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US-Verkaufsschlager Juul wirbelt das Geschäft mit E-Zigaretten auf

Spätestens jetzt muss sich eine Branche Sorgen machen, die von kleinen Unternehmen mit im Schnitt nur acht Mitarbeitern geprägt ist: die Anbieter von E-Zigaretten. Denn nächste Woche kommt Juul in 1.000 deutsche Tabakläden.

Hinter dem kleinen Dampfgerät steht ein junges Unternehmen aus dem Silicon Valley, das nicht mal drei Jahre nach dem Marktstart schon 15 Milliarden Dollar wert ist und in den USA drei Viertel des Markts für sich reklamiert. Aus den Verdampfern für Nikotin-Liquids, anfangs ein Spleen einiger experimentierfreudiger Raucher, wird ein Milliardenmarkt.

Die beiden Gründer von Juul, James Monsees und Adam Bowen, erläutern im Gespräch mit dem Handelsblatt ihre Mission: Sie wollen Tabakraucher dazu bringen, auf Juul umzusteigen. Zwei Argumente sehen sie auf ihrer Seite. Die Verdampfer sollen weitaus weniger krebserregend sein als herkömmlicher Tabak – wie die anderen Geräte am Markt auch, die eine Art Bühnennebel mit Nikotin und Aroma verströmen.

Die beiden Stanford-Absolventen wollen zudem das Problem gelöst haben, das eine große Revolution am Rauchmarkt bislang verhindert: Sie versprechen, dass das Nikotin anders als bei anderen Verdampfern genauso schnell und intensiv wirkt wie bei einer Tabakzigarette.

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„Wir sehen uns als Tech-Company, die eine Konsumbranche revolutioniert. In den USA ist der Zigarettenkonsum im vergangenen Jahr um acht Prozent gesunken. Das liegt auch an uns“, sagt Bowen selbstbewusst. Knapp 1500 Mitarbeiter arbeiten bereits für das Duo, darunter angeblich Ex-Mitarbeiter von Apple, Tesla und Pharmaunternehmen, aber auch 30 Marketingspezialisten und Vertriebler in der neuen Deutschlandzentrale in Hamburg.

Eine Hürde gibt es allerdings in Europa: Laut EU-Regulierung dürfen die Liquids nicht so viel Nikotin enthalten wie in den USA.

Auf 400 Millionen Euro schätzt der E-Zigaretten-Verband Bündnis für Tabakfreien Genuss das Handelsvolumen in Deutschland. Eine Reihe von Unternehmen importieren schon seit Jahren Liquids und Geräte vor allem aus China und vermarkten sie unter verschiedenen Marken. Zu den größten gehören Dennis und Dustin Dahlmann, zwei Brüder, die mit ihrem Unternehmen Innocigs den Markt in Deutschland mitentwickelt haben.

Ihr Unternehmen mit gut 100 Mitarbeitern und vier Millionen Euro Umsatz hat gerade ein neu errichtetes Bürogebäude in Hamburg bezogen. Die beiden Mittdreißiger bearbeiten seit Jahren Handel und Politik, um Akzeptanz für die neuen Produkte zu schaffen. In diesem Jahr starteten sie ihre erste bundesweite Plakatkampagne.

Solche ambitionierten Mittelständler will Juul mit finanzkräftigen Investoren aus der Silicon-Valley-Szene im Hintergrund unter Druck setzen: „Wir wollen aber die Standards bei Qualität und Service setzen und damit schnell Marktanteile gewinnen“, kündigt Bowen an. Auf der anderen Seite stehen die großen Tabakkonzerne, die inzwischen eigene E-Zigaretten am Markt haben: BAT etwa die Marke Vype, Reemtsma MyBlu.

Der Konzern Altria, der in den USA die Marke Marlboro vertreibt, soll zudem einen Einstieg bei Juul prüfen – ein Marktgerücht, das die beiden Juul-Gründer nicht kommentieren wollen. Obwohl sie sich als Kämpfer gegen Tabak geben und als Ziel ausrufen, erwachsene Raucher zum Umstieg zu bewegen, schließen sie ein Bündnis mit Big Tabacco jedoch auch nicht aus.

Philip Morris ist besonders exponiert

Immerhin an einer Front gibt Juul den deutschen Vorkämpfern Rückendeckung: beim Lobbyismus in Berlin und Brüssel. Bowen kündigt an: „Wir wollen auch die europäischen Politiker aufklären. Wir unterstützen eine vernünftige Regulierung, wollen aber nicht ebenso reguliert werden wie Tabak. Wir wollen den Rauchern sagen können, dass unser Produkt existiert und weniger gefährlich ist.“

Damit unterstützt er exakt die Linie, mit der die Branche derzeit gegen schärfere Tabakwerbeverbote opponiert, die über kurz oder lang kommen dürften.

Besonders exponiert in der aktuellen Lobbyistenschlacht ist der Konzern Philip Morris. Er setzt anders als die Konkurrenz auf eine eigene Technik. Statt Liquids verdampft in seinem iQos-Gerät echter Tabak. Das soll zwar etwas schädlicher sein als die übrigen E-Zigaretten, aber deutlich weniger Schadstoffe ausstoßen als die klassische Zigarette.

Dafür verspricht der Konzern ein möglichst authentisches Erlebnis – womöglich noch authentischer als bei Juul. Das Duell der beiden Konzepte ist in den USA bislang ausgeblieben, da iQos dort noch keine Zulassung bekommen hat.

In Deutschland ist hingegen gerade die dritte Generation der Geräte auf den Markt gekommen. Philip Morris will die Technik künftig aggressiver bewerben dürfen – ebenfalls mit dem Argument, Raucher zu schützen. Zugleich könnte sie das extrem margenstarke Geschäft mit dem süchtig machenden Nikotin in die Zukunft retten.

Verbraucherschützer sehen den Ansatz kritisch. In den USA musste Juul auf Berichte reagieren, dass sich der Nikotinverdampfer bei minderjährigen College-Studenten zur Modedroge entwickelt hat. Der verstärkte Verkauf über Onlinekanäle mit Altersprüfung soll dem entgegenwirken.

Auch Philip-Morris-Deutschlandchef Markus Essing betont stets, iQos werde in den eigens eingerichteten Läden und an Kiosken nur an Raucher verkauft. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, aus dem Deutschlandstart der dritten Gerätegeneration ein Lifestyle-Event mit dem US-Musiker Jason Derulo, dem Schauspieler Til Schweiger und Moderator Oliver Pocher zu machen.

Auch die Juul-Gründer sehen den Konflikt zwischen Konsumprodukt und Gesundheitsschutz. „Wir haben nur vier bis fünf Prozent am US-Tabakmarkt. Wir haben also noch enormes Potenzial unter heutigen Rauchern. Dafür brauchen wir Vertrauen – etwas, das den großen Tabakkonzernen seit Jahrzehnten fehlt“, sagt Monsees. Nikotin mache aber weiterhin stark abhängig. „Das allein ist Grund für mich, meinen nichtrauchenden Freunden und Verwandten von meinem Produkt abzuraten“, sagt Bowen.

Gesundheitsschützer sehen das ähnlich. Das deutsche Krebsforschungszentrum rät zum Totalausstieg.

Naturgemäß sind die Juul-Gründer weniger streng. „Viele von uns Abhängigen würden gern aufhören, schaffen es aber nicht. Für mich funktioniert Juul. Ich denke nicht mehr dauernd an Zigaretten – außer im Zusammenhang mit meiner Arbeit. Vielleicht ist es ein Silicon-Valley-Ansatz, aber ich bin überzeugt: Den Leuten gute Alternativen zu bieten ist viel effektiver als Verbote oder Vorschriften“, sagt Monsees und verweist auf eine Statistik: Allein während des halbstündigen Gesprächs seien in Deutschland demnach sechs Menschen an den Folgen des Rauchens gestorben.