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Eine Charmeoffensive aus Eschborn

Es geht um Geld, viel Geld: Rund 25 Milliarden Euro wären Deutsche Börse und London Stock Exchange zusammen wert. Zum dritten Mal proben beide Marktplatzbetreiber den Zusammenschluss. Seit der Deal vor knapp einem Jahr publik wurde, haben beide Börsen viele Millionen Euro an Berater, Anwälte und Lobbyisten bezahlt, um die Börsenhochzeit vorzubereiten. Doch dass sie glückt, ist längst nicht ausgemacht – denn auch die Aufseher haben ein Wort mitzureden.

Schon früh entbrannte in Frankfurt eine Debatte über das Für und Wider der Fusion. Jetzt erhöht der Konzern aus Eschborn den Druck mit einem Gutachten. Wirtschaftsprofessor Dirk Schiereck von der Universität Darmstadt erklärt darin, „warum der Zusammenschluss der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange den Finanzplatz Frankfurt stärkt“. Doch Kritiker des Megadeals überzeugt das nicht. Denn auf die vielleicht wichtigste Frage für das Schicksal der Fusion geht die Untersuchung gar nicht ein. Unterdessen hat , Präsident der Europäischen Zentralbank, angekündigt, dass sein Haus den Deal genau überprüfen wird.

Der Ökonom Dirk Schiereck argumentiert, dass nicht nur der Finanzplatz Frankfurt, sondern auch die Kunden der Börse von dem Zusammenschluss profitieren. Der Finanzplatz habe in den vergangenen Jahren bereits an Stellenwert verloren. „Dem dadurch drohenden Bedeutungsverlust kann mittels eines Zusammenschlusses mit einem starken Partner entgegengewirkt werden.“ Zudem benötige die deutsche Wirtschaft eine starke Börse, um sich das notwendige Kapital zu verschaffen, etwa, um den Umbau zur „Industrie 4.0“ zu finanzieren. Auch sollen Startups durch die Fusion leichter an die „ungleich reifere und sehr viel kapitalstärkere Frühphasenfinanzierungsszene in London“ kommen.

Für den Fall, dass der Zusammenschluss platzt, malt Schiereck ein Schreckensszenario aus: Ohne die Fusion, so der Ökonom, werde die Börse „und damit der Finanzplatz Frankfurt mittelfristig erheblich an Bedeutung verlieren“. Ähnliche Argumente führt auch Börsenchef Carsten Kengeter ins Feld, um für den Milliardendeal zu werben. Wider und wider warnte er vor einem Bedeutungsverlust für Frankfurt, sollte der Deal platzen.

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Doch die Kritiker der Fusion überzeugt das nicht. Dass der Zusammenschluss mit London sich grundsätzlich lohnt, bezweifelt in Frankfurt kaum jemand. Doch die Konditionen des Deals brachten der Börse harsche Kritik von Aufsehern, Aktionären und Politikern ein. Kristallisationspunkt für den Streit sind die Standortpläne: Der Rechtssitz des Konzerns soll in London angesiedelt werden. Nach einem Brexit läge der Sitz der wichtigsten Börse in Europa damit außerhalb der EU. Bafin-Chef Felix Hufeld nannte das „schwer vorstellbar“. Doch formell hat Deutschlands höchster Finanzaufseher für den Deal nur eine beratende Funktion.

Die Fusion ruft auch EZB-Chef Mario Draghi auf den Plan. Die Europäische Zentralbank müsse den Zusammenschluss „sorgsam“ analysieren, zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg aus einem Schreiben des EZB-Präsidenten an die französische Europaparlamentarierin Pervenche Beres. Wenn eine Fusion zur Änderung der Besitzverhältnisse einer Bank in der Eurozone führe, „muss die EZB das aus aufsichtsrechtlicher Perspektive sorgsam überprüfen.“ Beide Börsenbetreiber brauchen für ihre Geschäfte Banklizenzen und fallen damit unter die Bankaufsicht.

Die Unsicherheit über das zukünftige Verhältnis von Großbritannien zur Eurozone könne zu einem Verlust an Aufsichtsmöglichkeiten führen, fürchtet Draghi mit Blick auf das Clearing-Geschäft in London. Über die Clearinghäuser in der City wickeln viele Investoren ihre auf Euro lautendenden Derivategeschäfte ab. Es sei wichtig, für das britische Euro-Clearing eine Lösung zu finden, die den derzeitigen Standard der Aufsicht bewahrt oder möglichst sogar verbessert.

Derzeit klopft die EU-Kommission die wettbewerbsrechtlichen Folgen der Fusion ab. Wenn Brüssel den Deal genehmigt, ist die hessische Börsenaufsicht gefragt. Sie kann die Fusion untersagen, wenn sie die Fortentwicklung der Börse gefährdet sieht. Noch hat sich der zuständige Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Die Grünen) nicht festgelegt.


Opposition will Gegengutachten vorstellen

Hinter den Kulissen wird kräftig für den Deal geworben. Landtagsabgeordnete in Wiesbaden berichteten von einer regelrechten Charme-Offensive der Börse. Zugleich vermeidet es der Konzern nach Kräften, die Standortdebatte nochmal aufzugreifen. Denn mit der London Stock Exchange wurden die Eckpunkte des Deals festgezurrt. „Wir haben einen Vertrag mit unserem Fusionspartner abgeschlossen“, sagte Kengeter im Dezember im Handelsblatt-Interview. Die Börse argumentiert, dass die zuständigen Aufseher ihrem Job auch dann nachgehen können, wenn der Sitz des Konzerns in London liegt.

Auf diesen Aspekt geht das Gutachten der Börse jedoch nur am Rande ein. Es handele sich um eine „rein ökonomische Betrachtung“, heißt es in der Einleitung. Man wolle und könne „keinerlei rechtliche Würdigung“ vornehmen. Ökonomisch sei der Deal aber in jedem Fall sinnvoll.

Kein Wunder, dass sich die hessische Opposition von dem Gutachten der Börse wenig überzeugt zeigt: „Dass die Börse hier ein eigenes Interesse hat, mit Gutachten ihre Rechtsposition so stützen, ist nicht überraschend“, sagt Florian Rentsch, der Vorsitzende der FDP-Fraktion im hessischen Landtag. „Zur Klärung der genehmigungsrechtlichen Fragen hat die FDP-Fraktion ein umfassendes börsenrechtliches Gutachten bei einem renommierten Experten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnisse wir vor der Entscheidung der EU-Kommission vorlegen werden.“

Das Gutachten soll der Magdeburger Professor Ulrich Burgard erstellen. Auch er ist in Frankfurt kein Unbekannter: Er hatte im Jahr 2011 ein Gutachten zur Fusion der Deutschen Börse mit der New York Stock Exchange vorgestellt. Sein Fazit damals: Durch den Zusammenschluss mit den Amerikanern drohe die Börse, marginalisiert zu werden, argumentierte Burgard. Der Deal kam damals nicht zustande, weil die EU-Kommission aus wettbewerbsrechtlichen Gründen untersagte. Bis zum 30. Juni bleibt Börsenchef Kengeter und seiner Mannschaft Zeit, um die Bedenken auszuräumen. Gelingt es ihm nicht, scheitert auch der dritte Anlauf für eine Fusion mit London.

KONTEXT

Diese Fusionspläne der Deutschen Börsen sind gescheitert

17. Juli 2000

Die Deutsche Börse präsentiert einen Plan für die Gründung de iX international exchange zusammen mit der Londoner LSE. Die beiden Partner hoffen, mit der paneuropäischen Handelsplattform weitere Börsenbetreiber mit ins Boot zu holen. Das Projekt scheitert allerdings an mangelnder Unterstützung.

Sommer 2003

Der damalige Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, trifft sich mit Euronext-Chef Francois Theodore. Die Gespräche über eine Fusion werden allerdings beendet, nachdem sich beide Seiten nicht über die Bewertung ihrer Häuser einig werden.

Frühling 2004

Seifert und Theodore nehmen ein weiteres Mal Kontakt auf. Ein Zwist über die Besetzung der Führungspositionen lässt sie abermals ergebnislos auseinandergehen.

August 2004

Die Schweizer Börse SWX lehnt Pläne der Deutschen Börse für eine Fusion, faktisch eine Übernahme, ab.

13. Dezember 2004

Die Deutsche Börse veröffentlicht ein Übernahmeangebot für die LSE über knapp zwei Milliarden Euro, das 2005 am Widerstand des Hedgefonds und Deutsche-Börse-Aktionärs TCI scheitert.

21. Februar 2006

Der neue Börsenchef Reto Francioni legt ein vorläufiges Fusionsangebot für die Pariser Euronext vor und facht damit ein Konsolidierungsfieber in der Branche an.

19. Mai 2006

Die Deutsche Börse dient Euronext-Chef Theodore die Führung eines vereinten Unternehmens an, besteht allerdings auf Frankfurt als Hauptsitz. Auch der Großteil des Managements sollte am Main angesiedelt sein.

Juni 2006

Die Deutsche Börse unterbreitet der Euronext einen überarbeiteten Fusionsvorschlag. Die Frankfurter geben in der Hauptquartiersfrage nach, doch der Vorstoß kommt zu spät: Die Euronext schließt sich mit der NYSE zusammen.

Dezember 2008

Deutsche Börse und NYSE Euronext loten eine Fusion aus. Die Pläne werden vorzeitig bekannt und scheitern.

April 2011

Die Börse wagt einen weiteren Versuch, mit der Nyse Euronext als Partner eine neue Größenordnung zu erreichen. Die US-Börsen Nasdaq OMX und ICE wollen die Fusion mit einer Gegenofferte für die Nyse torpedieren.

Februar 2012

Der Traum Francionis platzt erneut. Die EU-Kommission untersagt die Milliardenfusion mit den Amerikanern aus schwerwiegenden wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Die EU fürchtet vor allem ein weltweites Monopol im Handel mit europäischen Finanzderivaten.