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Depotbank Société Générale wird zu 22,9 Millionen Euro Strafe verurteilt

Sie steckten mittendrin, aber sie wollen nicht dabei gewesen sein. Jahrelang beteiligten sich viele der größten Geldinstitute Europas an einem Aktienhandel, der Gewinne aus dem Nichts zu schaffen schien. Innerhalb weniger Tage wurden Papiere in Milliardenvolumen hin- und hergeschoben.

Großbanken wie die Deutsche Bank, die Hypo-Vereinsbank, die State Street, die Société Générale oder Caceis dienten dabei als Depotbanken, als Verwalter der riesigen Aktienbestände. Für diesen sogenannten Cum-Ex-Handel berechneten sie teils ungewöhnlich hohe Gebühren. Dann kam die Steuerfahndung.

Denn die Gewinne bei diesen Geschäften stammten aus der Steuerkasse. Die Banken, die für sich und ihre Kunden Aktien kauften und verkauften, taten das nicht nach sorgfältiger Analyse der dahinterstehenden Firmen. Einziges Motiv des Handels war die Kapitalertragsteuer. Einer der Beteiligten führte sie ab, zwei ließen sie sich erstatten. „Double-Dip“ nannten Akteure dieses Treiben. Besonders eifrige Beteiligte multiplizierten den Effekt. Aktien wurden im „Looping“ gefahren – immer wieder im Kreis –, bis der Fiskus schwindlig wurde und teils das Achtfache dessen auszahlte, was nur einmal eingezahlt wurde. Der Schaden für die Allgemeinheit soll zwölf Milliarden Euro betragen.

Das wilde Spiel beschäftigt seit Jahren die Finanzverwaltung und die Justiz. Staatsanwaltschaften zählen inzwischen eine dreistellige Zahl von Beschuldigten. Manche Banken mussten Hunderte Millionen Euro nachzahlen und noch einmal so viel Geld ausgeben, um die vielen Anwälte zu bezahlen, die zur Aufarbeitung des Skandals nötig waren. Und doch gelingt es seit Jahren einer Bankensorte, sich in dem Schlamassel als Saubermann zu präsentieren.

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Depotbanken behaupteten bislang, sie treffe keine Schuld

Die Depotbanken, sagten die Depotbanken, treffe keine Schuld. Als reiner Verwalter der Aktienbestände hätten sie nicht gewusst, zu welchem Zweck der exorbitante Aktientransfer dienen sollte. Aktien würden schließlich jeden Tag gehandelt. Wenn der Kunde es wünsche, 50 Millionen Stück einer Sorte an einem Tag zu kaufen und wenige Tage später wieder zu veräußern – so komme man als Depotbank diesem Wunsch eben nach.

So geschehen 2007 in einem Fall, der aufgrund einer Klage nun für jedermann transparent ist. 35 Transaktionen für 3,2 Milliarden Euro führte die Société Générale als Depotbank für die Landesbank Hessen Thüringen allein zwischen Januar und Juni jenes Jahres durch. Sämtliche Aktien wurden rund um den Dividendenstichtag der großen Dax-Konzerne gehandelt. Am Ende stellte die Société Générale der Helaba Steuerbescheinigungen über 18,4 Millionen Euro aus. Die Helaba reichte sie bei ihrer Einkommensteuererklärung als Gutschrift ein. Es war ein prima Geschäft für alle Parteien – bis zur Betriebsprüfung.

Die Beamten versagten der Bank die begehrte Anrechnung, am 16. April 2013 erließ das Finanzamt Frankfurt V-Höchst einen geänderten Steuerbescheid. Es folgte eine Steuerrückforderung. Parallel kam die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ins Haus. Sie eröffnete gegen einen ehemaligen Vorstand der Helaba ein Verfahren wegen schwerer Steuerhinterziehung.

Das Verfahren läuft noch immer, ansonsten gab es nur Kosten. 18,4 Millionen Euro musste die Helaba an Steuern nachzahlen, plus 4,5 Millionen Euro Zinsen. Rechnungen von Anwälten stapelten sich auf Rechnungen von Beratern. Das vermeintlich sichere Geschäft wurde zu einem PR-Desaster und Millionengrab. Dann hatte die Helaba eine Idee.

Am 29. Juni 2016 verklagte die Landesbank ihre Depotbank. Der ganze Ärger sei doch nur entstanden, sagte die Helaba, weil die Société Générale ein falsches Spiel trieb. Die Helaba zahlte für die Aktien, die ihr die französische Bank lieferte, insgesamt 3,2 Milliarden Euro. Die Helaba kaufte die Papiere bei den sogenannten Cum-Ex-Geschäften jeweils kurz vor dem Dividendenstichtag (Cum-Dividende), geliefert wurden die Aktien jedoch erst nach diesem Datum (Ex-Dividende).

Weil der Helaba auf diese Weise die Dividenden entgingen, leisteten die deutsche Tochter der Franzosen eine sogenannte Dividendenkompensationszahlung. Bei der Helaba waren dies 87,4 Millionen Euro – abzüglich 18,4 Millionen Euro für die anfallende Kapitalertragsteuer. Diese konnte die Helaba nicht selbst abführen, weil sie die Aktien zum Stichtag gar nicht besaß. Sie nahm statt des Geldes die Steuerbescheinigung von den Franzosen und vertraute darauf, dass die Société Générale mit ihrer Niederlassung in Frankfurt auch tatsächlich die Kapitalertragsteuer an das Finanzamt Frankfurt V-Höchst abführte.

Genau das blieb aus. „Die Société Générale hat den Einbehalt der Kapitalertragsteuer vorliegend unstreitig nicht vorgenommen. Nach dem Gesetz wäre sie dazu jedoch verpflichtet gewesen“, stellten die Richter des Landgerichts Frankfurt fest. Ihr Urteil vom 25. April 2018 bedeutet für die Franzosen ein Debakel.

Die Anwälte versuchten zu erklären, die Bank hätte die Steuer deshalb nicht abgeführt, weil sie als Depotbank dafür nicht verantwortlich sei. Die Aktien stammten aus einem Leerverkauf. Wer die ursprünglichen Eigentümer der Papiere waren, mochten die Franzosen aber nicht verraten. Zitat aus dem Urteil: „Die Beklagte hat bis zum heutigen Tage nicht dargelegt, von wem konkret sie die streitigen ständigen Aktien bezogen haben will.“

Mit dieser „Mauertaktik“, wie die Richter sie nennen, kam die Société Générale nicht durch. „Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 22 865 373,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten zu zahlen“, lautete ihre Entscheidung. Für die Helaba ein Sieg auf ganzer Linie.

Zwar ist noch nicht klar, ob das Urteil Bestand haben wird. Der Société Générale bleiben einige Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Ob sie das plant, sagt sie nicht, überhaupt mag sie die Niederlage nicht kommentieren. Die Helaba will ihrerseits ihrem Sieg keine Worte hinzufügen, hat aber schon eine ähnliche Klage auf den Weg gebracht. Am Landgericht München streitet sie gegen die Hypo-Vereinsbank und gegen die Equinet Bank. Beide Banken wollten sich auf Nachfrage nicht zu den Auseinandersetzungen äußern

Nach Informationen des Handelsblatts übernimmt die Helaba eine Pionierrolle für mehrere Landesbanken. Auch die ehemalige WestLB, die Landesbank Baden-Württemberg und die HSH Nordbank hatten hohe Schäden durch Cum-Ex-Handel. Der Gesamtschaden für den Steuerzahler wird auf zwölf Milliarden Euro geschätzt.

Das aktuelle Urteil des Landgerichts Frankfurt spaltet die Branche nun in Jubel und Verängstigung. Mehr als hundert Banken in Europa beteiligten sich an Cum-Ex-Geschäften. Eine ganze Reihe von ihnen erhielt anschließend Besuch von Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft.

Dass nun ausgerechnet das Landgericht im Finanzzentrum Frankfurt den Schwarzen Peter bei den Depotbanken ausmacht, wird Folgen haben, meinen Betroffene. Der Berater einer Bank frohlockt: „Das ist für uns wie ein Sechser im Lotto.“ Schon bald wolle man sich mit Schadensersatzforderungen an die einstige Depotbank wenden, notfalls werde man es der Helaba gleichtun und vor Gericht ziehen.

Experten erwarten eine Klagewelle

Landauf, landab mussten Banken in den vergangenen Jahren nach Cum-Ex-Geschäften zweistellige Millionenbeträge an Steuern zurückzahlen. Zwar haben viele Banken die Parole ausgegeben, man wolle das leidliche Thema endlich hinter sich lassen. Andererseits: Vorstände, die nicht jede Möglichkeit prüfen, verlorenes Geld wieder einzutreiben, machen sich selbst angreifbar.

Das sind schlechte Aussichten für die Depotbanken – zumal ihre Rolle mehr und mehr in den Fokus der Ermittler gerät. In einem Verfahren in Frankfurt tauchte die Mail eines Beschuldigten von Juli 2010 auf, in der dieser schrieb: „Die Depotbanken sind Teil der Transaktionen und wissen genau, was vor sich geht. Dafür stellen sie höhere Beträge in Rechnung.“

Nun machen die Geschäftspartner der Depotbanken neue Rechnungen auf: Schadensersatzrechnungen. Allein die Commerzbank musste 75 Millionen Euro an Steuern nachzahlen. Depotbank war hier die Deutsche Bank. Die Commerzbank wollte nach dem Helaba-Urteil keinen Kommentar abgeben, ein Sprecher der Deutschen Bank blieb unkonkret.

„Als große Teilnehmerin am Markt war die Deutsche Bank teilweise in Cum-Ex -Geschäfte von Kunden eingebunden“, sagt Christian Streckert. „Die Deutsche Bank beantwortet laufend behördliche Auskunftsersuchen im Hinblick auf mögliche Cum-Ex -Transaktionen von Kunden.“

Das klang einmal selbstsicherer. Dem Handelsblatt liegen interne Dokumente der Deutschen Bank aus den Hochzeiten des Cum-Ex-Handels vor. „Handgestrickte Dividende – Klarstellung“ lautete die Überschrift eines Rundschreibens im August 2008. Eine ganze Arbeitsgruppe von Vertretern der Depotbanken habe sich zwei Tage zuvor in Berlin getroffen. Man sei sich einig gewesen: Die Haftung für das Überwachen und Zurückhalten von Steuerzahlungen bei Leerverkäufen sei nicht Sache der Depotbanken.

Das wäre sicher das Beste für die Deutsche Bank gewesen. Doch auch sie stellte als Depotbank Steuerbescheinigungen aus, die später von Finanzämtern nicht anerkannt wurden. Im Laufe der Zeit änderte sich in den Frankfurter Zwillingstürmen offenbar die rechtliche Einschätzung des Themas. Für mehrere Cum-Ex-Fonds, darunter Namen wie Seriva und Nummus, widerrief die Deutsche Bank jüngst ihre Steuerbescheinigungen.

Im Fall der Hamburger Privatbank M.M. Warburg war die Deutsche Bank als Depotbank des Leerverkäufers eingebunden. Aus Hamburg droht Ungemach, wie ein Kommentar des Bank-Sprechers verrät. „Das Urteil des Landgerichts Frankfurt bestätigt umfassend unsere von Beginn an geäußerte Rechtsauffassung, insbesondere dass die inländischen Depotbanken in diesen Fällen zur Abführung von Kapitalertragsteuer verpflichtet waren.“

Die M.M. Warburg hat mit Cum-Ex-Geschäften seit Jahren Ärger. Seit 2016 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen leitende Angestellte, Anfang Mai 2018 gab die Bank bekannt, sie stelle wegen einer Steuernachforderung 44,5 Millionen Euro zurück. Das war unangenehm. Nun weiß die M.M. Warburg, wo sie sich das Geld vielleicht wiederholen könnte.