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Curevac-Chef Haas: „Wir sind im Wettlauf mit der Zeit, nicht mit der Konkurrenz“

Das Biotechunternehmen hat mit dem IPO an der Nasdaq mehr als 200 Millionen Dollar erlöst. Franz-Werner Haas über den Börsengang und die Impfstoffpläne.

Das Unternehmen investiert die Erlöse aus dem IPO in einen Corona-Impfstoff. Foto: dpa
Das Unternehmen investiert die Erlöse aus dem IPO in einen Corona-Impfstoff. Foto: dpa

Das Tübinger Biotechunternehmen Curevac sieht sich auf gutem Kurs, mit seinem Impfstoffkandidaten gegen Covid-19 an vorderster Front im Kampf gegen die Corona-Pandemie mitzuwirken. Das machte Firmenchef Franz-Werner Haas im Gespräch mit dem Handelsblatt deutlich. „Wir glauben, einen sehr guten Wirkstoffkandidaten entwickelt zu haben“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Die bisherigen Testresultate sehen Haas zufolge gut aus, auch was die Sicherheit und Verträglichkeit anbelangt.

Den Kapitalzufluss aus dem erfolgreichen Börsengang, der umgerechnet etwa 180 Millionen Euro einbrachte, will Curevac, wie Haas erläuterte, zum einen für das Covid-19-Projekt und einen starken Ausbau der Produktionskapazitäten nutzen, zum anderen aber auch, um die weiteren Forschungsprogramme des Unternehmens, darunter ein Impfstoff gegen Tollwut sowie mehrere Krebstherapien, voranzutreiben. Insgesamt verfügt das Tübinger Unternehmen inzwischen über Finanzreserven von mehr als 800 Millionen Euro.

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Lesen Sie hier das vollständige Interview

Herr Haas, Ihr Unternehmen hat mit dem IPO an der Nasdaq 213 Millionen Dollar eingesammelt. Wie zufrieden sind Sie mit dem Börsengang?
Wir sind sehr zufrieden. Wir haben in den vergangenen Tagen viele Investorengespräche geführt und dabei ein großes Interesse an unserer mRNA-Technologie und unseren Arzneimittelkandidaten gesehen. Letztlich war unser Buch mehrfach überzeichnet. Das ermutigt uns sehr.

Was werden Sie mit dem Geld machen?
Wir beabsichtigen, mit dem Nettoerlös die Entwicklung unseres mRNA-Impfstoff-Programms gegen Sars-CoV-2, aber auch den kurzfristigen Ausbau unserer bestehenden Produktionskapazitäten zu finanzieren. Darüber hinaus wollen wir unser intra-tumorales Onkologie-Programm CV8102 und unseren Tollwut-Impfstoffkandidaten in weiteren klinischen Studien voranbringen. Nicht zuletzt werden wir in die weitere Entwicklung unserer mRNA-Technologieplattform, weitere präklinische Projekte sowie den Ausbau unseres Unternehmens investieren.

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Wäre auch ein IPO in Europa denkbar gewesen?
Wir haben die verschiedenen Optionen für uns sorgfältig geprüft. Die Entscheidung für die Nasdaq hat stark damit zu tun, dass wir in den USA viele Analysten finden, die sich mit mRNA-Technologie auskennen und damit auch unsere künftigen Produktentwicklungen validieren könnten.

Die Coronakrise hat das Unternehmen Curevac erheblich beschleunigt. Wann hätten Sie unter normalen Bedingungen einen Börsengang ins Auge gefasst?
Die Corona-Pandemie hat das ein wenig beschleunigt. Sie lieferte uns den Anlass, unsere Leistungsfähigkeit als Impfstoffentwickler unter Beweis zu stellen und zu zeigen, dass wir mit unserer Plattform sehr schnell Produkte entwickeln und produzieren können. Aber wir hatten ohnehin geplant, in diesem Jahr noch vor den US-Präsidentschaftswahlen an die Börse zu gehen.

Sie haben gerade in einer privaten Finanzierungsrunde mehr als 500 Millionen Euro eingesammelt. Hätten Sie da mit einem Börsengang nicht auch warten können, etwa bis Sie Daten aus der Phase-1-Studie gehabt hätten?
Wir wollten den Börsengang bewusst aus einer Situation der Stärke heraus machen. Wir können dem Kapitalmarkt starke Partner an der Seite präsentieren, deshalb haben wir uns für den jetzigen Zeitpunkt entschieden.

Ihre Konkurrenten Biontech und Moderna verfügen über etliche Monate Vorsprung in der Impfstoff-Entwicklung. Kann Curevac das noch aufholen?
Wir haben mehr Zeit damit verbracht, unsere Wirkstoffe in der präklinischen Phase zu validieren. Dadurch starteten wir mit den klinischen Tests drei Monate später als die Konkurrenz. Aber wir glauben, einen sehr guten Wirkstoffkandidaten entwickelt zu haben.

Was zeichnet den aus?
Zum einen ist er chemisch nicht modifiziert wie einige andere mRNA-Impfstoffe. Wir meinen, so das Potenzial der mRNA breiter zu nutzen. Zum anderen enthält unser Impfstoff den Bauplan für das gesamte Spike-Protein des Sars-CoV-2-Virus. Das Ergebnis ist, das wir in den klinischen Studien nun mit vergleichsweise kleinen Impfstoffmengen arbeiten können: Wir testen Dosierungen von zwei, vier, sechs und acht Mikrogramm, während andere mRNA-Studien zum Teil mit mehr als 200 Mikrogramm an den Start gegangen waren.

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Warum ist es wichtig, den Code für das komplette Spike-Protein im Impfstoff zu haben?
Damit wird dem Immunsystem das ganze Protein zur Erkennung angeboten. Damit geben wir dem Immunsystem die Möglichkeit, auch multiple T-Zellen und Antikörper zu entwickeln, womit sich unserer Ansicht nach der Schutz erhöht. Das werden natürlich die weiteren klinischen Tests noch bestätigen müssen. Aber bisher sehen die Resultate ganz gut aus, auch was die Sicherheit und Verträglichkeit anbelangt.

Was sind denn die entscheidenden Parameter?
Zum einen die Sicherheit und Verträglichkeit der Impfstoffe. Natürlich sind geringfügige Nebeneffekte zu sehen. Beispielsweise können die geimpften Menschen erhöhte Temperaturen entwickeln, weil das Immunsystem anspringt. Aber die Temperatur darf eben nicht zu hoch ansteigen. Zum anderen geht es um die virusneutralisierenden Titer.

Und das heißt?
Damit misst man die Menge jener Antikörper, die das Virus in seiner Funktionsfähigkeit blockieren. Die Herausforderung bei Sars-CoV-2 ist, dass keiner weiß, welches Schutzlevel wir erreichen müssen, damit die Menschen auch wirklich geschützt sind. Hinzu kommen die Unterschiede zwischen jungen und alten Menschen. Bei den jüngeren Menschen mit ihrem stärkeren Immunsystem werden weniger virusneutralisierende Titer entwickelt. Und drittens ist auch die Dauer des Schutzes eine ganz entscheidende Frage. Es wäre ja fatal, wenn der nur wenige Wochen anhalten würde.

Aber das wird man erst im nächsten Jahr beurteilen können.
Das ist genau der Punkt. Das ist alles Work in Progress.

Testen Sie einen oder mehrere Impfstoffe in klinischen Studien?
Von den acht Kandidaten aus der Präklinik haben wir zwei in die engere Auswahl genommen, und den allerbesten testen wir jetzt klinisch. Das ist unsere Speerspitze. Präklinisch arbeiten wir aber noch an weiteren Kandidaten.

Braucht Curevac einen besseren Impfstoff als die Konkurrenz, um im Wettlauf gegen Moderna und die anderen noch aufzuholen?
Momentan ist das kein Wettlauf gegen die Wettbewerber, sondern ein Wettlauf gegen die Zeit. Wir müssen versuchen, eine Herdenimmunität zu erzeugen, um diesen Ausnahmezustand in den Griff zu bekommen.

Mögliche Qualitätsunterschiede werden also keine große Rolle spielen?
Entscheidend sind wie gesagt die Kriterien Sicher- und Verträglichkeit, Schutzwirkung und Dauer der Wirkung. Soweit sie grundsätzlich erfüllt sind, wird am Anfang jeder Impfstoff genommen werden. Denn es gibt ja nichts anderes. Aber längerfristig wird es vielleicht anders aussehen. Darüber müssen wir dann in zwölf Monaten nochmal reden. Auf jeden Fall glauben wir, dass unser Impfstoff sehr gut ist. Insbesondere von der geringeren Dosis versprechen wir uns sehr viel. Das hat unter anderem auch Auswirkungen auf die Produktionskosten und den Spielraum in der Preisfindung.

Wie viel Impfstoff könnte Curevac im Erfolgsfall denn produzieren?
Wir können da noch keine konkrete Zahl nennen, weil wir uns ja noch in den Studien zur Bestimmung der Dosierung befinden. Aber es ist klar, dass wir die Produktion stark ausbauen werden. Wir wollen in der Lage sein, schon 2021 mehr als 100 Millionen Einheiten zu produzieren. Dazu planen wir, unsere bestehende Produktionsanlange zu vervielfältigen.

Und zu welchen Preisen wollen Sie das Vakzin anbieten?
Wir haben in den vergangenen Jahren erhebliche Summen in die Entwicklung unserer Technologie und Produktion investiert. Diese Kosten müssen bei der Preisbildung berücksichtigt werden. Aber der Impfstoff sollte möglichst für alle Menschen bezahlbar sein.

Wie beurteilen Sie den Impfstoff aus Russland?
Dazu kann ich nichts sagen. Die Information sind nicht ausreichend, um sich darüber eine qualifizierte Meinung zu bilden. Die WHO und viele andere Experten haben sich ja distanziert geäußert. Aber auf jeden Fall zeigt es, wie groß der politische Druck ist, einen Impfstoff zu finden.

So groß, dass sich angeblich auch die Regierungen um Curevac rangelten. Gab es tatsächlich ein Angebot von der US-Regierung?
Wir wurden ins Weiße Haus eingeladen. Unser damaliger CEO Daniel Menichella hat dort erläutert, wie wir die Dinge angehen. Und das war es dann auch. Es gab vor, während und nach diesem Event kein Angebot oder sonstige Annäherungsversuche, weder von Herrn Trump persönlich noch von der US-Regierung.

Dafür drängte dann die Bundesregierung auf eine Beteiligung?
Nein, es war nicht so, dass die Regierung auf uns zugekommen wäre. Wir haben mit verschiedenen Regierungen darüber gesprochen, was wir in der Impfstoffentwicklung machen, wo wir finanziell stehen und was wir an finanziellen Mitteln brauchen. Aus diesen Gesprächen heraus hat sich dann das Investment der KfW ergeben. Das ging alles seinen ganz geordneten Weg.

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Kurz vor dem IPO wurden Sie vom Interims- zum festen CEO ernannt. Ist das wichtig für das Debüt an der Nasdaq, eine stabile Führung zu präsentieren?
Das war keine Entscheidung speziell mit Blick auf den IPO. Was die Weiterentwicklung des Unternehmens angeht, haben wir seit März viel erreicht, sowohl bei der Entwicklung des Covid-Impfstoffs als auch mit Blick auf die Finanzierung. Und mit Glaxo-Smithkline (GSK) haben wir einen neuen, sehr starken Partner gewonnen.

Welche Rolle soll denn Firmengründer Ingmar Hoerr übernehmen, der ja eigentlich als CEO zurückkehren sollte?
Herr Hoerr ist, wie Sie wissen, erkrankt. Aber es geht ihm schon wieder besser. Darüber sind wir sehr froh. Ich stehe im engen Austausch mit ihm. Er wird auf jeden Fall wieder eine wesentliche Funktion im Unternehmen aufnehmen.

Also vielleicht den Aufsichtsratsvorsitz wieder übernehmen?
Lassen Sie ihn doch erst einmal zurückkommen. Herr Hoerr hat das Potenzial der mRNA für die Impfstoffentwicklung entdeckt, Curevac mitgegründet und aufgebaut. Er wird das Unternehmen sicher weiter begleiten.

Herr Haas, vielen Dank für das Interview.

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