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Wie sich Russland zur IT-Großmacht entwickelt

Ein gut sichtbares Lidar liegt quer auf dem weißen Toyota Prius mit rot-schwarzem Heck. Der Wagen mit dem lasergesteuerten Messgerät auf dem Dach bremst auch bei Schnee korrekt vor einem Zebrastreifen in Skolkowo vor den Toren Moskaus, wo Mitarbeiter der dort angesiedelten Internetfirmen die Straßen kreuzen.

Das Fahrzeug mit dem Schriftzug Yandex auf dem Wagen und auf dem Lenkrad ist eines der ersten selbstfahrenden Taxis. In der neuesten IT-Metropole Innopolis, die 40 Kilometer vor der Wolga-Metropole Kasan emporwächst, hat der Moskauer Internetriese Yandex ebenfalls seine selbstfahrenden Taxis im Einsatz. Auch unter erschwerten Bedingungen wie Schnee und Eis, die es Lidars und dem eingebauten Radar schwer machen, exakt Geschwindigkeit und Bremsstrecke selbsttätig zu berechnen.

Die autonom fahrenden Taxis, die inzwischen auch in Israel getestet und gerade auf der CES Consumer Electronics Show in Las Vegas präsentiert wurden, sind nur der neueste Clou von Yandex. Der russische IT-Riese hat am Freitag seine Zahlen für 2018 vorgelegt: Demnach stieg der Umsatz um 36 Prozent auf umgerechnet über 1,8 Milliarden US-Dollar und der Gewinn sogar um 430 Prozent auf 660 Millionen US-Dollar (Ebitda plus 36 Prozent auf 569,9 Millionen US-Dollar).

Russlands seit 2011 auch an der New Yorker Nasdaq gelisteter führender Suchmaschinen-Anbieter ist auf dem Weg, gleichzeitig zu einem russischen Amazon, Google, Uber und TomTom zu werden. Denn im größten Flächenstaat der Welt boomt nicht nur der Online-Handel – weshalb sich Zalando und Otto stark in Russland engagieren –, sondern technologisch sind russische IT-Anbieter oft mindestens soweit wie die Rivalen aus dem kalifornischen Silicon Valley.

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Die Internet-Nutzerzahlen in Russland steigen gewaltig

Mit mehr als 90 Millionen Usern ist der russische Internetmarkt inzwischen zum größten in Europa angewachsen. Laut den Marktforschern des Nürnberger Institits GfK haben damit 75,4 Prozent der Russen Internetzugang und der Anstieg komme, weil inzwischen auch 36 Prozent der über 55 Jahre alten Russen im World Wide Web surfen. Dabei gehen 59 Prozent der Russen über ihr Smartphone ins Netz. Interessant dabei ist, dass die Zahl der Smartphone-Verträge mit 150 Millionen höher ist als die Einwohnerzahl, Säuglinge und ältere Herrschaften eingerechnet.

Enormes Potenzial bietet auch die Branche des E-Commerce, der bereits in den vergangenen Jahren weiter gewachsen ist: Die US-Investmentbank Morgan Stanley analysiert, dass der Online-Einzelhandelsumsatz mit physischen Waren in Russland von 18 Milliarden Dollar im Jahr 2017 auf 31 Milliarden Dollar im Jahr 2020 steigen und bis 2023 sogar 52 Milliarden Dollar erreichen könnte. Der E-Commerce-Gesamtmarkt (Warenhandel und Dienstleistungen) ist indes noch deutlich größer, er lag schon 2016 bei 26 Milliarden Dollar.

Trotz des Wachstums ist in Russland noch kein dominanter E-Commerce-Anbieter entstanden. „Russland ist der letzte große Schwellenmarkt ohne einen dominanten Online-Händler“, sagen die Morgan-Stanley-Experten. Aber sie sind auch sicher: „Russland befindet sich an einem Wendepunkt.“ bis 2020 werde ein dominanter Player mit einem Wert von über zehn Milliarden Dollar entstehen.

Die vier führenden E-Commerce-Unternehmen in Russland machen derzeit nur 27 Prozent des Gesamtmarktes aus, gegenüber 63 Prozent in den USA und 84 Prozent in China. Insgesamt beträgt der Anteil des Online-Handels am gesamten Einzelhandel bisher gerade einmal drei Prozent beträgt.

Das dürfte sich laut Experten wie Adrien Henni vom Branchendienst East-West Digital News nun drastisch ändern. Zum einen haben auch bereits neun von zehn Russen laut den Marktforschern von Nielsen mindestens einmal im Netz eingekauft. Zum anderen haben sich zwei Riesen aufgemacht, den russischen Online-Markt aufzurollen: Das Unternehmen Yandex mit der gleichnamigen Suchmaschine und Sberbank, das mit Abstand größte Finanzinstitut in ganz Osteuropa, haben mit „Beru“ (Russisch für „das nehme ich“) einen schlagkräftigen Marketplace scharf gestellt. Die Sberbank, die 70 Prozent aller Russen als Kunden hat, investiert allein 500 Millionen Dollar in Beru.ru.

Die „rote Welle“ schwappt nach Russland

Daneben positioniert sich eine weitere Allianz: Der chinesische Online-Handelsriese Alibaba, die Mail.Ru Group als führender russischer Email- und Social Media-Anbieter, der russische Mobilfunker MegaFon und der staatliche Fonds Russian Direct Investment Fund (RDIF) haben im vorigen September eine „strategische Partnerschaft“ besiegelt. Sie werden dabei in den Bereichen E-Commerce, Social Media, Online Entertainment und Kommunikation zusammenarbeiten.

Der stark außerhalb Chinas expandierende Internetkonzern bringt dabei AliExpress Russia, den B2C-Marktplatz von Alibaba sowie TMall, die den Großteil der E-Commerce-Ströme zwischen China und Russland kontrollieren, ein.

Mail.ru und Megafon haben zudem die tiefen Taschen des vom „Forbes“-Magazin auf 12,5 Milliarden Dollar Vermögen geschätzten Oligarchen Alisher Usmanow und bringen Pandao ein – die Plattform, über die Mail.ru bisher chinesische Produkte an russische Online-Konsumenten verkauft.

Generaldirektor der Private Equity Gesellschaft RDIF, Kirill Dmitrijew, sprach seinerseits von einer Milliarden-Investition mit der Übernahme von 13 Prozent des Joint Ventures. Am AliExpress Russia heißenden E-Commerce-Riesen hält zudem die Alibaba Group 48 Prozent, MegaFon 24 und Mail.Ru Group (die auch die führenden Social Media Kanäle Russlands kontrolliert, wie Odniklassniki und VKontakte) 15 Prozent.

Weitere Anbieter im Online-Handel sind zudem Ozon.ru und mit Ulmart.ru. Der St.Petersburger Handelskonzern profitiert vor allem von der russischen Lust, ein besonders großes Internetangebot zu haben und es dann in der eigenen Stadt testen und abholen zu können. In einer Befragung gaben 78 Prozent der Russen an, sie würden mehr Online bestellen, wenn sie die Waren selbst abholen könnten.

Denn bisher ist die Auslieferung durch „Potschta Rossii“ – Russlands Post – oft nervenaufreibend und langwierig. Doch eine Investoffensive der Post und der massive Aufbau von Logistikzentren anderer Anbieter lassen Experten an eine deutliche Zunahme von Online-Bestellungen glauben.

Yandex will mehr als nur Google- und Amazon-Rivale werden

Aber Russlands IT-Industrie geht weit über den Online-Handel hinaus. Allein mit Russlands größtem Technologiekonzern Yandex – lässt man den Schwer- und Rüstungsindustrie-Giganten Rostech unberücksichtigt – ist viel mehr als ein russischer Google-Rivale und im Begriff zum Amazon des Riesenreichs zu werden. Immerhin hat der Konzern monatlich 50 Millionen Kunden.

Zum Amazon-Rivalen gehört zum einen Yandex.Taxi, das bereits Uber in Russland geschluckt hat und laut Yandex-CFO Greg Abovsky spätestens 2020 eigenständig an die Börse gebracht werden soll. Zum anderen gehört auch der Carsharing-Anbieter Yandex.Drive mit seinen über 7000 Autos allein in der Hauptstadt Moskau zu ihm (dem mit 16.500 Carsharing-Fahrzeugen größten europäischen Markt). Zu guter Letz bietet der Konzern mit Alisa, einem Yandex-Lautsprecher à la Amazons Alexa. Yandex-eigene Auto-Bordcomputer können in Autos der Marken VW bis KIA eingebaut werden.

Dabei setzt die 1997 gegründete und offiziell in Holland registrierte Moskauer Datenkonzern vor allem auf Machine Learning und Künstliche Intelligenz. 2017 kamen noch 92 Prozent der Einnahmen aus Online-Anzeigen der Yandex-Suchmaschine. „Unser Konkurrent ist nicht Amazon, sondern der klassische Handel, der sein ganzes Leben nichts anderes als Verkaufen gemacht hat“, meint Michael Levin, Chief Data Scientist bei Yandex. Und mit der eigenen Marke würden Produkte versehen, „weil sie sehr hohes Vertrauen am Markt genießen“.

Yandex kopiert nicht nur erfolgreich Ideen aus dem Westen, hat nicht nur einen eigenen Such-Algorithmus entwickelt, sondern ist Waymo und anderen Entwicklern selbstfahrender Autos inzwischen überlegen. Das beweise der bereits mehrere tausend Male erfolgte Einsatz selbstfahrender Yandex-Taxis, meint Wladimir Issajew von Yandex.Taxi. Dabei werde jetzt eben auch mit komplizierten Wetterbedingungen experimentiert, „um alle Arten von Herausforderungen in Betracht zu ziehen, damit unsere Roboter-Autos einmal ein Massenprodukt werden“.

Helfen würde dabei die Vernetzung innerhalb des inzwischen besonders breit aufgestellten Konzerns – was er selbst euphemistisch „Eco System“ nennt -, die in deutlich mehr Bereichen Daten abgreift als westliche Wettbewerber. So „verwenden wir die anonymen Daten von Yandex.Navigator-Benutzern, die uns helfen zu verstehen, wie man das Auto in einer Stadt mit Verkehr, Geschwindigkeitsbegrenzungen, geschlossenen Straßen und anderen Situationen fährt", sagt Issajew.

Dabei ist Yandex keineswegs allein im immer bedeutender werdenden russischen IT-Sektor. In einem zwei Milliarden Dollar schweren Deal wurde im Januar gerade mit der in New York gelisteten Luxsoft einer der größten russischen Software-Entwickler durch DXC Technology übernommen.

„Russische Gründer sind fleißig, findig und flexibel bei der Umsetzung ihrer Ideen“, lobt etwa Germany Trade and Invest. Allerdings ist Russland 2018 auf dem Bloomberg Innovations-Index um zwei Plätze auf Rang 27 heruntergegangen. Platz eins und zwei nehmen dort Südkorea und Deutschland ein, China und die USA sind dort 16. und 9.