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Wirecard-Skandal: EU-Finanzaufsicht nimmt Rolle der Bafin unter die Lupe

Die europäische Finanzaufsicht Esma hat bereits 2017 Mängel im deutschen Kontrollsystem angeprangert. Nun will sie ein Gutachten zum Fall Wirecard erstellen.

Die europäische Finanzaufsicht Esma will die Rolle der deutschen Aufsichtsbehörden im Wirecard-Skandal kritisch hinterfragen. Die in Paris angesiedelte Behörde werde dazu bis zum 30. Oktober ein Gutachten erstellten, kündigte die Esma am Mittwoch an.

Sie will beleuchten, welche aufsichtlichen Maßnahmen die Finanzaufsicht Bafin und die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) im Vorfeld der Wirecard-Pleite mit Blick auf die Finanzberichterstattung ergriffen haben. Ein von der Bafin 2019 verhängtes Leerverkaufsverbot von Wirecard-Aktien ist dagegen nicht Teil der Überprüfung.

„Eine hohe Qualität in der Finanzberichterstattung ist entscheidend, damit Investoren Vertrauen in die Kapitalmärkte haben“, erklärte die Esma. „Der Kollaps von Wirecard hat dieses Vertrauen geschwächt. Deshalb ist es notwendig, die Vorgänge auszuwerten, um zu helfen, das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen.“

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Bei ihrer Untersuchung prüft die Esma, ob Bafin und DPR sich im Wirecard-Fall an EU-Richtlinien zur Kontrolle von transparenter Finanzberichterstattung gehalten haben. Die Esma hat daran offenbar Zweifel. Denn sie veröffentlichte parallel auch bisher als vertraulich eingestufte Dokumente, die belegen, dass die Esma bereits 2017 auf Schwächen im deutschen Kontrollsystem hingewiesen hat.

Die Esma kritisierte dabei unter anderem die Herangehensweise von DPR und Bafin sowie die Zusammenarbeit beider Institutionen. Die Bafin verfolge bei Bilanzierungsthemen häufig einen „legalistischen Ansatz“ und habe höhere Hürden als andere Behörden, schreibt die Esma. Deshalb schrecke die Bafin möglicherweise davor zurück, Fehler anzuprangern, „wenn das Risiko besteht, dass ein Gericht anders entscheiden könnte“.

Bankenverband verteidigt Bafin

Wirecard hatte im Juni eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten verbucht hatte, sehr wahrscheinlich nicht existieren. Inzwischen hat der Dax-Konzern Insolvenz angemeldet.

Den Aufsichtsbehörden waren die Unregelmäßigkeiten jahrelang nicht aufgefallen. In Deutschland untersucht bisher in einer ersten Stufe die DPR Verdachtsfälle, erst in der zweiten Stufe wird die Bafin aktiv. Da dieses Modell im Wirecard-Skandal nicht funktionierte, hat die Bundesregierung den Vertrag mit der DPR gekündigt. Finanzminister Olaf Scholz hat zudem angekündigt, die Bafin aufzurüsten.

Der Privatbankenverband BdB findet das richtig. Bei der Wirecard-Gruppe seien die Zugriffsmöglichkeiten der Bafin „sehr beschränkt“ gewesen, da die Behörde nur die Wirecard Bank direkt beaufsichtigte, sagt BdB-Hauptgeschäftsführer Christian Ossig.

Aus Sicht von Gerhard Schick, dem Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, sollten international tätige Zahlungsdienstleister künftig - wie Großbanken - von europäischen Behörden kontrolliert werden. „Ein Aufseher, der mit unterschiedlichen Unternehmen dieser Größenordnung zu tun hat, hätte vermutlich früher gemerkt, dass bei Wirecard etwas nicht stimmen kann – etwa die hohen Margen oder der Umstand, dass Wirecard im Ausland so stark auf Treuhänder zurückgriff“, sagt Schick.

Auch der BdB ist offen für eine europäische Aufsicht von komplexen Zahlungsdienstleistern, nicht jedoch von kleinen, national tätigen Nischenanbietern. Insgesamt hat Hauptgeschäftsführer Ossig den Eindruck, dass die Bafin gerade im Vergleich zu Aufsichtsbehörden in anderen europäischen Ländern einen guten Job macht. „Die Bafin ist in keiner Weise so schlecht, wie sie im Moment von dem einen oder anderen Kommentator dargestellt wird.“

Esma unterstützte Leerverkaufsverbot

Die EU-Kommission hatte die Esma Ende Juni aufgefordert, den Wirecard-Skandal und mögliche Versäumnisse der deutschen Aufsichtsbehörden zu untersuchen. Nach der Fertigstellung ihres Gutachtens will die Esma Empfehlungen für Verbesserungen unterbreiten.

Pikant an der Prüfung ist, dass die Esma selbst im Februar 2019 ein von der Bafin verhängtes Leerverkaufsverbot von Wirecard-Aktien unterstützt hat. Diese Notfallmaßnahme sei „zweckmäßig, notwendig und verhältnismäßig, um auf die bestehende Bedrohung des Marktvertrauens in Deutschland zu reagieren“, erklärte die Esma damals.

Viele Experten haben deshalb Zweifel, ob die Esma die richtige Institution ist, um die Arbeit der Bafin zu überprüfen. „Die Esma muss im Alltag mit Behörden wie der Bafin auch kooperieren, so dass gewisse Abhängigkeitsverhältnisse herrschen“, betont Finanzwende-Vorstand Schick. „Eine Untersuchung durch eine unabhängigere Behörde wie den Rechnungshof hätte ich sinnvoller gefunden.“

Bafin-Chef Felix Hufeld hat Versäumnisse seine Behörde im Wirecard-Skandal eingeräumt. „Viele private und öffentliche Institutionen, inklusive meiner eigenen, waren nicht effektiv genug, um so etwas zu verhindern“, sagte er Mitte Juni.

Intensiv diskutiert wird seitdem darüber, warum die Bafin Wirecard nicht als Zahlungsdienstleister eingestuft hat, sondern als Technologieunternehmen. Dies führte nämlich dazu, dass die Bafin Wirecard weniger streng kontrollieren konnte. Direkten Zugriff hatte die Behörde bis zuletzt lediglich auf die Tochter Wirecard Bank.

Diese hat die Bafin in den vergangenen Jahren in mehreren Sonderprüfungen intensiv durchleuchtet. Das geht aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Finanzexperten Danyal Bayaz hervor. Im Sommer 2017 überprüfte die Bafin das Risikomanagement im Kreditgeschäft. Im Geldwäschebereich gab es 2010 eine Sonderprüfung inklusive einer Nachprüfung im Jahr darauf sowie eine weitere Sonderprüfung im Jahr 2019.

Die Sonderprüfungen der Jahre 2017 und 2019 waren bislang noch nicht bekannt. Laut dem Branchendienst „Finanz-Szene“, der zuerst darüber berichtet hatte, erwähnte Bafin-Chef Hufeld diese Sonderprüfungen bei seinem letzten Auftritt vor dem Finanzausschuss des Bundestags nicht. Aus Sicht von Schick zeigt dies, „dass man sich bei der Aufklärung des Wirecard-Skandals auf die derzeitige Spitze der Bafin nicht verlassen kann“.

Finanzkreisen zufolge handelte es sich bei den Untersuchungen 2017 und 2019 allerdings nicht um „anlassbezogene“ Prüfungen, bei denen die Bafin gezielt Hinweisen über Missstände nachgeht, sondern um routinemäßige Untersuchungen. Gravierende Missstände deckten die Kontrolleure dabei nicht auf. „Es handelte sich um Prüfungen ohne besonders schwerwiegende Feststellungen“, sagte eine Bafin-Sprecherin.