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Ein Kunde verursacht bei ABN Amro 200-Millionen-Dollar-Verlust

Der Kunde hatte sich im Corona-Crash mit komplexen Finanzprodukten verzockt. Experten erwarten wegen der volatilen Märkte weitere Ereignisse dieser Art.

ABN Amro in den Niederlanden (Bild: RICK NEDERSTIGT / ANP / AFP)
ABN Amro in den Niederlanden (Bild: RICK NEDERSTIGT / ANP / AFP)

Es ist eine Nachricht, die an die schlimmsten Fehlspekulationen durch Investmentbanker denken lässt: ABN Amro hat binnen kürzester Zeit 250 Millionen Dollar verloren, wie die niederländische Großbank am Donnerstag mitgeteilt hat. Nach Steuerabzug verbleibt demnach ein Verlust von 200 Millionen Dollar.

Schuld waren nicht Zockereien eines unbeaufsichtigten Börsenhändlers, sondern offenbar Spekulationen eines Großkunden, die nicht aufgingen: Dieser habe sich mit komplexen Finanzprodukten verkalkuliert, erklärte die Bank. Nach dem jüngsten Marktcrash habe der Kunde nicht mehr die nötigen Sicherheiten bereitstellen können. ABN Amro habe seine Positionen daher mit Verlust geschlossen.

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Das Ereignis werde auch das Ergebnis des ersten Quartals beeinflussen, so die Mitteilung weiter. An der Börse wurde die Nachricht mit Sorge aufgenommen: Die Aktie fiel bis zum späten Nachmittag um knapp fünf Prozent und war damit der größte Verlierer im europäischen Bankenindex. Vermutlich fragen sich nun viele Anleger, wie es um die Sicherheit der bankeigenen Handelssysteme bestellt ist.

Angefallen ist der Verlust in ABN Amros Clearingsparte. Auf Handelsblatt-Anfrage erklärte ein Sprecher die Hintergründe: ABN habe den fraglichen Kunden finanziert. Dieser habe mit US-Futures und -Optionsscheinen spekuliert und diese bei der Bank als Sicherheit hinterlegt. Als deren Wert im Zuge des Börsenabsturzes in der Coronakrise stark gesunken sei, sei es zum „Margin Call“ gekommen.

In der Finanzwelt ist damit die Nachschusspflicht gemeint, die bei Verlust der Mindestdeckungshöhe eines Kontos eingefordert wird. Die vertraglich festgelegte Pflicht soll eigentlich den – etwa durch einen Buchverlust herbeigeführten – Ausfall hinterlegter Sicherheiten kompensieren. Laut dem Sprecher war der Kunde jedoch nicht in der Lage, den Nachschuss zu leisten. In der Folge habe die Bank seine Positionen schließen und die Anlagen mit Verlust verkaufen müssen.

„Einzigartiger Vorfall“ oder wachsendes Risiko?

Die Clearingsparte bedient ausschließlich institutionelle Kunden, also Versicherer, Pensionskassen, Hedgefonds und andere Institute. Für diese übernimmt ABN Amro die Abwicklung von Wertpapierkäufen. Als Clearingstelle steht sie zwischen Käufern und Verkäufern, trägt das Risiko und sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Im Gegenzug erhält sie Gebühren. Darüber hinaus stellt ABN Amro für die Wertpapiergeschäfte auch Liquidität bereit: Brauchen Verkäufer zusätzliches Geld, vergibt die Bank Kredite.

In der aktuellen Mitteilung betonen die Niederländer die Einzigartigkeit des Vorfalls: „ABN Amro Clearing besitzt eine lange Erfolgsgeschichte mit geringen Kreditverlusten.“ Man beobachte zu jeder Zeit die Kundenkonten und steuere bei problematischen Positionen gegen, ergänzte der Sprecher. Die extreme Volatilität habe jedoch zu „starkem Stress und Verwerfungen auf den US-Märkten“ geführt. In der Folge habe der Preisfindungsmechanismus bei einigen großen Positionen nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert.

Laut Finanzkreisen ist es unwahrscheinlich, dass ABN Amro durch den institutionellen Kunden noch entschädigt wird. Der Verlust dürfte das Ergebnis des ersten Quartals daher deutlich eintrüben. Innerhalb der Bank sei man alarmiert und beobachte andere Kunden genau. Komplett auszuschließen sei ein weiterer Millionenverlust zwar nicht, heißt es, jedoch sehr unwahrscheinlich.

Experten wie Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität, sind da nicht so sicher. „Die hohe Volatilität an den Finanzmärkten in Verbindung mit dem abrupten Kursrutsch in nahezu allen Asset-Klassen kann bei Finanzinstituten zu weiteren unerwarteten Verlusten führen“, warnt er.

Die aktuelle Stresssituation mache es schlicht wahrscheinlicher, dass sich Akteure verspekulierten. Je nach Einzelfall befürchtet Brühl in der Folge unterschiedliche Risiken für die beteiligten Institute:

  • Verschlechterten sich die Sicherheiten von Krediten und könnten Kunden in der Krise keine weiteren Sicherheiten bereitstellen, könnten Banken gezwungen sein, Kredite zu kündigen, um ihre entstandenen Verluste zu begrenzen.

  • Verluste drohten auch, wenn Banken als Gegenpartei auftreten und ihre Risikoabsicherung bei extremen Kursbewegungen nicht ausreicht.

  • Auch Clearinghäuser könnten Probleme bekommen: Sie übernähmen bei nicht börsengehandelten sogenannten OTC-Derivaten das Risiko, dass Verkäufer oder Käufer ausfielen. Steige dieses Risiko, dann erhöhe sich für sie die Verlustgefahr.

„In Krisenzeiten können extreme Risiken entstehen, die für Investmentbanken und Clearinghäuser zum Problem werden“, bilanziert Brühl. „Wie stark die Coronakrise das Geschäft letztendlich belastet, werden die Zahlen für das erste Quartal zeigen.“ Verluste auch bei anderen Finanzinstituten sind demnach gut möglich.

Für den niederländischen Steuerzahler ist der Fall ABN Amro besonders bitter: Das Geldhaus, einst eine der größten Banken der Welt, war in der Finanzkrise 2009 vom niederländischen Staat gerettet und im Anschluss durch Abspaltungen und Verkäufe deutlich geschrumpft worden. Der Staat besitzt weiterhin 56 Prozent der Bank. Doch zuletzt häuften sich wieder die Negativschlagzeilen.

Im Herbst kam es zu Kursrutschen, nachdem bekannt geworden war, dass die niederländischen Behörden wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen ABN Amro ermitteln. Das nach der ING zweitgrößte Institut des Landes soll Geldwäscheverdachts-Anzeigen zu spät oder gar nicht abgegeben haben. Ende Februar war dann die deutsche Niederlassung Ziel einer Razzia. Diesmal ging es um die mögliche Unterstützung von Steuerbetrug („Cum-Ex“).