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Der Kampf um Macht und Ressourcen bei Siemens

Die Führungskrise bei Siemens Energy zeigt, wie heikel die Aufspaltung des Konzerns ist. Doch der Plan soll trotzdem weiter umgesetzt werden.

Schon bei der Hauptversammlung vor einigen Wochen konnte man ahnen, dass ein Riss durch die Siemens-Führung ging. Am frühen Morgen stellten Vorstandschef Joe Kaeser und sein Vize Roland Busch die – eher schlechten – Quartalszahlen vor. Der für das Energiegeschäft zuständige Michael Sen saß eher teilnahmslos neben ihnen auf dem Podium und hielt sich mit Äußerungen zurück.

Hinter den Kulissen hatte es schon seit Wochen heftige Diskussionen über die geplante Abspaltung der Energiesparte gegeben. Sen sollte die neue Siemens Energy führen. Doch gab es Streit um die Modalitäten der Trennung.

Das Ergebnis: Sen warf kurz vor Vollzug der Abspaltung hin. Auch Klaus Patzak, designierter Finanzvorstand von Siemens Energy, geht. Nun soll es Linde-Manager Christian Bruch als CEO richten und den neuen Energiekonzern im Herbst an die Börse bringen. Die Führungsturbulenzen zeigen, wie heikel die Aufspaltung des deutschen Traditionskonzerns ist.

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Konzernchef Kaeser – er wird in den kommenden Monaten schrittweise von Busch abgelöst und wird Aufsichtsratschef von Siemens Energy — versuchte es mit Beschwichtigung. „Es gab keine Meinungsverschiedenheiten“, behauptete er. „Herr Sen und ich bewerten die Situation gleich.“

Doch in Industriekreisen wird diese Sicht der Dinge stark bezweifelt. Bei der Abspaltung des Energiegeschäfts, das für 40 Prozent der Umsätze von Siemens steht, müssen sehr schwierige Entscheidungen getroffen werden. „Es war klar, dass die Interessenlagen der Siemens AG und der Siemens Energy immer weiter auseinandergehen, je näher die Aufspaltung kommt“, sagte ein Aufsichtsrat dem Handelsblatt.

Ehrgeiziger Businessplan

Konkret gab es nach Informationen des Handelsblatts aus Industriekreisen gleich mehrere Streitpunkte. So soll die Konzernführung Sen sehr ambitionierte Businesspläne mit auf den Weg gegeben haben. Dieser habe bezweifelt, ob diese so ohne weitere starke Einschnitte realisierbar seien.

Zudem habe Sen auf einen hohen Grad an Unabhängigkeit gedrängt. Er wollte den Spekulationen zufolge, dass Siemens gleich nach dem Spin-off nur noch eine Beteiligung von 25 bis etwa 30 Prozent an dem neuen Unternehmen halte. Kaeser und sein Finanzvorstand Ralf Thomas sollen eine zunächst höhere Ankerbeteiligung wünschen — wenn auch unter 50 Prozent — die dann mit der Zeit abgeschmolzen wird.

Ein weiterer Knackpunkt in den Verhandlungen war, welche Services Siemens Energy weiterhin von der Siemens AG nutzt, und was das neue Unternehmen dafür zahlen soll. Klar ist zudem, dass Siemens Energy für die Nutzung der Marke Siemens einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag zahlen soll. Was für eine Belastung das für das neue Unternehmen sei, zeige ein Blick auf die Quartalszahlen, meint ein Insider.

Viel finanziellen Spielraum hat das neue Unternehmen nicht. Siemens Energy ist für die Börse eher eine Restrukturierungsstory. In der Kraftwerkssparte „Gas and Power“ sank das angepasste operative Ergebnis (Ebita) im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2019/20 (30. September) um 63 Prozent auf 62 Millionen Euro. Die Windkrafttochter Siemens Gamesa, zweites Standbein des neuen Konzerns, machte sogar einen operativen Quartalsverlust von 165 Millionen Euro.

Die Zahlen zeigen, dass es für Siemens Energy wichtig ist, finanziell solide ausgestattet in die Unabhängigkeit zu starken. Das ist auch Siemens-Chef Kaeser und Finanzvorstand Thomas klar. Siemens bleibt ja auch weiter beteiligt.

Beide Seiten wollen bei der Trennung das Beste für sich herausholen. Daher war nach Informationen des Handelsblatts auch die Frage umstritten, ob eine Abschreibung auf den Dresser-Rand-Kauf notwendig ist. Siemens hatte den US-Kompressorenhersteller 2014 für knapp sechs Milliarden Euro übernommen.

Spin-off im September

Dass der Kaufpreis im Nachhinein betrachtet zu hoch war, hat auch Kaeser schon angedeutet. Bislang war Siemens um eine Abschreibung herumgekommen. Wenn das Geschäft nun zur neuen Siemens Energy wandert, stellt sich die Frage erneut. Finanzvorstand Thomas hatte bei Vorlage der Quartalszahlen gesagt, es gebe aktuell keinen Abschreibungsbedarf.

All diese Themen jedenfalls führten nach Angaben aus dem Umfeld zum Dissens. Selbst Kaeser räumte auf hartnäckige Nachfragen ein, bei einem Spin-off seien die Interessenlagen beider Seiten zuweilen „zwangsläufig unterschiedlich“. Wenn jemand etwas nehme, dann habe es der andere nicht mehr. Die Entscheidung, die Führung neu zu besetzen, sei aber „in einem sehr freundschaftlichen Umfeld“ erfolgt.

Viele hatten sich allerdings ohnehin gefragt, ob das gut gehen könne: Der selbstbewusste Michael Sen als Vorstandschef der Siemens Energy mit einem mächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden Joe Kaeser über sich. Zwar hatte Kaeser selbst Sen einst von Eon zurückgeholt, die beiden schätzen sich. Doch wäre die Konstellation nach Einschätzung vieler Insider nicht unproblematisch gewesen. Geblieben ist nun nur einer.

Damit ist jetzt auch die Frage geklärt, was aus Kaeser bei Siemens wird, wenn er nicht mehr CEO ist. Die Konzernjuristen waren zu dem Schluss gekommen, dass bei einem Wechsel auf den Aufsichtsratsvorsitz von Siemens Energy keine zweijährige Abkühlphase notwendig ist.

Allerdings hatte Winfried Mathes von der Deka bei der Hauptversammlung gefordert: „Sollte Herr Kaeser in den Aufsichtsrat der Siemens AG oder der Siemens Energy wechseln, verlangen wir, dass in beiden Fällen eine Cooling-off-Periode von zwei Jahren einzuhalten ist, um möglichen Interessenkonflikten entgegenzuwirken.“

Doch Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe ist überzeugt, dass Kaeser von Beginn an der richtige Aufsichtsratschef ist. „Er wird den Vorstand künftig mit seiner enormen Erfahrung und seinem Wissen unterstützen.“ Am Zeitplan wollen Snabe und Kaeser festhalten: Ende September ist der Spin-off geplant.

Allerdings räumte Kaeser ein, dass die außerordentliche Hauptversammlung unabdingbare Voraussetzung ist. Diese ist für den 9. Juli geplant. „Wenn das geht, gibt es eigentlich keinen Grund, heute Bedenken zu haben, dass Ende September nicht funktioniert.“ Allerdings lässt sich derzeit nicht sagen, ob die Hauptversammlung angesichts der Coronakrise auch stattfinden kann.