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Weil Energiepreise explodieren: Familienministerin Lisa Paus fordert im BI-Interview Erhöhung von Hartz IV und Kinderzuschlag

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen) besucht das Zentrum für Familie und Alleinerziehende in Jena.  - Copyright: picture alliance / photothek | Thomas Imo
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen) besucht das Zentrum für Familie und Alleinerziehende in Jena. - Copyright: picture alliance / photothek | Thomas Imo

Inzwischen ist Familienministerin Lisa Paus (Die Grünen) seit vier Monaten im Amt, nachdem ihre Vorgängerin Anne Spiegel zurückgetreten ist. In ihrem ersten Interview bei Business Insider erzählt Lisa Paus nun, mit welchen Sorgen junge Familien auf sie zukommen, wie sie diese angesichts der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise im Herbst entlasten will und welche Folgen sie befürchtet, wenn die Entlastungen zu gering ausfallen oder gar nicht erst kommen.

Business Insider: Bekommen Sie als Familienministerin Zuschriften wie Mails oder Briefe von jungen Familien, die ihre Heizkosten und Lebensmittel-Rechnungen nicht mehr bezahlen können?

Lisa Paus: "Ja, mir schreiben Familien, die Angst haben, dass ihr Geld nicht für den Winter reicht. Es gibt inzwischen viele, die nicht wissen, wie sie Lebensmittel und Energie noch bezahlen sollen. Ohne zusätzliche Entlastung rutschen diese Menschen in eine echte Notsituation."

Business Insider: Wie wollen Sie bei der Entlastung vorgehen?

Lisa Paus: "Zuerst müssen Menschen im Hartz-IV-Bezug entlastet werden, weil sie schon am Rand des Existenzminimums leben. Die höheren Kosten für Lebensmittel verstärken das Problem jetzt noch, so dass vielen Menschen das Wasser bis zum Hals steht. Wir müssen deshalb zu einer anderen Berechnung des Regelsatzes kommen. Dann die Familien mit geringem Einkommen: Bei ihnen ist finanziell sowieso schon alles auf Kante genäht und jetzt kämpfen sie ebenfalls mit den immens gestiegenen Lebenshaltungskosten. Menschen mit wenig Einkommen werden von der Inflation viel stärker getroffen als Topverdiener. Deshalb brauchen sie absolut eine stärkere Entlastung als Besserverdienende."

Business Insider: Neben der Entlastung über den Regelsatz, wie wollen Sie Familien noch unterstützen?

Lisa Paus: "Eine Möglichkeit ist, den Kinderzuschlag zu erhöhen. Er ist für Familien gedacht, in denen die Eltern arbeiten, deren Erwerbseinkommen jedoch nicht reicht, die Familie über Wasser zu halten. Eine Erhöhung des Zuschlags würde also zielgenau denen zugutekommen, die es wirklich brauchen. Auch das Kindergeld sollte höher ausfallen. Die derzeit geplante Erhöhung liegt deutlich unter der Inflationsrate, das ist zu wenig."

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Business Insider: Wie wollen Sie das gegen den FDP-Finanzminister Christian Lindner politisch durchsetzen, der ja bereits eine Kindergelderhöhung von acht Euro für die ersten beiden Kinder und zwei Euro für das dritte Kind in 2023 vorgeschlagen hat?

Lisa Paus: "Wir sind drei Koalitionspartner und wir werden jetzt nochmals unsere Prioritäten besprechen. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns am Ende einigen."

Business Insider: Was, wenn es nicht klappt?

Lisa Paus: "Das wäre eine Katastrophe für viele Menschen. Ich erlebe Familien, die jetzt zu Schulanfang die Schulmaterialien für ihre Kinder nicht bezahlen können. Das sind Menschen, die haben zwei harte Corona-Jahre hinter sich, in denen sie psychisch und sozial viel gelitten haben. Wenn jetzt noch im Herbst und Winter, die Auswirkungen der Ukraine-Krise mit schweren finanziellen Belastungen obendrauf kommt, ist das Sprengstoff für viele Familien. Familien müssen sich in existenzieller Not auf den Sozialstaat verlassen können."

Business Insider: Kommen wir von den Entlastungen zu Ihrer Sommertour, die Sie gerade erst unter anderem durch Thüringen und Sachsen gemacht haben. Beide Länder haben einen hohen Väteranteil beim Elterngeldbezug. Was kann sich der Rest der Republik von diesen Ländern abgucken?

Lisa Paus: "In Ostdeutschland teilen sich viele Paare familiäre Aufgaben wie die Kinderbetreuung gleichmäßiger auf als in Westdeutschland. Diese Vorstellung von Partnerschaftlichkeit kann durchaus Vorbild für uns alle sein, finde ich. In den alten Bundesländern gibt es da Nachholbedarf, das wird. deutlich, wenn ich mit Familien vor Ort spreche. Viele Männer wollen zwar weniger und Frauen, die in Teilzeit sind, mehr arbeiten, aber das lässt sich oft nicht so einfach umsetzen."

Business Insider: Beim Elterngeldbezug von Vätern in Thüringen und Sachsen fällt jedoch auf, dass die Bezugsdauer gering ist, sich oft nur auf knapp über drei Monate beschränkt, während Mütter oft um die 14 Monate Elternzeit nehmen. Wie wollen Sie Väter motivieren, noch länger in Elternzeit zu gehen?

Lisa Paus: "Man muss Equal Pay, also die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern, verbessern. Eltern bekommen zwar in der Elternzeit 67 Prozent ihres jeweiligen Nettoeinkommens. Aber das Nettoeinkommen des Mannes ist oft höher als das der Frau. Oft kann es sich die Familie dann nicht leisten, dass der Mann länger in Elternzeit geht und die Frau arbeitet. Interessant ist aber, dass es oft branchenabhängig ist, was Frauen verdienen. Es gibt übrigens sogar Regionen in Ostdeutschland, wo Frauen mehr verdienen als Männer. Es hängt also auch davon ab, für welche Berufe sich Frauen entscheiden."

Business Insider: Aber noch haben wir kein Equal Pay. Frauen verdienen oft weniger als Männer und nehmen dann aus finanziellen Gründen deshalb länger Elternzeit. Wirkt das aktuelle System von Elterngeld dann nicht sexistisch, weil es eine ungerechte Aufteilung der Elternzeit fördert?

Lisa Paus: "Nein, denn das Elterngeld bahnt schon den Weg zur partnerschaftlichen Aufteilung der Kinderbetreuung. Elterngeld hat dazu geführt, dass viele Frauen nicht mehr so lange aus dem Beruf aussteigen wie vorher. Früher sind sie durchschnittlich mehr als ein Jahr ausgestiegen. Aktuell müssen wir eher schauen, dass Frauen nicht durch den Abbau der kalten Progression benachteiligt werden."

Business Insider: Inwiefern?

Lisa Paus: "Frauen arbeiten oft in Bereichen wie Gesundheit, Bildung oder Kinderbetreuung, die direkt oder indirekt von der öffentlichen Hand bezahlt werden, also vom Bund oder den Ländern. Und wenn die Steuereinnahmen wegen der Krise für Länder und Kommunen geringer ausfallen, dann gibt es auch weniger Spielraum bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Dann haben wir womöglich eine größere Lohnschere zwischen Frauen und Männern, wenn die Tarifabschlüsse im Vergleich mit Branchen, wo Männer in der Überzahl sind, niedriger ausfallen. Die kalte Progression wirkt sich dann nachteilig für Frauen aus."