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Wegen Corona: Auswärtiges Amt warnt vor Instabilität und Hungersnöten in Afrika

Die nächste Phase der Pandemie wird vor allem Entwicklungsländer treffen – und könnte den Kampf gegen die Armut um Jahrzehnte zurückwerfen.

Die Bundesregierung hat die humanitäre Hilfe für Afrika wegen Corona zuletzt erhöht. Foto: dpa
Die Bundesregierung hat die humanitäre Hilfe für Afrika wegen Corona zuletzt erhöht. Foto: dpa

Deutschland und andere europäische Länder proben die Rückkehr in den Alltag, die Zahl der Neuinfektionen sinkt. Selbst im besonders betroffenen Italien leeren sich die Intensivstationen. Dennoch ist klar: Die Pandemie ist noch lange nicht überwunden, nicht in Europa und erst recht nicht in anderen Weltregionen.

Die Bundesregierung befürchtet, dass die nächste Phase der Coronakrise vor allem Entwicklungsländer trifft. Und zwar mit einer solchen Wucht, dass sie den globalen Kampf gegen die Armut um Jahrzehnte zurückwerfen könnte.

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„Weltweit befinden wir uns noch am Anfang der Pandemie, deren Schwerpunkt sich als Nächstes in die schwächsten Länder des globalen Südens verlagern wird“, schreibt das Auswärtige Amt in einem Bericht für den Bundestag, der dem Handelsblatt vorliegt. „Die Gefahr politischer Instabilität, großer Hungersnöte sowie neuer Flucht- und Migrationsbewegungen steigt, ob im Sahel oder in Süd- und Mittelamerika.“

Schon jetzt sei absehbar, dass Covid-19 bestehende Ungleichheiten verschärfe, „innergesellschaftlich genauso wie international“. Die Pandemie drohe sogar „die in den letzten Jahrzehnten erreichte Verringerung des „Nord-Süd-Wohlstandsgefälles zunichte zu machen.“ Aus diesen Szenarien ergeben sich neue Herausforderungen für die Bundesregierung, vor allem im Bereich der Entwicklungs- und der Migrationspolitik.

Vor dem Ausbruch der Pandemie zählten südlich der Sahara gelegene Länder wie Ruanda, Äthiopien und die Elfenbeinküste zu den am schnellsten wachsenden Wirtschaften weltweit. Doch die Kontaktbeschränkungen zur Unterbrechung von Infektionsketten und der Kollaps der Rohstoffpreise stürzen den Kontinent nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in die schwerste Rezession seiner Geschichte. Der IWF erwartet, dass die Wirtschaftskraft der Region um 1,6 Prozent zurückgeht.

Damit fällt das Minus zwar deutlich geringer aus als in Europa, die afrikanischen Staaten sind allerdings erheblich fragiler, die Versorgungslage deutlich schlechter. „Die Krise wird die sozialen Bedingungen verschärfen und bestehende wirtschaftliche Anfälligkeiten verstärken, während Eindämmungsmaßnahmen und soziale Distanzierung unweigerlich die Lebensgrundlagen unzähliger Menschen gefährden werden“, fürchten die IWF-Experten.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verbreitet sich das Virus inzwischen in 52 Ländern des Kontinents, 35.000 Infektionsfälle sind dokumentiert. Die Dunkelziffer dürfte allerdings weitaus höher liegen. Denn vielerorts wird kaum getestet. Das Problem ist, dass es in einigen afrikanischen Ländern an medizinischen Grundstrukturen mangelt. „Neben Testkits fehlen vor allem grundsätzliche Dinge wie Wasser, Seife, Elektrizität um die erforderlichen Hygienemaßnahmen umzusetzen und die Verbreitung einzudämmen“, so das Außenministerium.

In zehn afrikanischen Ländern gebe es kein einziges Beatmungsgerät. Der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (Venro) dringt in einer Stellungnahme darauf, vor allem die Situation der Binnenflüchtlinge in den Blick zu nehmen: „Die Gefahr ist sehr groß, dass die Situation vor allem in Flüchtlingslagern und urbanen Ballungsräumen außer Kontrolle gerät.“ Sollten sich die Entwicklungsperspektiven in Afrika dauerhaft eintrüben, könnte das mittelfristig den Migrationsdruck auf Europa erhöhen.

Auch deshalb mahnt das Auswärtige Amt: Es sei wichtig, „dass ausreichend Mittel aus dem Nachtragshaushalt für humanitäre Hilfe und andere Unterstützungsmaßnahmen bereitgestellt werden“. „Großen Unterstützungsbedarf“ sehen die Diplomaten insbesondere bei der „Stärkung staatlicher Gesundheitssysteme“.

„Nationale Abschottung wird niemanden beschützen“

Ein Teil der 525 Millionen Euro, die die Bundesregierung am Montag bei einer von der EU-Kommission geleiteten internationalen Geberkonferenz zugesagt hat, ist genau dafür vorgesehen. „Wir haben die humanitäre Hilfe schon deutlich erhöht“, sagt SPD-Politiker Frank Schwabe. „Aber wir werden zusätzliche Mittel brauchen.“ Es gebe „Befürchtungen schlimmster Art“.

Neben den humanitären Folgen der Pandemie sorgt sich die Bundesregierung auch um die Auswirkungen auf den Welthandel – und damit die Erholungsperspektive für die exportorientierte deutsche Wirtschaft.

„Das internationale Wirtschaftssystem steht angesichts globaler Nachfrage und Angebotsschocks sowie der Unterbrechung integrierter Wertschöpfungsketten vor einer schweren Krise“, so die Warnung des Auswärtigen Amts. „Nationale Abschottung wird niemanden beschützen; vielmehr verstärkt sie – gerade in strukturschwachen Staaten – die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie.“

FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai sagt voraus: „Die Coronakrise wird die internationale Ordnung verändern.“ Staaten, die schon vorher Schwierigkeiten hatten, politische, soziale, wirtschaftliche, würden jetzt enorm unter Druck geraten: „Das Problem des Staatszerfalls wird noch deutlicher hervortreten als in der Vergangenheit.“