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Nur für Mitglieder – so verdienen Medien Geld mit ihren Fans

Abo-Plattformen wie Steady und Substack helfen, mit Blogs, Newslettern und Podcasts Geld zu verdienen. Doch nur wenn man seine Fangemeinde findet.

Seit zehn Jahren verfolgt Christian Hinkelmann die Details des Hamburger Nahverkehrs. Seine Website ist ein beeindruckendes Archiv von längst verworfenen Stadtbahn-Ideen, Fahrplanwechseln und Verkehrssenatoren. „Das Projekt wurde mit der Zeit immer größer. Es gibt tägliche Leser in den Verkehrsbetrieben, der Lokalpolitik und unter Nahverkehrsnutzern“, sagt Hinkelmann.

Trotzdem blieb NahverkehrHamburg.de ein Liebhaberprojekt ohne große Einnahmen, das der Journalist nach Feierabend pflegte – bis vor einem Jahr. „Es war schwer, ein Bezahlmodell zu finden. Daher ist Steady für mich ein großer Sprung.“

Steady ist ein deutscher Anbieter einer solchen Bezahllösung. Anfangs setzte Hinkelmann auf freiwillige Mitgliedschaft. „Es gab am Anfang einen Solidaritätshype von Stammlesern – doch deren Zahl war endlich“, sagt er. Schrittweise setzt der Hamburger daher immer mehr Texte hinter die Bezahlschranke. „Erst seitdem funktioniert das wirklich.“

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Hinkelmann ist im kleinen Rahmen gelungen, womit kleine und große Medienkonzerne ringen. Gerade in der Coronakrise müssen Verlage und TV-Konzerne wegbrechende Werbeeinnahmen durch Abo-Verkäufe ausgleichen.

Doch die „Subscription Fatigue“, die Abo-Müdigkeit, wächst mit jedem Anbieter, der Geld für seine Inhalte verlangt. Allein in den USA sind binnen eines Jahres vier TV-Streamingdienste mit Bezahloption gestartet – Disney+, Quibi, HBO Max und Peacock.

Besonders schwer haben es ambitionierte Projekte, die ohne etablierte Marke und Fangemeinde starten. Quibi, das sich mit hochwertigen Kurzfilmen mit Superstar-Aufgebot zwischen Netflix und Youtube positionieren will, steckt schon kurz nach seinem Start in Problemen: Das mit 1,8 Milliarden Dollar Investorenkapital ausgestattete Start-up von Dreamworks-Gründer Jeffrey Katzenberg und Ex-HP-Chefin Meg Whitman hat laut einer Studie der App-Analysefirma Sensor Tower nach drei Monaten kostenloser Testphase neun von zehn Abonnenten bereits wieder verloren.

Auch der US-Dienst Luminary, der sich als Netflix für Podcasts positionieren will, kann sich gegen die Masse an kostenlosen, hochwertigen Podcasts bei Spotify oder Apple kaum durchsetzen – trotz exklusiver Podcasts mit Stars wie Daily-Show-Moderator Trevor Noah.

Gerade einmal 80.000 Abonnenten soll das im April 2019 gestartete Luminary nach einem Jahr haben und bei 500.000 Dollar Umsatz jeden Monat vier Millionen Dollar Verlust machen.

Die mit viel Geld und Starpower gestarteten Anbieter straucheln. Ein bisschen besser als die Masse an kostenlosen Inhalten im Internet zu sein reicht offenbar nicht – dazu bieten Youtube, Spotify und Nachrichtenseiten zu viele hochwertige Inhalte Aber wie kann sich ein neues Medienunternehmen dann überhaupt finanzieren?

Mitglieder statt Abonnenten

Der Kopf hinter Steady ist ein Journalist: Gabriel Yoran hat die Bezahllösung aus dem Webmagazin „Krautreporter“ heraus entwickelt. Gut 800 Websites und Podcasts sind inzwischen dabei, im Monat zahlen knapp 75.000 aktive Mitglieder 430.000 Euro über Steady.

Die Karikaturisten Ralph Ruthe und Joscha Sauer („Nicht Lustig“) sind darunter, auch das Medienblog „Übermedien“. Steady übernimmt das Geldeintreiben und die Technik für das Bezahlmodell.

Die Beziehung zwischen Abonnenten und Anbietern sei aber selten rein transaktional. „Die meisten zahlen, weil ihnen die Person hinter einem Angebot sympathisch ist oder sie ein gemeinsames Anliegen teilen“, sagt Yoran. „Die Mehrheit gibt ihr Geld nicht wirklich für die Inhalte.“

Allenfalls eigene Episoden für Mitglieder funktionieren, wie sie der Spiele-Podcast „The Pod“ anbietet. Die Macher verdienen damit nach Yorans Angaben rund 20.000 Euro im Monat.

Yoran spricht daher nicht von Abonnenten, sondern von Mitgliedern. Er sieht Steady daher vor allem als Dienst für solche Anbieter, die bereits eine treue Nutzerschaft haben. „Wir treten ins Leben von Medienmachern an die Stelle, an der diese beginnen, sich als Unternehmer zu verstehen“, sagt er.

Steady wolle ihnen dabei helfen, die Scheu zu überwinden, um finanzielle Unterstützung zu bitten. Vorbild seien die USA, die Deutschland „vier Jahre voraus“ seien, meint Yoran.

Dort unterstützen die Nutzer, Musiker, Youtuber oder Medienprojekte über die 2013 von dem Musiker Jack Conte gegründete Plattform Patreon, die im vergangenen Jahr die Grenze von einer Milliarde an Künstler ausgezahlter Dollar erreichte.

Auch die Newsletter-Plattform Substack aus San Francisco verdient mit seiner zehnprozentigen Gebühr am Erfolg seiner Kunden mit: Manche E-Mail-Autoren wie der Chinaexperte Bill Bishop („Sinocism“) verdienen mit ihren Newslettern sechsstellige Summen. Zwei der renommiertesten Kapitalgeber des Silicon Valley, Y Combinator und Andreessen Horowitz, haben in Substack investiert.

Aus der Nische herauswachsen

Das lukrative Geschäftsmodell ist – wie so häufig im Internet – das der Plattform und des Technologie-Dienstleisters. Wer als neuer Medienproduzent bestehen will, muss in der Nische eine Fangemeinde aufbauen, statt direkt auf die Masse zu zielen.

Darauf setzt auch die dänische Podcast-Plattform Podimo, die im November in Deutschland startete. „Andere Podcast-Plattformen zahlen Millionen an ein paar Topshows, wir setzen auf die 17.000 danach“, sagt Deutschlandchef Nikolaus Berlin.

Zwar gibt es auf Spotify viele populäre Podcasts kostenlos, doch Berlin setzt darauf, dass deutsche Hörer deutsche Inhalte hören wollen – und dass Nischenpodcasts nur mit dem richtigen Verteilungsmodell überleben können. Podimo will vor allem die Podcast-Produzenten mit begeisterten Fans belohnen. Wenn ein Podimo-Abonnent einen einzigen Podcast hört, fließt sein Geld auch nur an diesen Produzenten.

Dadurch winkt denen, die die Inhalte produzieren, zwar selten das große Geld, aber immerhin ein Zusatzeinkommen. Christian Hinkelmann, der Hamburger Nahverkehrsexperte, kann mit den Steady-Einnahmen – einem „niedrigen vierstelligen Betrag pro Monat“ – Texte freier Autoren einkaufen und hat mehr Zeit für eigene, exklusive Inhalte, statt Pressemitteilungen der Verkehrsbetriebe umschreiben zu müssen. Wirklich kostendeckend oder gar profitabel sei das Modell aber nicht.

Gabriel Yoran will Steady nun verstärkt ins europäische Ausland bringen – auch für kleinere etablierte Medien. Das traditionsreiche Londoner Schwulenmagazin „Gay Times“ etwa startet derzeit ein zusätzliches Erlösmodell über eine Steady-Mitgliedschaft.

Wie wichtig es ist, seine Zielgruppe zu kennen, testet Yoran auch selbst: Als er Ende 2018 auf „Krautreporter“ eine Serie zu klassischer Musik startete, befragte die Plattform ihre Leser zu deren Vorkenntnissen. „Damit ist die Serie speziell auf die Nutzer zugeschnitten“, sagt Yoran.

Mehr: Im Podcast „Handelsblatt Disrupt“ diskutiert Digitalchef Sebastian Matthes jeden Freitag mit Gründern, Investoren, Politikern und Innovatoren über die wichtigsten Entwicklungen und aktuellsten Meldungen der digitalen Welt.