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Eine Tonne CO2 verursacht einen Klima-Schaden von 140 US-Dollar: Wer zahlt für die Folgen des Klimawandels?

Die Forderung vieler afrikanischer Staaten auf der 27. Weltklimakonferenz in Ägypten: Entschädigung für die Folgen des Klimawandels. - Copyright: picture alliance / AA | Sergen Sezgin
Die Forderung vieler afrikanischer Staaten auf der 27. Weltklimakonferenz in Ägypten: Entschädigung für die Folgen des Klimawandels. - Copyright: picture alliance / AA | Sergen Sezgin

Überall auf der Welt kommt es zu extremen Wetterereignissen – und jedes Jahr scheint beängstigender zu sein als das letzte. Hitzewellen, Dürreperiode, Starkregenereignisse. Das Klima bricht zusammen und das in einem Tempo, mit dem kein Land mithalten kann. Dass aber gerade die Staaten, die den Planeten am wenigsten aufheizen, auch noch den Preis dafür zahlen sollen, scheint mehr als widersprüchlich. Einer dieses Jahr veröffentlichten Studie zufolge haben die fünf größten CO2-Verursacher China, die USA, Russland, Brasilien und Indien gemeinsam seit 1990 einen wirtschaftlichen Schaden von sechs Billionen US-Dollar verursacht.

Demgegenüber steht der Wirtschaftseinbruch in anderen Regionen: Laut einer Studie der Nichtregierungsorganisation Christian Aid droht Entwicklungsländern als Folge des Klimawandels in den nächsten Jahrzehnten ein drastischer Einbruch ihrer Wirtschaftskraft. Angesichts der derzeitigen Klimapolitik, können diese Länder im Schnitt damit rechnen, dass der Klimawandel ihr Bruttoinlandsprodukt bis 2050 um 19,6 Prozent verringert, heißt es in der Studie.

"Wir waren es, die mit Blut, Schweiß und Tränen die industrielle Revolution finanziert haben. Sollen wir jetzt doppelt belastet werden, indem wir die Kosten für die Treibhausgase der industriellen Revolution tragen müssen?", fragte Mia Mottley, Premierministerin des Inselstaates Barbados auf der Weltklimakonferenz, die dieses Jahr im ägyptischen Scharm al-Scheich stattfindet.

Eine Tonne CO2 verursacht schon heute einen Schaden von mindestens 140 Dollar

Die internationale Staatengemeinschaft hat den Handlungsbedarf erkannt. Deswegen stehen Verhandlungen zu "Loss und Damages" – den Verlusten und Schäden, die der Klimawandel anrichtet – bei der 27. Weltklimakonferenz zum ersten Mal auf der Agenda. Und damit die Frage, wer für die Schäden zahlen soll.

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Wie teuer der Klimawandel ist, hat Leonie Krenz vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) untersucht. "Unsere Forschung zeigt, dass eine Tonne CO2 schon heute mindestens einen Schaden von 140 Dollar verursacht, allein dadurch, dass es wärmer wird. Bis zum Ende des Jahrhunderts bewegen wir uns in Richtung 800 Dollar pro Tonne. Es ist also sehr offensichtlich, dass es viel billiger ist, CO2 einzusparen, als hinterher für die Schäden zu bezahlen", erklärte die Wissenschaftlerin im Gespräch mit Business Insider. Es gehe Wenz zufolge viel zu oft nur darum, wie teuer der Klimaschutz ist. Dabei fehle das Verständnis darüber, wie teuer eigentlich kein oder zu wenig Klimaschutz wäre.

Um die Schäden zu quantifizieren, gibt es verschiedene Ansätze, erklärte Wenz. Zum Beispiel, in dem sie sich einzelne Bereiche wie Ernteverluste oder die erhöhte Sterblichkeit in einer Region anschaut, diese Schäden in Euro- oder Dollarwerten ausdrückt und zusammenrechnet. Ein anderer Ansatz wäre, direkt auf der Makroebene anzusetzen und zu schauen, wie sich Wetterextreme und Temperaturänderungen auf das Bruttoinlandsprodukt auswirken.

Industriestaaten wollen sich rechtlich nicht haftbar machen

Das hat das PIK in mehreren Studien ausgerechnet und dafür einen großen Datensatz mit Einkommensdaten für mehr als 1500 Regionen weltweit für die letzten 50 Jahre zusammengetragen, erklärte die Wissenschaftlerin. Es sei klar erkennbar, dass sich das Wetter auf die wirtschaftliche Produktivität einer Region auswirkt. Wenn zum Beispiel die Jahresmitteltemperatur in einer Region um ein Grad Celsius ansteigt, dann geht die Produktivität um ungefähr zwei Prozent zurück. Wichtig sei hierbei, dass es sich bei der Quantifizierung lediglich um eine Untergrenze handelt, denn die tatsächlichen Schäden seien wahrscheinlich noch viel größer.

Bei dem Thema "Loss und Damages" stehe die Weltgemeinschaft immer noch ziemlich am Anfang, sagte Sonja Peterson vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. "Wir sehen, dass die Industriestaaten ihre historische Verantwortung erkennen, Entwicklungsländer geeignet zu unterstützen, da sie den Klimawandel maßgeblich verantworten", so die Ökonomin zu Business Insider. Dennoch sei die internationale Staatengemeinschaft längst nicht an dem Punkt angekommen, an dem es schon Maßnahmen und gesetzte Strategien dafür gebe, in welcher Art und Weise Industriestaaten ganz konkret für die Klimaschäden in Entwicklungsländern aufkommen würden. Sie würden stark davor zurückscheuen, sich rechtlich haftbar zu machen. Im Klimaabkommen von Paris ist sogar festgelegt, dass es für Staaten ausgeschlossen ist, Kompensationen zu fordern.

Es braucht einen höheren CO2-Preis, sagen Experten

Es hat seitens der Industrieländer aber auch Bewegung in Richtung Kompensation gegeben. Gemeinsam mit den verwundbaren Zwanzig (V20) – einer Gruppe von Finanzministern und -ministerinnen von Volkswirtschaften, die durch den Klimawandel systematisch gefährdet sind – hat Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, am Montag auf der Weltklimakonferenz offiziell das sogenannte "Global Shield against Climate Risks", den Schutzschild gegen Klimarisiken, vorgestellt, an dem sich alle G7-Staaten beteiligen sollen. Deutschland hat hierfür einen Startbetrag von 170 Millionen Euro zugesagt.

Die Idee dahinter: Schnellere Finanzhilfen für Länder des globalen Südens. Braucht ein Land beispielsweise Geld für den Wiederaufbau nach einer Flut, kann es von den Mitteln aus dem Schutzschirm unterstützt werden.

"Ein Großteil der Entwicklungsländer wertet dies als sehr nützliche und sehr hilfreiche Initiative. Sie fordern jedoch darüber hinaus die Einrichtung eines Fonds, der umfassend für die Schäden des Klimawandels, zum Beispiel extreme Dürren, Rekordhitzewellen und Überflutungen, aufkommt. Die Größenordnung dieser Schäden übersteigt die bisherigen Klimafinanzhilfen an Entwicklungsländer um ein Vielfaches", sagte Timo Leiter, einer der Autoren des jüngsten Berichts des Weltklimarates IPCC, im Gespräch mit Business Insider.

Der Betrag von 170 Millionen Euro, mit dem Deutschland vorangeht, sei verglichen mit den tatsächlichen Schäden nur sehr klein, sagte Leonie Wenz vom PIK. Es sei aber gut, dass die G7 die Notwendigkeit zu handeln erkennen. "Ein Schutzschirm kann Teil der Lösung sein, gebraucht werden aber vielfältige Strategien, um Entwicklungsländern wie auch uns selbst zu helfen, mit den leider nicht mehr vermeidbaren Folgen und Schäden des bereits heute spürbaren Klimawandels umzugehen."

Auch Sonja Peterson meint, die Summe von 170 Millionen Euro reiche längst nicht aus, um den Klimaschäden gerecht zu werden. Trotzdem sei es zumindest ein Anfang. Gleichzeit müssten aber alle Staaten ihre Emissionen verringern, damit die Schäden für den Klimawandel in Zukunft eingedämmt würden. Ein CO2-Preis sei hierfür das richtige Mittel.

Der Ansicht ist auch Leonie Wenz. Der CO2-Preis helfe aber auch nur dann, wenn er wirkungsvoll hoch sei. Studien zufolge, erklärte Peterson, müsste er in 2030 etwa bei 50 bis 100 Euro pro Tonne CO2 liegen, um in Einklang mit den Pariser Klimazielen zu stehen. So reiche etwa der aktuelle Preis von 30 Euro pro Tonne für Benzin, Diesel, Gas und Heizöl in Deutschland nicht aus. Außerdem werde mit dem aktuell geltenden CO2-Preis das deutsche Ziel verfehlt, die Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

Festzulegen, welches Land wie viel für Klimaschäden zahlen soll, ist ein zentraler Knackpunkt auf der Konferenz

Eines der Streitthemen auf der aktuellen Klimakonferenz bestehe Timo Leiter zufolge darin, festzulegen, wer in einen solchen Fond überhaupt einzahlen sollte. "Gemäß der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) aus dem Jahr 1992 sind nämlich nur Länder zu Unterstützungsleistungen verpflichtet, die damals als Industrieländer galten, also weder China noch Indien und andere Schwellenländer. Dies deckt sich aber nicht mit den größten Treibhausgasemittenten", erklärte der Ökonom. Diese Länder mit in die Pflicht zu nehmen, die ärmsten Länder bei Bewältigung der Klimafolgen zu unterstützen, sei daher eine zentrale Forderung Deutschlands und der EU.

"Alle Staaten können jetzt zeigen, dass sie zu mehr Ambition und mehr Solidarität bereit sind", sagte Außenministerin Annalena Baerbock am vergangenen Donnerstag auf der Konferenz. Es sei eine Pflicht der Industriestaaten für die Schäden der Vergangenheit, sowie für zukünftige Schäden aufzukommen.

Nach Einschätzung von Leiter, hängt an dieser Frage, ob es beim Klimagipfel zu einem erfolgreichen Abschluss kommt. "Nur wenn es gelingt, die Finanzierung der Klimaschäden entlang der tatsächlichen Emissionen auszurichten, wird es die Bereitschaft zur Einrichtung eines neuen Klimafonds geben. Mit Fortschreiten der Erderwärmung werden die Forderungen an Deutschland ebenso zunehmen, für die Konsequenzen aus der Nutzung fossiler Energien finanziell einzustehen", sagte er Business Insider. Es sei daher ökonomisch ratsam, schnellstmöglich aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen.