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Guttenberg sieht sich im Wirecard-Skandal als Opfer: „Wir wurden alle getäuscht“

Vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss stellt sich Karl-Theodor zu Guttenberg als Opfer des Skandals dar. Den Einsatz der Kanzlerin für das Skandalunternehmen verteidigt der Ex-Minister.

Guttenberg hatte die Bundesregierung über den geplanten Markteintritt von Wirecard in China informiert und diese gebeten, die Pläne wohlwollend zu unterstützen. Foto: dpa
Guttenberg hatte die Bundesregierung über den geplanten Markteintritt von Wirecard in China informiert und diese gebeten, die Pläne wohlwollend zu unterstützen. Foto: dpa

Karl-Theodor zu Guttenberg, dunkler Anzug, hellblaues Hemd, Dreitagebart, ist in Begleitung seines Anwalts Christian Schertz gekommen. Doch kaum haben die zwei Männer den Sitzungssaal des Bundestags-Untersuchungsausschusses betreten, werden sie wieder vor die Tür gebeten.

Erst muss der Untersuchungsausschuss über einen formellen Antrag abstimmen. „Sie tun was Gutes“, sagt der Ausschuss-Vorsitzende Kay Gottschalk (AfD). „Die Fotografen freuen sich und dürfen noch ein paar Aufnahmen schießen.“

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Kurz darauf hat Guttenberg wieder im Sitzungssaal Platz genommen und beginnt seine Aussage mit einer Erklärung. „Hätten wir gewusst, dass das Geschäftsmodell von Wirecard auf Betrug basiert, hätten wir dieses Dax-Unternehmen nicht beraten.“

Einen derartigen Betrug habe man als Geschäftspartner nicht erahnen können. „Wirecard hat uns alle getäuscht. Selbstverständlich sind wir darüber extrem verärgert. Für unsere Beratungsleistung müssen wir uns nicht schämen.“

Mit dem Auftritt von zu Guttenbergs erreichte der Wirecard-Untersuchungsausschuss im Bundestag zum Jahresende nochmal einen Höhepunkt. Auch wenn Guttenbergs Rücktritt als Bundesverteidigungsminister schon neun Jahre zurückliegt, ist der Freiherr, der längst in den USA lebt, in seiner Heimat noch immer ein Star.

Und mit seiner Verwicklung in den Wirecard-Skandal auch zurück in den Schlagzeilen. Guttenberg und seine Beraterfirma Spitzberg Partners unterstützten den Markteintritt des Fin-Techs in den USA und Kanada, vermittelten Partnerschaften in der Industrie.

Guttenberg spielte den Türöffner für Wirecard

Und als Wirecard die Fühler nach China ausstrecken wollte, wies Guttenberg im September 2019 Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf das Unternehmen hin und bat diese, die Pläne wohlwollend zu unterstützen. Woraufhin sich Merkel bei einer China-Reise im September 2019 tatsächlich für Wirecard einsetzte.

Kaum ein Jahr später rutschte Wirecard im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Es ist einer der größten Finanzskandale der Nachkriegszeit.

Wie viele Kleinanleger sieht sich auch Guttenberg als Opfer des Wirecard-Skandals. Diesen Eindruck erweckt er zumindest vor dem Untersuchungsausschuss.

„Dieser Betrug war nicht vorstellbar“

Seine Beratungsfirma Spitzberg Partners sei weder eine Staatsanwaltschaft noch ein Wirtschaftsprüfer, sagte der 49-Jährige. Zu keinem Zeitpunkt habe seine Firma Kenntnis von Bilanzbetrug oder Geldwäsche des ehemaligen Dax-Konzerns gehabt. „Das war einfach nicht vorstellbar.“

Der milliardenschwere Skandal habe ihn vollkommen überrascht. Seine Firma habe ein begrenztes Wissen gehabt und genauso spät wie die Öffentlichkeit von dem Betrug erfahren. Mit dem Wissen von heute hätte er sich nicht für den Zahlungsabwickler eingesetzt, sagt der ehemalige CSU-Politiker.

Aus den gleichen Gründen nimmt Guttenberg im Untersuchungsausschuss auch die Bundesregierung im Skandal um den Bilanzbetrug bei Wirecard in Schutz. Nach damaligem Kenntnisstand sei die Unterstützung von Merkel für das deutsche Fin-Tech richtig gewesen.

Guttenberg sagte, das Thema Wirecard habe in einem persönlichen Gespräch mit Merkel, das über Kontakte in der CSU eingefädelt worden war, vor deren China-Reise nur zwei bis drei Minuten eingenommen. Sie habe gesagt, es könnte hilfreich sein, den geplanten Markteintritt auf höchster Ebene anzusprechen.

Sie habe sich aber nicht festlegen wollen und ihre Fachleute eingeschaltet, so Guttenberg und ergänzte, seine Firma habe nicht eine Million Euro für die Wirecard-Beratung bekommen, sondern über mehrere Jahre nicht mehr als 760.000 Euro.

Mehrere Abgeordnete hatten Guttenberg vorgeworfen, für seine Dienstleistung rund eine Million Euro bekommen zu haben. Er sei sofort nach seinem Rückzug aus der Bundespolitik Lobbyist geworden und habe sein „Telefonbuch vergoldet“, kritisierte Fabio De Masi von den Linken. „Das sagt alles. Ich finde das hochproblematisch.“

Merkel mied Treffen mit Wirecard-Chef Braun

Danyal Bayaz von den Grünen ergänzte, es gebe viele Ungereimtheiten, die das Werben der Bundesregierung problematisch machten: „Der Zeitpunkt, wo sich ja schon die Vorwürfe gegen Wirecard quasi stapelten, das ist das Brisante.“ So hatte die „Financial Times“ zu der Zeit von Merkels Reise längst über mögliche Bilanzunregelmäßigkeiten berichtet.

Ein Beamter hatte angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe deshalb der Kanzlerin davon abgeraten, sich vor der Reise persönlich mit dem damaligen Wirecard-Chef Markus Braun zu treffen. Linkspartei-Politiker De Masi sagte, für Merkel wäre es normal gewesen, sich mit dem Chef eines Dax-Konzerns zu treffen. Sie habe dies aber wegen einer internen Warnung nicht gemacht.

Laut FDP-Finanzexperte Florian Toncar hat Wirecard zahlreiche Firmen im Ausland übernommen, um Scheingeschäfte zu verschleiern. So sei auch die Expansion in China Teil der Strategie gewesen, um Investoren zu täuschen. „Herr Guttenberg ist eine Schlüsselfigur“, so Toncar.

Wirecards Arbeitsweise wirkte „gründlich“

Der chinesische Markt sei stark abgeschottet, ein erfolgreicher Eintritt daher sehr lukrativ und nur mit staatlicher Unterstützung denkbar, verteidigt sich Guttenberg.

Hätte er Wirecard nicht voll vertraut, hätte er das Unternehmen bei dem Treffen aber nie angesprochen. Sein Verhältnis zur Kanzlerin würde er „niemals für einen Klienten aufs Spiel setzen“.

Natürlich habe man Wirecard mit den Vorwürfen aus den Medien konfrontiert, diese seien aber stets plausibel zurückgewiesen worden, so Guttenberg. „Wirecards gründlich wirkende Art und Weise“ habe Spitzberg Partners nicht an der Glaubwürdigkeit des Unternehmens zweifeln lassen. Im Nachhinein klinge Vieles wie bittere Ironie.

Guttenberg traf sich auch mit Braun, der inzwischen in Untersuchungshaft sitzt. Die vier Zusammentreffen seien recht bizarr gewesen. Das erste Gespräch beschreibt Guttenberg als „entrückt“. Aus dem Nichts habe der frühere Wirecard-CEO ihm das Du angeboten.

„Was für ein seltsames, nicht unsympathisches, aber ungewöhnliches Gespräch“, so Guttenberg.Zum letzten Mal sah Guttenberg den Wirecard-Chef Anfang Juni dieses Jahres, als das Unternehmen bereits schwer unter Druck stand. Er sei auf einen „komplett gut gelaunten CEO“ getroffen, berichtet er. Braun habe einen „unerschütterlichen Optimismus“ ausgestrahlt. „Ich habe mir oft die Frage gestellt: Waren wir zu gutgläubig? Nein, wir wurden arglistig getäuscht.“