft verändert und vor welche Herausforderungen es Menschen und Unternehmen stellt, ist eines der großen Themen der Messe Cebit, die an diesem Montag in Hannover beginnt. Dort spricht Yogeshwar über künstliche Intelligenz und widmet sich vor allem der Frage, wie viel Verantwortung der Mensch abgeben sollte.

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Aber: Software und Technik allein reichen nicht. Damit Firmen die digitale Revolution überstehen, müssen sie umdenken, fordert der Moderator, der mit der Sendung „Quarks & Co.“ bekannt geworden ist: „Unternehmen müssen gestalten statt verhindern. Sie brauchen eine klare Strategie für den Übergang.

Denn die Digitalisierung ist kein Add-on, sondern sie wird alles fundamental verändern.“ Letztlich habe sie sogar die Computermesse Cebit zerstört und aus ihr eine Innovationskonferenz gemacht. Die digitale Arbeitswelt funktioniert anders als die analoge, weniger hierarchisch, weniger steif.

Viele Unternehmen sehen Digitalisierung als Bedrohung

Längst ist klar: Technologie wälzt die Geschäftsmodelle und -prozesse in vielen Branchen um, nicht nur in der Autoindustrie. In einer Umfrage des IT-Verbands Bitkom erklären 24 Prozent der Unternehmen in Deutschland, dass die Digitalisierung ihre Existenz gefährde. „Es kann schneller gehen, als man denkt“, warnt Bitkom-Präsident Achim Berg. So sei Tesla mit dem Model S in den USA der größte Hersteller von Luxusautos.

Und Apple verkaufe mehr Geräte als die gesamte Schweizer Uhrenindustrie. Trotz dieser Erkenntnis handeln viele Führungskräfte noch zögerlich. In der Bitkom-Umfrage gaben 33 Prozent zu, bei der Bewältigung der Digitalisierung Probleme zu haben. Gerade kleinen Firmen fehlen häufig Zeit und Geld, um das digitale Geschäft aufzubauen. Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) bestätigt den deutschen Rückstand: 36 Prozent der Unternehmen haben demnach einen geringen digitalen Reifegrad, deutlich mehr als etwa in den USA.

Die Digitalisierung verändert aber nicht nur das Geschäft, sondern auch die Arbeitswelt und die Jobs. wie Ursula Vranken immer wieder beobachtet. Die Arbeitswissenschaftlerin berät mit ihrem IPA-Institut für Personalentwicklung und Arbeitsorganisation sowohl Digitalunternehmen als auch Banken und Versicherungen.

Deren Kundenbetreuung steht vor großen Veränderungen. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz, etwa von Chatbots in Callcentern, wird massive Auswirkungen auf die Arbeitsplätze haben. So können Chatbots beispielsweise relativ zuverlässig Standardfragen beantworten – und damit Callcenter-Mitarbeitern Arbeit wegnehmen.

„Die digitalen Technologien und Geschäftsmodelle erfordern einen neuen Typus von Führungskräften, den Digital Leader. Er muss in der Lage sein, diese Geschwindigkeit mitzugehen, Strategien zu entwerfen und Mitarbeiter aktiv daran zu beteiligen“, sagt Vranken. Auf der von ihr mitgegründeten Konferenz „Digital Leadership Summit“ wird es am 21. Juni in Köln darum gehen, wie sich Unternehmen wandeln müssen und warum Führungskräfte moderne Werte wie Agilität heute mehr fördern und einfordern müssen als klassische Werte wie Stetigkeit und Perfektionismus.

Die Personalberaterin empfiehlt Unternehmen das Prinzip der Ambidextrie, also der Beidhändigkeit: Ein Teil der Organisation kümmert sich weiter mit aller Kraft um das Kerngeschäft, in dem es auf operative Exzellenz und Effizienz ankommt, ein anderer baut eine „Innovationsmaschine“ auf – etwa in digitalen Laboren (Labs) oder Thinktanks, wie sie immer mehr Firmen einrichten. Oder in Start-ups, die die Unternehmen finanzieren oder kaufen.

In vielen Führungsetagen ist diese Erkenntnis angekommen. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Crisp Research hat jede vierte Firma eine agile Kultur mit flachen Hierarchien, rund die Hälfte will die Organisation dahin gehend verändern. Ein Viertel der rund 300 befragten Führungskräfte sagt aber auch: Die starre Rangfolge wird bleiben.

Effizienz und Innovation zu vereinbaren ist gar nicht so leicht. Die Beharrungskräfte sind oft stark. „Ich brauche einen Typus von Manager, der digital denken und handeln kann“, sagt Vranken. Das könne im Zweifelsfall bedeuten, dass Führungskräfte ausgetauscht werden müssen oder auch an Positionsmacht verlieren. „Die klassischen Kaminkarrieren haben ausgedient, stattdessen werden innovative, empathische Manager gebraucht, die auf Augenhöhe mit Kunden und Mitarbeitern kommunizieren und die vor einigen Jahren keiner ernst genommen hätte“ – die Nerds also.

Schwierige Suche nach digitalen Talenten

Allerdings tun sich viele Unternehmen schwer, digitale Talente für sich zu gewinnen: Die entscheiden sich häufig für Toparbeitgeber wie BMW, Porsche, Daimler, Google oder Bosch. „Wir müssen neben der technologischen auch eine kulturelle Revolution vorantreiben“, postuliert daher Vranken. Zum Beispiel beim Thema Mitbestimmung. Die sei zwar richtig und wichtig in deutschen Unternehmen, behindere aber zum Teil digitales Arbeiten und fördere bürokratisches Denken.

Physiker Yogeshwar kennt sich nicht nur damit aus, wie sich Quanten verhalten, sondern auch damit, wie es Menschen tun. „Das große Problem ist: Viele Organisationen sind in Zeiten der Veränderung von Angst geprägt“, berichtet er von seinen Erfahrungen. Das führe zu einer Erstarrung und verhindere damit die nötigen Veränderungen.

Das Gegenmittel sei kein Hightech, sondern eine Kultur der Wahrhaftigkeit und des Vertrauens. „So viele Unternehmen haben Labore, die aussehen wie Kinderspielzimmer“, kritisiert Yogeshwar – auch auf der Cebit werden wieder viele Konzepte und Methoden für das Arbeiten der Zukunft vorgestellt. Doch das bringe wenig, wenn in den Firmen keine Offenheit und Fehlertoleranz herrsche. „Wir organisieren uns in der Grammatik des vorletzten Jahrhunderts. Wir müssen die Monarchie abschaffen!“

Google ist dafür ein Beispiel. Der Tech-Konzern hat nicht nur individuell gestaltete Büros, kostenloses Kantinenessen und Kicker. Er ermöglicht seinen Entwicklern auch, zwanzig Prozent der Arbeitszeit für eigene Projekte aufzuwenden – und nicht wenige werden zu kommerziell erfolgreichen Produkten. Eine Möglichkeit, kreative Ideen zu fördern.

„Was mir wichtig ist: Der Fortschritt ist eine Chance“, sagt Yogeshwar. Er ist sicher, dass sich etwas ändern werde und dass es gesellschaftliche Diskussionen darüber geben müsse – etwa über den Umgang mit künstlicher Intelligenz. Aber: Alles in allem biete die Technologie großartige Freiheiten, ist auch Personalexpertin Vranken überzeugt. Das gilt ebenfalls für die deutsche Autoindustrie: Die Hersteller arbeiten schließlich längst selbst an autonomen Fahrzeugen.