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Lufthansa und andere Airlines tricksen bei der Ticket-Rückzahlung

Das lange Warten auf die Erstattung von Tickets wird mit überlasteten Mitarbeitern begründet. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit.

Lufthansa und zahlreiche andere Airlines nutzen heimlich einen Trick, um Auszahlungen für stornierte Flüge massiv zu verzögern. Das erfuhr das Handelsblatt bei mehreren deutschen Flugreisebüros. „165 von 180 Airlines haben die üblicherweise automatische Rückerstattung zu Beginn der Coronakrise einfach ausgeschaltet“, berichtet Rainer Klee, Chef des mit rund 1.000 angeschlossenen Agenturen weltgrößten Ticketgroßhändlers AER.

Touristikberater Jörg Lesser, Mitglied im Flugausschuss des Deutschen Reiseverbands (DRV) und bis vor kurzem selbst Reisebüroinhaber, bestätigt: „Die Gelder wurden bis zur Coronakrise bei Flugausfällen automatisch nach ein bis zwei Wochen zurücküberwiesen, und zwar über Agentur-Reservierungssysteme wie Sabre oder Amadeus.“ Allenfalls ein niedriger einstelliger Prozentsatz aller Rückerstattungen sei zusätzlich per Hand geprüft worden. Seit Ausbruch der Pandemie sei damit Schluss. „Airlines wie Lufthansa bearbeiten nun sämtliche Eingaben ihrer Kunden manuell.“

Entsprechend verärgert zeigten sich am Montag Flugreiseexperten über ein Interview von Lufthansa-Chef Carsten Spohr. In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ hatte der Lufthansa-Vorstandschef die Arbeitsbelastung seiner Mitarbeiter als Grund genannt, weshalb Hunderttausende Kunden immer noch auf ihr Geld warten. „Ticketerstattungen sind normalerweise Einzelfälle, jetzt sind es Zehntausende am Tag“, hatte Spohr um Verständnis geworben. „Jeder Kunde muss bei uns anrufen oder die Erstattung online anstoßen, und das dauert natürlich bei vielen hunderttausend Kunden.“

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Dass man absichtlich die Rückzahlung verzögere, um die eigene Liquidität zu sichern, wies der Lufthansa-Chef zurück. Man habe nun sogar „die Ressourcen deutlich erhöht, damit die Abwicklung sich beschleunigt“.

Erst auf Nachfrage des Handelsblatts bestätigte ein Lufthansa-Sprecher, dass es bisher einen automatischen Rückzahlungsmechanismus gab. Fragwürdig bleibt jedoch die Begründung, weshalb dieser abgeschaltet wurde. Der Sprecher wörtlich: „Die Umstellung im System erfolgte aufgrund des außergewöhnlich hohen Anfragevolumens, das es erforderlich machte, die Erstattungsprozesse anzupassen.“

„Alle schauen auf den Marktführer“

Lufthansa ist nicht die einzige Airline, die ihre Kunden durch das Kappen des IT-Systems hinhält. In der Taktik der Zahlungsverzögerungen, beobachtet Touristikberater Lesser, sei sie jedoch die „intensivste“. Ähnlich negativ seien in den letzten Wochen allein kleinere Anbieter wie South African Airways, Air Montenegro oder Turkmenistan Airlines aufgefallen.

Dass auch Fluggesellschaften wie Air France und KLM ihre Kundengelder trickreich zurückhalten, glaubt AER-Chef Klee, hänge eng mit der Lufthansa zusammen. „Alle schauen auf den Marktführer“, sagt er, „und der gab ein schlechtes Beispiel.“

Deutlich zügiger zahlten dagegen British Airways und die US-amerikanischen Airlines Kundenguthaben zurück. Letztere hatten dazu einen triftigen Grund: Kommen sie ihren gesetzlichen Pflichten nicht nach, droht ihnen – anders als den Wettbewerbern in Europa – der Entzug von Landerechten in der Heimat.
Den in Deutschland starteten Lufthansa-Wettbewerbern Ryanair, Easyjet und Tuifly blieb der Trick mit dem Computer-Buchungssystem ebenfalls verwehrt – allerdings aus einem anderen Grund: Sie hätten den Rückzahlungsmechanismus der gängigen Buchungssysteme schon vor der Krise nicht genutzt, heißt es in der Branche.

Die ausstehenden Rückzahlungsbeträge sind gewaltig. Allein bei der Lufthansa belaufen sie sich auf 1,8 Milliarden Euro, berichtete die Kranich-Airline auf ihrer virtuellen Hauptversammlung am 5. Mai. Rund 100.000 ihrer Kundenanfragen liefen dabei über AER, rechnete der Bielefelder Tickethändler vor, von denen bis jetzt 25.000 bis 30.000 ausgezahlt wurden. „Seit in der vergangenen Woche die Staatshilfe genehmigt wurde“, beobachtet AER-Gründer Klee, „laufen die Rückzahlungen etwas schneller.“

In anderen Flugreisebüros hat man davon noch nichts bemerkt. Bei seiner Agentur habe es rund 200 Rückerstattungs-Anfragen gegeben, erklärt ein Inhaber auf Anfrage. Erst zwei Fälle davon seien bis heute genehmigt worden. „Es waren die zwei billigsten Tickets“, sagt er, „wobei wenig für einen Zufall spricht.“

Leidtragende sind die Reiseveranstalter

Leidtragende sind – mehr noch als die Privatkunden – Deutschlands Reiseveranstalter. Weil sie ihren Urlaubskunden die Anzahlungen zurücküberweisen mussten, fehlt vielen durch die hartnäckige Verweigerung der Airlines nun die Liquidität. Mindestens vier Pauschalreiseanbieter beantragten in den vergangenen Wochen das Insolvenzverfahren.

Dabei ist die Rechtslage in Deutschland eindeutig: Spätestens sieben Tage nach dem Flugausfall, so bestimmt es das Bürgerliche Gesetzbuch, gehören angezahlte Gelder zurückerstattet.

Dass sich die Airlines um diese Bestimmung erfolgreich drücken konnten, verdankten sie dem faktischen Stillstand der Rechtspflege. Zwei Monate lang vertagten die Gerichte entsprechende Termine für eine Güteverhandlung, weil die Justiz Ansteckungen mit dem Coronavirus fürchtete. „Die Sperre ist zwar wieder aufgehoben“, bekundet Marina Sartison von der Düsseldorfer Kanzlei Schumacher + Partner, „nun aber gibt es einen Stau.“

Wer als Fluggast länger auf sein Geld wartet, dem rät die Reiserechtsexpertin zur Eile. Zwar benötigten die Fluggäste wegen der meist klaren Fälle selten einen Beweistermin, sagt sie, der Kläger gehe aber üblicherweise in Vorkasse. „Rutscht die Airline in die Insolvenz“, warnt Sartison, „bleibt der Reisende nicht nur auf seinen Ticket-, sondern auch noch seinen Anwaltskosten sitzen.“