US-Kanzleien drängen mit Sammelklagen auf den deutschen Markt
Sammelklagen gehören für viele amerikanische Rechtsfirmen bereits zum Tagesgeschäft. In Deutschland wittern sie nun neue Verdienstmöglichkeiten.
Klägerkanzleien und Prozessfinanzierer wittern neue Geschäftschancen in Deutschland. Große Schadensfälle wie die Abgasmanipulationen von Autoherstellern oder Kartellabsprachen von Lkw-Herstellern wirbeln den Rechtsmarkt in Deutschland durcheinander. US-Kanzleien, die in den USA längst auf etablierte Sammelklagen spezialisiert sind, drängen auf den deutschen Markt oder expandieren.
Beispiele dafür sind Hausfeld oder Quinn Emanuel: Die Kanzlei Hausfeld steht etwa juristisch an der Seite von Myright, einem Rechtsdienstleister, der gegen Volkswagen vorgeht. Zigtausend VW-Kunden haben ihre Ansprüche an Myright abgetreten.
Das Geschäftsmodell: Im Erfolgsfall erhält Myright etwa ein Drittel des erstrittenen Schadensersatzes. Finanziert wird das Ganze von der US-Firma Burford. Quinn wiederum steht an der Seite großer Fonds, die in VW-Aktien investiert haben und dem Autobauer vorwerfen, zu spät über den Abgasskandal informiert zu haben.
Auch das Lkw-Kartell sorgt für viel Aktivität bei Klägerkanzleien. Die EU-Kommission verdonnerte die großen Lastwagen-Hersteller Daimler, Volvo/Renault sowie Iveco und DAF zu Geldbußen von 3,8 Milliarden Euro. Tausende Lkw-Käufer bestehen nun darauf, für die zu hohen Preise entschädigt zu werden, und bündeln ihre Forderungen.
Es gibt bereits erste Urteile: Das Stuttgarter Oberlandesgericht (OLG) etwa sprach dem Kläger dem Grunde nach Schadensersatz zu. Auch Hausfeld und Burford sind in Sachen Lkw-Kartell tätig. Sie unterstützen den Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), der die Interessen von bei ihm organisierten Spediteuren vertritt.
Allerdings stehen die Prozesse noch am Anfang, und die Lkw-Hersteller wehren sich vehement. Der Streitwert der Klagen beläuft sich auf mehrere Milliarden Euro.
Die Klage-Vehikel der Deutschen Bahn, Barnsdale AG und DB Competition Claims als Töchter des Staatskonzerns, unterscheiden sich von den Sammelbecken um Hausfeld und Co. dadurch, dass die Kartelle den Schienenkonzern selbst geschädigt hatten. Weitere betroffene Unternehmen können sich anschließen, indem sie ihre Forderungen an die DB-Gesellschaften abtreten. Im Fall des Lkw-Kartells sind das schon 50, darunter auch die Bundeswehr.
Schadensersatz gegen Kartellmitglieder durchzusetzen gilt unter Wirtschaftsjuristen als äußerst schwierig. Die Verfahren sind sehr komplex und langwierig. Schon aus Kostengründen neigen selbst große Unternehmen dazu, ihre Interessen zu bündeln.
Auch Kläger gehen ein hohes Risiko ein. Sie müssen aufpassen, dass die Kosten der Verfahren am Ende nicht den Schadensersatz übersteigen. Dann wäre es besser gewesen, es bei den Bußgeldern der Kartellbehörden zu belassen.
Mehr: Nach Jahren gibt die Lufthansa den Schadensersatzforderungen der Deutschen Bahn nach. Nun nimmt sich der Schienenkonzern das Lkw-Kartell vor.