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Niedrigzinsen: Bund spart 211 Milliarden Euro Ausgaben

Viele Sparer treiben die Niedrigzinsen zur Verzweiflung, weil sie keine Zinsen mehr auf ihr Sparguthaben bekommen. Nur einer profitiert ordentlich: der Staat.

Seit der Finanzkrise 2008 sind die Zinsen auf einem historischen Tief. Das ist schlecht für die Sparer. Foto: dpa
Seit der Finanzkrise 2008 sind die Zinsen auf einem historischen Tief. Das ist schlecht für die Sparer. Foto: dpa

Es ist immer dasselbe: Jedes Jahr, wenn Olaf Scholz' (SPD) Mann für den Haushalt, Staatssekretär Werner Gatzer (SPD), den nächsten Bundeshaushalt vorstellt, wird er gefragt, wie viel er denn bei den Zinsausgaben noch sparen könnte. Und jedes Mal beteuert Gatzer, jetzt sei man wirklich am „Ende der Fahnenstange“ angekommen. Es gebe wirklich kein Sparpotenzial mehr. Und jedes Mal fühlen sich Haushaltspolitiker aufs Neue verschaukelt.

2020 ist dafür ein gutes Beispiel. 2016 ging die Bundesregierung in ihrer Finanzplanung noch von Zinsausgaben für 2020 in Höhe von 21,9 Milliarden Euro aus. Am Ende waren es lächerliche 6,5 Milliarden Euro, und damit viel weniger als geplant. Und so geht das seit Jahren.

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Seit Ausbruch der Finanzkrise sind die Zinsen auf ein Dauertief gefallen. Viele Sparer treibt das zur Verzweiflung, weil sie keine Zinsen mehr auf ihr Sparguthaben bekommen. Doch es gibt auch einen großen Profiteur: den Staat.

Seit der Finanzkrise 2008 hat der Bund dank Niedrigzinsen insgesamt sage und schreibe 210,8 Milliarden Euro weniger für Zinsen ausgegeben als ursprünglich geplant. Dies geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor, die dem Handelsblatt vorliegt.

So plante der Bund in seiner Finanzplanung für die Jahre 2008 bis 2020 ursprünglich mit Zinsausgaben in Höhe von insgesamt 533,9 Milliarden Euro. „Die Summe der nach Abschluss der Haushaltsjahre ausgewiesenen Beträge der Jahre 2008 bis 2020“ betrug aber lediglich 323,1 Milliarden Euro, heißt es in der Antwort des Bundesfinanzministeriums. Eine Differenz von fast 211 Milliarden Euro.

Mit neu ausgegebenen Staatsanleihen verdiente der Bund sogar 6,9 Milliarden Euro im Vorjahr. Anleger boten dem deutschen Staat also noch zusätzlich Geld, wenn er sich bei ihnen verschuldete, statt Zinsen zu nehmen.

Deutschland gilt als sicherer Hafen

Der Grund für die Absurdität: Anleger auf der ganzen Welt sind auf der Suche nach sicheren Anlagen. Regulatorische Vorschriften zwingen etwa Versicherer dazu, ihr Geld in als sicher geltende Wertpapiere zu stecken. Und als besonders sicher gelten die Schuldpapiere Deutschlands.

Dass der Staat fast keine Zinsen mehr für Schulden ausgeben muss, teils sogar Geld mit der Aufnahme neuer Schulden verdient, hat maßgeblich dazu beigetragen, die Schuldendebatte in Deutschland zu kippen.

Lange Zeit galt die „schwarze Null“, also der ausgeglichene Bundeshaushalt, als mehrheitsfähig. Und die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse als sakrosankt. Wegen Corona ist die „schwarze Null“ passé, aber auch die Schuldenbremse gerät immer stärker unter Beschuss, zuletzt schlug sogar Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) vor, sie zu lockern.

SPD, Grüne und Linke, aber auch viele Ökonomen fordern, die Ära der Niedrigzinsen zu nutzen, um sich höher zu verschulden und mit den Verbindlichkeiten umfassende Investitionsprogramme von 500 Milliarden Euro aufzulegen.

So sagt Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler, seit den 1980er-Jahren würden die Realzinsen in den führenden Industrieländern, inklusive Deutschland, kontinuierlich sinken. „Die Panikmache der Union vor deutlich steigenden Zinsen dient nur dazu, ihre ideologische Haltung gegen eine Kreditaufnahme zu rechtfertigen, und hat nichts mit der ökonomischen Realität zu tun. Wer in dieser Situation auf neue Kredite zur Finanzierung von Krisenkosten und Investitionen verzichten will, handelt wider die ökonomische Vernunft.“

Das Argument: Wenn die Zinsen niedrig sind und Schulden nichts kosten, wäre es fahrlässig, dies nicht auszunutzen. Deutschland brauche jetzt starke öffentliche Investitionen in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und bezahlbaren Wohnraum. „Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, einen großen Investitionsfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro über zehn Jahre aufzulegen“, so Kindler. Dafür sollte die Schuldenbremse reformiert werden.

Union will nicht von Schuldenbremse abrücken

Es gibt aber auch Ökonomen, die davor warnen, niedrige Zinsen als gottgegeben anzunehmen. Wenn die Zinsen wieder stiegen, würden die Zinsausgaben Deutschlands schnell wieder steigen. 2008 etwa gab der Bund noch 40 Milliarden Euro allein für Zinsen aus – und damals war der Schuldenstand geringer als heute.

Auch die Union will deshalb von der Schuldenbremse nicht abrücken. Die Finanzpolitik könnte somit zu einem zentralen Streitpunkt im Wahlkampf werden.