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Unser Gesundheitssystem und unsere Gesellschaft können nur funktionieren, wenn wir die Talente aller Mitglieder dieses Landes nutzen

Arzt und Unternehmer Zakariya Ali sagt, die Art, wie über Einwanderer gesprochen wird, müsse sich in Deutschland zum Positiven wenden. Ansonsten würden noch mehr Fachkräfte abwandern und die Gesundheitsversorgung gefährdet. - Copyright: privat
Arzt und Unternehmer Zakariya Ali sagt, die Art, wie über Einwanderer gesprochen wird, müsse sich in Deutschland zum Positiven wenden. Ansonsten würden noch mehr Fachkräfte abwandern und die Gesundheitsversorgung gefährdet. - Copyright: privat

„Sie sind anders, Herr Dr. Ali – Sie sind nicht wie die anderen.“ Diese Worte habe ich in unterschiedlicher Form öfter in Diskussionen über Einwanderer und Geflüchtete gesagt bekommen. Worte, die im ersten Moment schmeichelhaft erscheinen mögen. Sie legen aber in Wahrheit etwas offen, das sehr verbreitet ist, nämlich dass Menschen in Schubladen gesteckt werden. Nicht nur, dass meine Eltern selbst Einwanderungsgeschichte haben und ich als Kind zweier Iraker eben genau mit diesen Stereotypen konfrontiert war. "Sie sind anders", dieser Satz ignoriert eine grundlegende Wahrheit: Außerhalb der Klinik ohne weißen Kittel werde ich genauso gelesen und behandelt wie die "anderen".

Die bevorstehenden Jahre werden eine entscheidende Phase für Deutschland. Bis 2036 werden schätzungsweise bis zu 13 Millionen Menschen, vorwiegend aus der Babyboomer-Generation, in Rente gehen. Das wird einen erheblichen Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben, das gilt insbesondere für das Gesundheitssystem. Ein Drittel der Fachkräfte in diesem Bereich könnte fehlen – ein Umstand, der die Qualität unserer Gesundheitsversorgung gefährdet. Diese Entwicklung macht deutlich: Wir brauchen nicht nur qualifizierte Einwanderung. Wir benötigen sie in einem viel größeren Umfang als bisher notwendig, denn der Fachkräftemangel wird künftig noch größer.

Der demografische Wandel und die zunehmende Globalisierung stellen Deutschland vor eine entscheidende Frage: Wie bleibt das Land attraktiv für qualifizierte Arbeitskräfte – gerade im Gesundheitssystem, einem Bereich, in dem fast ein Viertel der Beschäftigten, also knapp 940.000 von etwa vier Millionen einen Migrationshintergrund haben? Noch bedeutsamer: 16 Prozent der Ärzte, also ein signifikanter Teil der 400.000 in Deutschland tätigen Mediziner, sind direkte Einwanderer aus dem Nahen und Mittleren Osten. Diese Zahlen verdeutlichen, wie sehr das deutsche Gesundheitssystem auf die Kompetenzen und das Engagement von Menschen aus aller Welt angewiesen ist.

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Diese Erkenntnisse aus dem Jahresgutachten 2022 des Sachverständigenrats für Integration und Migration unterstreichen: Es ist wichtig, qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen und zu halten. Doch trotz dieser offensichtlichen Notwendigkeit stoßen viele meiner Kolleginnen und Kollegen mit Migrationsgeschichte auf Ablehnung – sei es wegen fehlender Deutschkenntnisse, des "anderen" Aussehens oder kultureller Unterschiede. Diese Hürden sind nicht nur real, sie sind auch kontraproduktiv.

Wenn sogar Deutsche ohne Migrationshintergrund aus wirtschaftlichen Gründen auswandern, warum sollten dann ausgerechnet Menschen mit Migrationshintergrund dieses Land tragen? Schließlich sind sie in unserem Land gesellschaftlich schlechter gestellt und werden offen in politischen Diskursen abgewertet. In meinem Freundeskreis ist daher die Frage mittlerweile nicht mehr, ob man auswandern sollte, sondern wohin.

Wir müssen uns deshalb von alten Vorurteilen lösen und die Realität anerkennen: Die Stärke unseres Landes liegt in seiner Vielfalt. Das deutsche Gesundheitssystem, wie auch die Gesellschaft als Ganzes, können nur dann funktionieren, wenn wir die Talente und die Leidenschaft aller ihrer Mitglieder nutzen – unabhängig von ihrer Herkunft.

Doch die Schlagzeilen der letzten Wochen und Monate haben das Ansehen von Deutschland in der Welt nicht gerade gefördert. Unsere Position als ein Land, das bisher für seine Offenheit, sein Wirtschaftswachstum und seine sozialen Werte bekannt war, wird immer mehr infrage gestellt. Das macht es auch schwieriger, die qualifizierten Fachkräfte anzuziehen, die wir so dringend benötigen.

Es ist an uns allen, gemeinsam an einer offenen, inklusiven und starken Gesellschaft zu arbeiten. Wir müssen die Diskussion über Einwanderung und Integration neu gestalten, weg von der negativen Rhetorik, hin zu einer positiven Vision, die die wahren Vorteile und die Notwendigkeit von Einwanderung anerkennt. Nur so können wir sicherstellen, dass Deutschland auch in Zukunft ein Land ist, in dem jeder die Chance hat, seinen Beitrag zu leisten und in dem jeder willkommen ist. Es muss klar sein: Die Frage ist nicht, ob wir Einwanderung brauchen, sondern wie wir sie am besten gestalten und nutzen können.

Zakariya Ali hat an der Charité Medizin studiert, an der LMU promoviert und seinen MBA an der WHU - Otto Beisheim School of Management absolviert. Als Facharzt für Radiologie und Digitalisierungsexperte, hat er es sich zum Ziel gesetzt, durch digitale Lösungen das Gesundheitswesen effizienter und patientenorientierter zu gestalten. Ali ist Mitglied im MPower-Netzwerk von Business Insider.