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Warum Daimler und BMW jetzt auf Kooperation setzen

Mercedes und BMW planen, Mobilitätsdienste und autonomes Fahren gemeinsam zu entwickeln. Der Pakt der Autokonzerne könnte bahnbrechend sein.

 

Ende Februar hatten die Konzernchefs Harald Krüger und Dieter Zetsche Großes zu verkünden. Dafür suchten sich die Rivalen einen stillgelegten Berliner U-Bahn-Schacht aus, um der Öffentlichkeit ihre Pläne vorzustellen. Einträchtig erklärten sie dem staunenden Publikum, dass Daimler und BMW die Welt der Mobilität künftig gemeinsam erobern wollen.

„Zusammen sind wir stärker“, sagte BMW-Chef Krüger. „The sky is the limit“, assistierte Ex-Daimler-CEO Zetsche – nur der Himmel gebe die Grenzen der neuen Partnerschaft vor.

Der Pakt von Berlin könnte in der Tat bahnbrechend sein. Denn mit „DriveNow“ und „Car2go“ fusionieren die beiden Konkurrenten nicht nur ihre Carsharing-Töchter in Europa. Auch die Taxivermittlung, die Mitfahrdienste sowie das Suchen und Finden von Parkplätzen und Ladestationen kommen künftig aus der „Share Now“-App. Die Plattform soll nicht weniger als der Nukleus eines neuen Mobilitätsanbieters werden, der eines Tages ganze Städte mit Dienstleistungen und Flotten von Roboterautos mobil hält.

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Auch dort proben Daimler und BMW künftig Kooperation statt Konkurrenz. Um gegen Uber, Lyft und die chinesische IT-Industrie zu bestehen, legen beide Häuser ihre milliardenschweren Entwicklungen im autonomen Fahren zusammen. Ziel ist die Etablierung eines Industriestandards, der es ermöglicht, dass die deutsche Autoindustrie in Sachen Zukunftstechnologie weiterhin einen Spitzenplatz belegt.

Zugrunde liegt dem die Erkenntnis, dass die Entwicklung des selbstfahrenden Autos selbst für die Weltmarktführer von Premiumkarossen eine Nummer zu groß ist – solange sie es allein versuchen. Zwar gelang es Mercedes bereits 2013, eine S-Klasse ohne Fahrer von Stuttgart zur IAA nach Frankfurt zu steuern, doch von einem sicheren Serieneinsatz sind die Schwaben noch weit entfernt.

Mittlerweile holte man sich mit Bosch den weltgrößten Zulieferer an die Seite, aber sowohl technisch als auch finanziell bleibt das Unterfangen Roboterauto ein Abenteuer.

Allein zu klein gegen Uber und Waymo

In München ist man ebenfalls um einige Illusionen ärmer. Zwar gewann man mit Mobileye und Intel zwei führende Technologiepartner – die Zusammenarbeit gestaltet sich allerdings zäh. Ziel ist es, 2021 mit dem „iNext“ das automatisierte Fahren zumindest auf Autobahnen anbieten zu können. Das dürfte gelingen. Für die sogenannten Stufen vier und fünf des autonomen Fahrens reicht die Allianz allerdings nicht: Es wären mehr Testkilometer nötig, die Sensoren müssten genauer, die Algorithmen sicherer werden.

Die tödlichen Unfälle von Tesla-Fahrern, die sich zu früh auf ihren Autopiloten verließen, sind den Managern in Stuttgart und München eine Mahnung.

Eine gemeinsame Basis gibt es bereits. 2016 kauften BMW, Daimler und der Volkswagen-Konzern die Nokia-Tochter Here. Der Berliner Kartenanbieter erstellt digitale Datenräume, die den Bordcomputer in Echtzeit mit Informationen füttern. Mittlerweile sind fast alle Neuwagen der deutschen Autohersteller mit dem System verbunden, Kameras und Sensoren sorgen für einen permanenten Datenstrom, der das Fahren ohne Fahrer erst möglich macht.

Anders als Uber und Tesla will man behutsam vorgehen. In einem ersten Schritt planen Daimler und BMW, zunächst die nächste Technologiegeneration für Fahrassistenzsysteme, automatisierte Parkfunktionen sowie automatisiertes Fahren auf Autobahnen gemeinsam zu entwickeln.

„Autonomes Fahren ist für uns einer der revolutionärsten Trends, an dem wir im gesamten Daimler-Konzern intensiv arbeiten“, erklärt der neue Daimler-Chef Ola Källenius. „Statt individueller Insellösungen geht es uns um ein zuverlässiges Gesamtsystem, das unseren Kunden einen spürbaren Nutzen bringt.“

Zusammen mit den richtigen Partnern wolle man die Leistungsfähigkeit der Technologie maßgeblich vorantreiben und sicher auf die Straße bringen. Es gehe um die „Industrialisierung des autonomen Fahrens im Rahmen einer flexiblen, skalierbaren und nicht exklusiven Plattform“, ergänzt BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich. Durch die Zusammenführung der Kompetenzen beider Häuser soll die Innovationskraft erhöht und die Verbreitung der Technologie beschleunigt werden.

Doch das autonome Fahren ist mehr als eine reine Technologie. Das Roboterauto könnte das gesamte Geschäftsmodell der Branche auf den Kopf stellen. Deshalb investieren die Angreifer aus dem Silicon Valley in hohem Tempo.

Während Uber darauf abzielt, den Fahrer zu ersetzen und Taxifahrten in Städten um bis zu 70 Prozent billiger anzubieten, ist der Anspruch von Waymo noch umfassender: Die Google-Schwester ist beim autonomen Fahren ohne Lenkrad und Gaspedal führend – wie Android im Smartphone-Markt soll die Waymo-Software eines Tages das globale Betriebssystem der Autoindustrie werden.

Mit Fiat Chrysler und Jaguar sind die ersten Autohersteller schon an Bord, es lockt ein riesiger Markt. Die Unternehmensberater von Horváth & Partners gehen davon aus, dass 2035 das Marktpotenzial von Diensten wie einer autonom fahrenden Taxiflotte auf 150 bis 200 Milliarden Euro im Jahr steigen könnte. Vor allem in Asien, so wird erwartet, könnten ganze Metropolen auf autonom fahrende Flotten umsteigen.

Das Roboterauto braucht einen Standard

Den Markt besetzt aber nur, wer Kunden, Behörden und Versicherer von einem gemeinsamen Standard überzeugt. Nur wer mit ausreichend Testkilometern und nachprüfbaren Standards Sicherheit nachweisen kann, wird eine Zulassung erhalten. In China werden die großen IT-Konzerne unter dem Schutz der Behörden ihren eigenen Standard setzen.

In den USA dürfte an Waymo und Uber kein Weg vorbeigehen, bereits jetzt diskutieren die BMW-Manager, ob sie ihre Autos für Uber-Flotten in den USA freigeben. „In Europa ist das Spiel aber offen“, hoffen die Deutschen.

Allzu gerne hätten Daimler und BMW auch den Volkswagen-Konzern mit an Bord. Doch die Juristen blocken ab: Weil die EU-Kommission wegen mutmaßlich illegaler Absprachen im Abgasbereich gegen die deutsche Autoindustrie ermittelt, lässt man den größten deutschen Autokonzern vorerst lieber vor der Tür.

Die Tatsache, dass Daimler bei der EU eine Art Kronzeugenantrag gestellt hat, sorgt bei BMW ohnehin für Verstimmung. Im ersten Quartal 2019 mussten die Münchener 1,4 Milliarden Euro zurückstellen, um eine mögliche Kartellstrafe begleichen zu können. Die Gewinnwarnung verhagelt BMW-Chef Krüger schon jetzt die Bilanz für 2019.

Daimler und BMW können die Rendite nicht halten

Die Vergangenheit zählt nun nicht mehr. „Es geht um die Frage, ob man Ende des Jahrzehnts noch eigenständig ist“, warnt ein Aufsichtsrat der IG Metall. Klar ist: Die Kosten sind sowohl bei Mercedes als auch bei BMW zu hoch. Seit Monaten erodieren die Margen, 2019 werden beide Häuser ihr Ziel verfehlen, eine Rendite von acht Prozent im Autogeschäft einzufahren. So wächst der Druck, auch jenseits der Zukunftsthemen zusammenzuarbeiten.

Vor allem Ola Källenius, der als Daimler-Entwicklungsvorstand die Gespräche mit BMW in den vergangenen Monaten forcierte, sucht einen noch engeren Schulterschluss als sein Vorgänger Dieter Zetsche.

Bereits jetzt unterhalten die beiden Einkaufsabteilungen eine Kooperation zur gemeinsamen Beschaffung von „nicht markenprägenden Teilen“ wie Gurtschlössern oder Fensterhebern. Das Einkaufsvolumen wird mittlerweile auf jährlich fünf Milliarden Euro taxiert.

Die Themenliste wird nun länger. Beide brauchen mehr Wertschöpfung in den USA, um die neuen politischen Anforderungen der Nordamerikanischen Freihandelszone zu erfüllen. Gesprochen wird etwa über eine gemeinsame Beschaffung von Komponenten wie Getrieben.

Ähnlich ist das Vorgehen beim Thema Batteriezelle: Daimler will ebenso wie BMW seine Energiespeicher von CATL beziehen; die Chinesen bauen für einen Großauftrag von BMW ein Werk in Thüringen. Beide Hersteller arbeiten an der Standardisierung der Batteriezellen, um gegenüber den asiatischen Zellproduzenten geschlossen auftreten zu können.

Doch das alles reicht noch nicht für den ganz großen Wurf. Nach Informationen des Handelsblatts ist erneut der Versuch gescheitert, die Kompaktmodelle A-Klasse (Mercedes) und 1er-Reihe (BMW) auf eine Plattform zu stellen und einen standardisierten Baukasten für Teile und Komponenten zu entwickeln.

Damit hätten beide Häuser ihren Größennachteil gegenüber dem VW-Konzern kompensieren können, der in der Golf-Klasse mit Audi und Skoda auf doppelt so hohe Stückzahlen kommt wie die Konkurrenten aus dem Süden.

Für einen solchen Schritt sind die über Jahrzehnte gepflegten Rivalitäten zwischen Mercedes und BMW-Entwicklern zu groß. Immerhin haben beide Häuser bei den Kapazitäten eine Art Burgfrieden geschlossen.

Nachdem Daimler den Bau eines neuen Autowerks in Ungarn gestoppt hat, überprüft nun BMW seine geplante Fabrik an dem neuen Standort nahe der ukrainischen Grenze. Niemand brauche momentan zusätzliche Kapazitäten in der Kompaktklasse, heißt es übereinstimmend in München und Stuttgart.