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Hitze, Krieg, Ausfuhrsperren - Landwirtschaft in der Globalkrise

(Bloomberg) -- Sengende Hitze setzt der Landwirtschaft von Amerika über Italien bis China zu und gefährdet Ernten, Obstproduktion und Milchwirtschaft. Die Wiederkehr des El-Niño-Wetterphänomens könnte weiteres Ungemach über die Anbauflächen bringen. Zum Extremwetter gesellen sich die Folgen des Kriegs in der globalen Kornkammer Ukraine und eine plötzliche Ausfuhrsperre der globalen Reiskammer Indien.

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Die Risiken für die Nahrungsmittelversorgung spitzen sich weltweit zu. Die Weltmarktpreise spielen verrückt und bergen die Gefahr, dass die Teuerung in den Supermarktregalen der Welt länger anhält — ein neuerlicher Tiefschlag für die Verbraucher, die gerade erst beginnen konnten, auf nachlassende Inflation zu hoffen.

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“Wir alle haben immer noch mit der Inflation zu kämpfen”, sagt Tim Benton, von der Londoner Denkfabrik Chatham House. “Und obwohl die Inflation nachlässt, bedeutet das natürlich nicht, dass die Preise sinken. Es bedeutet nur, dass sie langsamer steigen.”

Die extreme Hitze, die weite Teile Asiens, Europas und Nordamerikas heimsucht, ist nur die jüngste Herausforderung in einem schwierigen Jahr für Landwirte auf der ganzen Welt. Sie hatten das ganze Jahr über mit extremen Witterungsbedingungen zu kämpfen, darunter lang anhaltende Dürren, starke Regenfälle und Überschwemmungen.

Zurzeit ist es in Südeuropa so heiß, dass die Kühe weniger Milch geben und die Getreide- und Tomatenernte verdorben ist. Auch in Deutschland wird eine deutlich unterdurchschnittliche Getreidernte erwartet. “In vielen Landesteilen hat die lange Trockenheit im Mai und Juni deutliche Schäden in den Beständen verursacht”, so der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied.

In Asien sind die Erträge von Chinas Reisfeldern gefährdet, und in den USA herrschten im Juni die schlechtesten Bedingungen für den Anbau von Feldfrüchten seit mehr als drei Jahrzehnten, bevor der Mittlere Westen etwas Regen abbekam. Die Preise für Reis haben kürzlich ein Zweijahreshoch erreicht, da die Importeure ihre Lagerbestände aufgestockt haben.

In Südeuropa gibt es bereits deutliche Anzeichen für nachhaltige Schäden für Obst und Gemüse. In Sizilien etwa weisen einige Tomaten bedrohlich aussehende schwarze Ringe auf, die von der so genannten Blütenendfäule herrühren, bei der extreme Witterungsbedingungen zu einem Kalziummangel der Pflanzen führen.

“Sie sehen aus wie verbrannt”, sagt Paddy Plunkett, Leiter der globalen Beschaffung beim Importeur Natoora, der von einem Erzeuger ein Foto erhalten hatte. “So etwas habe ich noch nie gesehen.”

In Italien werden die witterungsbedingten Schäden in der Landwirtschaft die letztjährigen Verluste in Höhe von 6 Milliarden Euro noch übersteigen, schätzt der Bauernverband Coldiretti. Die Temperaturen haben die Reifung von Weintrauben, Melonen, Aprikosen und Auberginen beschleunigt oder Verbrennungen verursacht. Die Bienenaktivität und die Bestäubung sind beeinträchtigt, die Weizenproduktion ist zurückgegangen, heißt es.

“Dies ist kein normaler heißer Sommer”, sagt Lorenzo Bazzana, Agronom bei Coldiretti. “Es heißt, dass sich die Pflanzen an die Klimaveränderungen anpassen sollen, aber wir sprechen hier von Kulturen, die sich langsam über Tausende von Jahren entwickelt haben und sich nicht an ein Klima anpassen können, das sich so schnell und so dramatisch verändert.”

Jenseits der europäischen Gemüsegärten ist ein seltener Hoffnungsschimmer der, dass der Getreidemarkt — lebensnotwendig für die ärmsten und importabhängigen Länder — dank Rekordernten von Soja und Mais in Brasilien immer noch gut versorgt ist. Russland, der größte Weizenexporteur, erwartet eine weitere Rekordernte.

Doch die Ungewissheiten häufen sich. So schwankte der Weizenpreis im Laufe der Woche als Reaktion auf eine Reihe von Nachrichten von der Krisenregion Schwarzes Meer, über das vor allem ukrainische Exporte verschifft werden. Nach dem Scheitern des Exportabkommens zwischen Ukraine und Russland stieg der Preis, fiel wieder zurück und stieg erneut, als Russland ukrainische Lagereinrichtungen bombardierte. Am Freitag ging er wieder zurück, da die Ukraine versuchte, das Exportabkommen wieder aufleben zu lassen.

Weitere Sorgen bereiten die Maßnahmen Indiens, die Ausfuhren von weißem Nicht-Basmati-Reis zu verbieten, um die Inflation zu dämpfen.

Nach Angaben des Lebensmittelministeriums auf dem Subkontinent sind die Einzelhandelspreise für Reis in Delhi in diesem Jahr um etwa 15% gestiegen, während der landesweite Durchschnittspreis um 9% zugelegt hat. Das Exportverbot könnte auf andere Reissorten ausgeweitet werden, warnen die Landwirtschaftsexperten von Nomura.

Thailand fordert die Landwirte auf, in diesem Jahr nur eine Reispflanzung vorzunehmen, da eine Dürre droht. In China dürften die hohen Temperaturen eine frühe Reifung bewirken, was die Ernteerträge schmälert. Präsident Xi Jinping rief am Donnerstag zu größeren Anstrengungen auf, um die Getreidesicherheit zu gewährleisten, wie das staatliche Fernsehen berichtete.

In Teilen der USA sind ähnliche Belastungen zu verzeichnen.

Zwar haben sich die Niederschlagsmengen nach dem heißen und trockenen Wetter zu Beginn des Jahres verbessert, doch wird erwartet, dass es im Mittleren Westen nächste Woche und bis Anfang August wieder umschlägt, gerade wenn Mais und Sojabohnen kritische Entwicklungsstadien durchlaufen, so Arlan Suderman, Chefökonom für Rohstoffe beim Broker StoneX.

In Europa hat die Dürre dazu geführt, dass die Getreideproduktion in Italien, Spanien und Portugal um bis zu 60% niedriger ausfallen wird als im vergangenen Jahr, was nach Angaben der Agrarlobby Copa Cogeca zur schlechtesten Getreideernte in der EU seit 15 Jahren beiträgt.

Sie bezeichnete die Situation als “äußerst besorgniserregend”.

Überschrift des Artikels im Original:Heat, War and Export Bans: Global Food Threats Are On the Rise

--Mit Hilfe von Megan Durisin, Alessandro Speciale, Michael Hirtzer, Carolynn Look, Aine Quinn, Jasmine Ng, Hallie Gu und Isis Almeida.

©2023 Bloomberg L.P.