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„Digitalisierung der Bahn findet noch nicht statt“ – Experten kritisieren mangelnde Forschungsförderung

Der Bund setzt zwar auf die Bahn als umweltfreundliches Verkehrsmittel. Doch mit dem nächsten Etat fördert er vor allem die Zukunft von Auto und Lkw.

Der Bundesverkehrsminister will ein „Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft“ mit Sitz in München gründen. Foto: dpa
Der Bundesverkehrsminister will ein „Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft“ mit Sitz in München gründen. Foto: dpa

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat Großes vor. „Den Transformationsprozess der Automobilzulieferindustrie“ will er vorantreiben und ein „Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft“ gründen. Dort soll „die Mobilität von morgen neu gedacht und entwickelt“ werden. Sitz: München.

Ein konkretes Konzept fehlt zwar noch, doch hat der Minister bereits 40 Millionen Euro für den Haushalt 2021 beantragt. Kommenden Donnerstag sollen die Haushaltspolitiker in der Bereinigungssitzung grünes Licht geben. Ab 2023 sollen sogar jährlich 100 Millionen fließen.

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Das Verkehrsministerium spricht von synthetischen Kraftstoffen, innovativen Logistik- und digitalen Mobilitätskonzepten, CO2-neutralem Fliegen oder Künstlicher Intelligenz. „Auch die Gründung neuer Unternehmen soll unterstützt werden“, erklärt das Scheuer-Haus. Kritiker außerhalb Bayerns will der Minister mit „Satellitenstandorten“ besänftigen und hat vorsorglich schon ein erstes „Technologie- und Innovationszentrum Wasserstofftechnologie für Mobilitätsanwendungen“ ausgerufen.

Kein Zweifel: Die Autozulieferindustrie steckt in der Krise. Laut Branchenverband VDA spielen gut 40 Prozent der Unternehmen bei der Produktion von Elektroautos keine Rolle und brauchen Hilfe beim Wandel. Milliarden hat die Regierung im Konjunkturpaket und zuletzt beim Autogipfel freigegeben.

Doch gibt es Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Vorhabens. FDP, Grüne und Linke sind unisono gegen das Projekt. „Anstatt ein neues Forschungszentrum aus dem Boden zu stampfen, sollte der Minister prüfen, die bestehenden Forschungseinrichtungen des Bundes finanziell stärker zu fördern“, fordert etwa der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sven-Christian Kindler. FDP-Haushälter Christoph Meyer hatte eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung gefordert – vergeblich.

In der Tat unterhält der Bund schon etliche Forschungseinrichtungen, die sich mit Mobilität auseinandersetzen und für die er pro Jahr eine halbe Milliarde Euro bereithält. Da gibt es zuvorderst das Zentrum für Luft- und Raumfahrt oder auch ein Schienenverkehrsforschungszentrum. Die Bahn soll angesichts des Klimawandels laut Koalitionsvertrag von Union und SPD zentrales Verkehrsmittel werden und bis 2030 doppelt so viele Menschen befördern wie bisher und deutlich mehr Güter. Das System Schiene könnte laut Scheuer „Verkehrsträger Nummer eins“ werden.

Das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung ließ Scheuer 2019 in Dresden gründen, auch das eine Denkfabrik, wie er sagt. Das Budget ist im Vergleich zum geplanten Zentrum in München bescheiden: 18 Millionen Euro sollen laut Haushaltsentwurf rund 30 Mitarbeiter im nächsten Jahr verwalten. Damit lassen sich keine langfristigen Forschungsprojekte anstoßen, kritisieren Branchenkenner.

„Damit sich der Schienengüterverkehr zu einer attraktiveren Alternative in der Logistikkette entwickeln kann, bedarf es sicher weiterer, vor allem technischer Forschung“, rät Niels Beuck, Geschäftsführer beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). Der Schienensektor habe im Vergleich zur Straße seit Langem das Nachsehen. „Die Innovationszyklen sind im Vergleich drei- bis viermal länger, die Kosten für die Entwicklung und Markteinführung neuer Technologien dadurch überproportional hoch“, sagt Beuck.

Bahnindustrie forscht für 710 Millionen Euro

Die Bahnindustrie selbst hat nach Angaben ihres Branchenverbands für 710 Millionen Euro (2019) geforscht, davon war eine viertel Milliarde Euro auftragsbezogen. Zum Vergleich: Autobauer wie BMW, Daimler und Volkswagen und Zulieferer wie Bosch und Continental oder Schaeffler haben hierzulande laut VDA 27,1 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung (Stand: 2018) investiert. Bald schon könnten Lkws elektrisch, vernetzt und klimaneutral fahren. „Der Nachhaltigkeitsvorsprung der Schiene wird in Zukunft deutlich abschmelzen“, prognostiziert DSLV-Geschäftsführer Beuck.

Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, warnt, das Münchener Zentrum für Mobilität dürfe kein „Zentrum für Straßenverkehr“ werden. „Im Mittelpunkt müssen Innovationen stehen, die dem Klimaschutz dienen.“ Flege fordert, zuerst den Etat für das Zentrum für Schienenverkehrsforschung „deutlich aufzustocken“. Nötig sei „eine leistungsfähige Forschung im Schienensektor, um mit Innovationen den klimafreundlichen Verkehrsträger Bahn zu stärken“.

„Wir brauchen Mittel für die Forschung und Unterstützung bei der Markteinführung“, fordert Sarah Stark, Leiterin der Bereiche Bahntechnologie und Schienenverkehr beim Deutschen Verkehrsforum. In vielen Fragen gehe es darum, Standards zu entwickeln und Schnittstellen zu definieren.

Der Schienenverkehr braucht Impulse

„Die Digitalisierung bei der Bahn findet noch überhaupt nicht statt“, kritisiert Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin. Das System Schiene sei seit 30 Jahren „stiefmütterlich behandelt“ worden, resümiert der ehemalige Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG. Es gebe in der Branche „keine Dynamik“. Dringend nötig sei „ein neues Ökosystem“.

In der Tat konzentriert sich der Bund seit Langem auf die Zukunft des Straßenverkehrs, anstatt die Aufholjagd für das System Schiene zu eröffnen. Von 2007 bis 2017 etwa unterstützte der Bund Forschung und Entwicklung in der Automobilindustrie mit gut einer Milliarde Euro, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Linken hervorgeht. Gut 200 Millionen Euro davon flossen direkt aus dem Etat des Verkehrsministers. Hersteller und Zulieferbetriebe für Schienenfahrzeuge erhielten in der gleichen Zeit aus dem Verkehrsetat 16,4 Millionen Euro.

Im Etat 2021 ist zumindest auch ein „Bundesprogramm Zukunft Schienengüterverkehr“ mit 30 Millionen Euro vorgesehen. Damit werde „die Investitionstätigkeit auch in konjunkturell schwierigen Zeiten angereizt“, erklärt das Ministerium. Mit dem Geld sollen Forschungsprojekte zur Hälfte unterstützt werden. Die andere Hälfte soll die Bahnindustrie aufbringen.