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Der leise Abschied vom Handgepäck

Weniger geht kaum noch. United Airlines führt „Basic Economy“ ein. Buchungen von Sitzplätzen oder Meilengutschrift gibt es nicht mehr. Doch die Airline geht noch einen entscheidenden Schritt weiter.

Thanksgiving ist vorbei – das wichtigste Ferienwochenende in den . Halb Amerika war verreist. Man stand entweder in kilometerlangen Staus oder in endlosen Warteschlangen an der Flughafen-Security. Der Industrieverband Airlines for America schätzt, dass zwischen dem 18. und 29. November rund 27,3 Millionen Menschen geflogen sind, das sind 2,27 Million pro Tag und 2,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und die Vorfreude auf nächstes Jahr ist auch schon riesig. Der Kurztrip zur Familie irgendwo im Land wird dann wohl teurer oder ungemütlicher sein – oder beides zusammen. Dafür sorgen Amerikas Fluggesellschaften derzeit.

Hätten TV-Kabelkonzerne, die Post und Banken bei den Kunden nicht so einen grauenhaften Ruf, die amerikanischen Airlines könnten sich locker alleine untereinander um den Preis der meistgehassten Unternehmen streiten. Denn die Branche – verrufen für lange Warteschlangen, Unpünktlichkeit, Sitzreihen mit dem Komfort von Sardinendosen, verschwundenen Gepäckstücken, endlosen Warteschleifen bei der Kunden-Hotline und insgesamt ständig schlechter werdendem Service – lässt nichts aus, um noch unbeliebter zu werden. United Airlines hat jetzt die nächste Runde eingeläutet: die Einführung einer neuen Unterklasse, die die drittgrößte Luftfahrtgesellschaft fröhlich „Basic Economy“ nennt. Darunter könnte eigentlich nur noch der Mitflug im Frachtabteil kommen.

Wer ein Ticket der neuen „BE“-Klasse kauft, soll direkt merken, wo es langgeht. Es gibt keine Gutschrift von Meilen mehr, keinen reservierten Sitzplatz, nicht mal beim Einchecken. Man muss immer als letzter einsteigen und am Gate nehmen, was an Sitzen übrigbleibt. Selbst Sitzreservierung gegen Aufpreis ist kategorisch verboten. Wer mit Familie reist, muss damit rechnen, von Kindern und Partner getrennt zu werden.

Doch United geht noch einen Schritt weiter: Der fliegenden Basiskundschaft wird der Zugang zu den Gepäckfächern verweigert. Bislang sind noch ein persönliches Gepäcksstück, zum Beispiel die Handtasche oder der Rucksack mit dem Laptop, und ein kleiner Koffer erlaubt. Der kommt oben ins Gepäckfach. Nicht mehr bei BE-Kunden. Nur noch der kleine Rucksack ist verblieben und muss unter dem Vordersitz verstaut werden. Das zweite Handgepäck muss für 25 Dollar pro Flug eingecheckt werden, hin und zurück macht das einen Fünfziger extra. Aus dem vormals ersten Koffer, der eingecheckt wird, wird automatisch der zweite. Und der kostet schon 35 Dollar.

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Vorbei die Zeiten, in denen man in einem kleinen Rollkoffer, sorgfältig gepackt, ein wenig Wäsche zum Wechseln für mehr als einen Tag mitnehmen und über Thanksgiving kostengünstig zur Familie reisen konnte. Der Backpacker-Tourist, mit Rucksack und angeflanschtem Schlafsack, eigentlich die Top-Kundschaft für Billigtickets, fällt ebenfalls aus.

Die Rechnung ist die, dass die Reisenden letztlich lieber eine Klasse teurer buchen werden. Denn mit den 50 Dollar Gebühren für das Einchecken des Handgepäcks ist es ja nicht getan. Wer seine Kamera oder andere teure Geräte im Handgepäck hat, geht ein hohes Risiko ein. Heute schon, wenn man wieder der Platz in den Gepäckfächern eng wird, kommen die Aufrufe, Handgepäck freiwillig einzuchecken und unbedingt „alle Wertgegenstände oder technischen Geräte“ vorher herauszunehmen. Die Airline haftet nicht.


Der perfekte Fluggast

Der leise Abschied vom Handgepäck ist der bisherige Höhepunkt eines Trends, bei dem die US-Kunden sich scheibchenweise trennen müssen von kleinen Annehmlichkeiten, die sie für selbstverständlich hielten. Freie Sitzplatzwahl, freie Getränke oder kostenfreie Koffer: alles vorbei. Ein Spielfilm im Bordkino kostet sieben Dollar, zügigeres Vorab-Boarding zehn oder 20 Dollar. Die Zusatzeinnahmen durch die „Extras“, die früher einmal Standard waren, summieren sich pro Jahr auf Milliarden von Dollar. Luftfahrtexperten gehen davon aus, dass die Gepäck-Regelung von United nach einer gewissen Schamfrist von Delta und American übernommen wird. Die drei Großen beherrschen nach einer beispiellosen Fusionswelle 80 Prozent des Inlandsmarktes.

Die Laune im Himmel ist dementsprechend ziemlich mies. Immer öfter kommt es zu Rangeleien und Zwischenfällen. Die Luftfahrtgesellschaften unternehmen deshalb Schritte, die Moral in den vollgestopften Röhren zu heben.

Das Problem sind dabei nicht enge Sitze, pappige Sandwiches, hohe Extragebühren oder Verspätungen. American Airlines, die Nummer eins der Branche, hat den inkompetenten Passagier als Störfaktor ausgemacht. Der, der einfach nicht kapiert, wie es geht.

Ein Video stellt deshalb den „perfekten Flugreisenden“ vor. Der packt seine Sachen akribisch, um keinen Platz zu verschwenden, liebt Babys und bringt darum lärmschluckende Kopfhörer für nur wenige Hundert Dollar mit. Der Passagier, der weiß, dass „seine Laune sich auf die Laune des ganzen Flugs auswirkt“ und der im Flughafen „schneller geht als sonst irgendwo“.

Die Botschaft mit anderen Worten: Liebe Passagiere, reißt euch endlich mal zusammen. Dann klappt das auch ohne Murren auf dem Mittelsitz mit weniger Beinfreiheit in verspäteten Fliegern.

Die im August gestartete Anzeigenkampagne hielt laut New York Times in ihren Print-Ausgaben einen weiteren Rat bereit: Die besten Reisenden sind „immer gut gelaunt und machen das Beste aus der Situation, egal wo sie sitzen.“ American Airlines will seinen Basis-Tarif Anfang kommenden Jahres vorstellen und das lässt Böses ahnen – zumindest für die Kunden. Die Investoren an der Wall Street lieben dagegen neue Einnahmequellen.

Vielleicht sollten United und American sich das Ganze jedoch noch einmal überlegen. Der Kleinkonkurrent Spirit ist die einzige Airline, die schon länger für das zweite Handgepäckstück kassiert. Und Spirit ist seit Jahren die meistgehasste Luftfahrtgesellschaft des Landes.

Einen kleinen Erfolg konnten die grantelnden Reisenden schon erzielen. Der Versuch, selbst den winzigen kostenlosen Erdnussbeutel einzusparen, ging nach wütenden Protesten in den sozialen Medien nach hinten los. Es gibt wieder Salzgebäck. Aber da hatten die Kunden noch nicht das Benimm-Video gesehen.