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Biotechs wollen sich im Kampf gegen Covid-19 beweisen – und so mehr Geldgeber gewinnen

Unabhängig von der Krise zeigt der Biotech-Report einen positiven Trend für die Branche. Die Start-ups begeben sich nun auf Investorensuche.

Die deutsche Biotechbranche hat an Schwung gewonnen und könnte durch die aktuelle Coronakrise zusätzlichen Rückenwind erhalten. „Ich glaube, dass diese Krise allen Menschen klargemacht hat, dass es ohne Biotech keine Lösung gibt“, sagte Oliver Schacht, der Präsident des Branchenverbandes BIO Deutschland, bei Vorlage des diesjährigen Biotech-Reports, den der Verband mit der Wirtschaftsprüfungsgruppe EY erstellt hat. „Von daher haben wir die Hoffnung, dass die deutsche Biotechnologie gestärkt aus der Krise hervorgeht.“

Insgesamt arbeiten nach Schätzung des Verbandes deutlich mehr als 50 der insgesamt 668 deutschen Biotechfirmen konkret an Lösungen im Bereich Covid-19. Besonders im Rampenlicht standen dabei zuletzt vor allem die Firmen Biontech in Mainz und Curevac in Tübingen, die beide an Impfstoffen gegen Covid-19 auf Basis von sogenannten Boten-Ribonukleinsäuren (mRNA) forschen.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Firmen, die in der Entwicklung von Therapien, Diagnostika oder in der Produktion von Reagenzien engagiert sind.

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Schacht räumt dabei ein, dass für manche Unternehmen das Finanzierungsumfeld auch schwieriger werden könnte. Insgesamt jedoch erhoffe man einen positiven Effekt mit Blick auf die generelle Wahrnehmung der Branche, ihre Akzeptanz in der Bevölkerung und ihre Sichtbarkeit in der Politik als systemkritisch.

Auch unabhängig von der Krise zeigen die Daten des Reports von EY und BIO Deutschland einen positiven Trend für die deutsche Biotechbranche. Deren Umsatz ist danach 2019 um zehn Prozent auf knapp 4,9 Milliarden Euro gestiegen, die Zahl der Mitarbeiter um 16 Prozent auf 33.700, und die Forschungsausgaben erhöhten sich sogar um rund ein Fünftel auf knapp 1,8 Milliarden Euro.

Mehr Ausgaben für Forschung

Siegfried Bialojan, Biotech-Experte von EY und Hauptautor des Branchenreports, wertet insbesondere die enorme Steigerung der F- & -E-Ausgaben als gutes Zeichen. „Denn in der Vergangenheit ist es der deutschen Biotechnologie-Branche zu selten gelungen, die vorhandenen Pferdestärken auf die Straße zu bringen. Sprich: innovative Ideen in konkrete Anwendungen umzusetzen.“ Nicht zuletzt die Corona-Pandemie zeige nun, „wie wichtig es ist, vielversprechende Ansätze effizient und schnellstmöglich zum Patienten zu bringen“.

Auch was die Finanzierung der Branche angeht, lief es 2019 relativ gut für die deutschen Biotechs, auch wenn sich dabei der internationale Rückstand nicht verringert hat. Mit 856 Millionen Euro ist den Unternehmen zwar ein Drittel weniger an frischem Kapital zugeflossen als im Vorjahr.

Damals jedoch war der Wert durch eine große Anleihe-Emission von Qiagen geprägt – ein Sondereffekt, der sich 2019 nicht wiederholte. Vor diesem Hintergrund wertet Bialojan das Resultat 2019 als solide.

Es repräsentiert den bisher zweithöchsten Kapitalzufluss für die deutsche Biotechbranche insgesamt. Ein positives Signal sieht der Biotechexperte nicht zuletzt darin, dass die Unternehmen erneut mehr Risikokapital einwerben konnten.

Eine Herausforderung bleibt das Problem, dass sich die Mittelzuflüsse sehr ungleich verteilen und in erster Linie nur wenigen „Leuchtturm“-Unternehmen zugutekommen. Allein der große Biotech-Aufsteiger Biontech hat 2019 im Zuge einer großen privaten Finanzierungsrunde und des Börsengangs im Oktober 425 Millionen Euro Kapital hereingeholt – rund die Hälfte des Branchen-Kapitalzuflusses.

Das Mainzer Unternehmen, das in der Vergangenheit vor allem durch die Unternehmerfamilie Strüngmann finanziert wurde, sorgte in den letzten Jahren als Entwickler neuartiger Krebsimmun-Therapien für Aufmerksamkeit, bevor es jüngst auch mit einem Impfstoff-Projekt gegen Covid-19 ins Rampenlicht rückte.

Als erstes deutsches Unternehmen hat Biontech vor wenigen Tagen die Genehmigung für klinische Versuche mit potenziellen Covid-19-Impfstoffen erhalten.

Mehr professionelle Begleitung für Start-ups

Einen Grund für die „extreme Ungleichheit in der Kapitalallokation“ sieht Biotechexperte Bialojan unter anderem darin, dass die Risikostruktur in der Branche potenzielle Investoren zu stark abschreckt. Er plädiert daher dafür, die sogenannte Translation, also die Umsetzung von Forschung in unternehmerische Aktivitäten und konkrete Produktentwicklungen, noch stärker zu professionalisieren, um die Zukunftsfähigkeit von Neugründungen zumindest etwas kalkulierbarer zu machen.

„Die professionell begleitete Umsetzung von Ideen aus der Forschung in marktfähige Produkte kann die Risiken des Scheiterns reduzieren und damit gleichzeitig die Chancen auf Finanzierung erhöhen“, so Bialojan. Gelinge es so, das unternehmerische Risiko zu minimieren, könne dies auch die bisher eher verhaltene Gründungsdynamik in der Branche stärken.

Als unbefriedigend betrachten Bialojan und Schacht weiterhin das Kapitalmarktumfeld für die Biotechbranche in Deutschland. So gilt ungeachtet der Erfolge einzelner Firmen die Finanzierung über Börsenplatzierungen in Deutschland unverändert als extrem schwierig.

Auch die beiden Börsengänge des vergangenen Jahres fanden in den USA an der dortigen Technologiebörse Nasdaq statt. Biontech gelang der IPO im Oktober und konnte seither den Börsenwert mehr als verdreifachen. Die Rostocker Firma Centogene folgte wenige Wochen später ebenfalls mit einem Listing an der Nasdaq und hat inzwischen etwa 50 Prozent an Wert gewonnen.

Mit der Tübinger Krebsforschungsfirma Immatics befindet sich inzwischen ein weiteres deutsches Biotechunternehmen auf dem Weg Richtung US-Kapitalmarkt. Immatics strebt dabei ein Listing über einen sogenannten Reverse-Merger mit der US-Firma Arya an.

Das heißt: Immatics fusioniert mit dieser bereits gelisteten US-Firma, wobei die Immatics-Eigner, darunter SAP-Mitgründer Dietmar Hopp als einer der bisherigen Hauptfinanziers, eine Mehrheit an der fusionierten Firma übernehmen. Mit einem ähnlichen Manöver war Anfang des letzten Jahres bereits die Münchener Firma Immunic an die Nasdaq gegangen.

Als Hauptgrund dafür gilt, dass Investoren und Banken im Laufe der letzten zehn bis 15 Jahre stark Expertise in dem Bereich abgebaut haben und zum Beispiel kaum noch Analysten da sind, die sich mit dem Sektor und den Unternehmen beschäftigen. Erst wenn das korrigiert werde, könne man wieder auf ein besseres Börsenumfeld hierzulande hoffen.

BIO-Präsident Schacht, der im Hauptberuf das Diagnostikunternehmen Curetis führt, verweist darauf, dass es in ganz Europa keinen Analysten gibt, der kleine Unternehmen im Bereich Diagnostika beobachtet. Curetis, die 2015 an die Euronext gegangen war, fusionierte Ende 2019 mit dem US-Unternehmen Opgen, das ebenfalls im Bereich molekulare Diagnostik aktiv ist.

In diesem Zuge konnten die beiden Unternehmen 23 Millionen Dollar an neuem Kapital einsammeln. Mit viel Effizienz und Flexibilität an Instrumenten könne in den USA Kapital eingeworben werden. Schacht: „Das wäre weder in Frankfurt noch in Amsterdam oder Brüssel möglich gewesen.“

Die Erfahrungen spiegeln sich letztlich auch in dem weiterhin enormen Gefälle in der Biotech-Finanzierung zwischen USA, Europa und Deutschland wider. Immerhin konnten US-Firmen auch 2019 gut 50-mal so viel frisches Kapital hereinholen wie die deutsche Biotechbranche.