Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.161,01
    +243,73 (+1,36%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.006,85
    +67,84 (+1,37%)
     
  • Dow Jones 30

    38.321,77
    +235,97 (+0,62%)
     
  • Gold

    2.350,50
    +8,00 (+0,34%)
     
  • EUR/USD

    1,0696
    -0,0037 (-0,34%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.863,38
    -639,40 (-1,06%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.330,16
    -66,37 (-4,58%)
     
  • Öl (Brent)

    83,86
    +0,29 (+0,35%)
     
  • MDAX

    26.175,48
    +132,30 (+0,51%)
     
  • TecDAX

    3.322,49
    +55,73 (+1,71%)
     
  • SDAX

    14.256,34
    +260,57 (+1,86%)
     
  • Nikkei 225

    37.934,76
    +306,28 (+0,81%)
     
  • FTSE 100

    8.139,83
    +60,97 (+0,75%)
     
  • CAC 40

    8.088,24
    +71,59 (+0,89%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.960,75
    +348,99 (+2,24%)
     

Wenn sich der digitale Berater um die eigenen Finanzen kümmert

Banken, Tech-Konzerne und Start-ups wollen Kunden helfen, Konto, Depot und Versicherungen digital zu organisieren. Was hinter dem Trend steckt.

Die eigenen Finanzen zu organisieren wird für Verbraucher immer komplizierter. Die Zeiten, als sie bloß ein gut verzinstes Sparkonto und eine Lebensversicherung brauchten, sind vorbei. Heute geht es darum, Konten, Versicherungen, Kredite und möglicherweise Fonds gleichzeitig im Blick zu behalten. Dabei wird die Liste der Vertragspartner immer länger, die Hausbank ist nur noch einer von vielen.

Und genau das macht die Branche nervös. Denn es geht um die entscheidende Frage, wer auf Dauer den Kontakt zum Kunden hält – und ihm sozusagen ein „finanzielles Zuhause“ bietet. Es geht um die Macht von Daten und die Hoheit darüber. Der Wettbewerb ist in vollem Gange.

Die Idee ist einfach: Die Kunden sollen all ihre Finanzprodukte an einem Ort bündeln und dazu beraten werden. Allerdings ist auch klar, dass sie nur ein einziges Zuhause brauchen. Haben die Kunden das gefunden – und all ihre Finanzinformationen dort hinterlegt –, wird es schwierig, sie zu einem Umzug zu bewegen. Vielleicht noch wichtiger: Wer das Zuhause bereitstellt, kann entscheiden, welche anderen Finanzdienstleister Zugang zu den Kunden erhalten. Das setzt die Institute unter Druck.

WERBUNG

Im Grunde klingt das Konzept wie eine Renaissance der Hausbank, aber es ist viel mehr als das, wie Ella Rabener erklärt, Partnerin und Geschäftsführerin bei BCG Digital Ventures: „Es geht darum, den Kunden einen wirklich allumfassenden Überblick zu ihrer finanziellen Situation zu geben, angefangen bei einer Bewertung der vorhandenen Bank- und Versicherungsprodukte, der Rentenansprüche sowie der Sachwerte, über eine Analyse der persönlichen Lebensziele bis hin zu konkreten Handlungs- und Produktempfehlungen für einzelne Szenarien“, sagt Rabener.

„Im Idealfall sollten die Kunden ein digitales Tool erhalten, mit dem sie ihre finanzielle Situation verstehen, selbst planen und bei Bedarf einen Berater hinzuziehen können. Allerdings ist das momentan teils noch Zukunftsmusik, denn automatisiert lassen sich noch nicht alle Daten erfassen und laufend in Echtzeit aktualisieren.“

Nach Ansicht von Thomas Heinatz, Leiter des Bereichs Kapitalmärkte für Deutschland und Österreich bei der Beratung Accenture, haben die großen Banken den Trend jedoch längst erkannt. „Es geht darum, einen One-Stop-Shop zu schaffen, wo die Kunden rundum versorgt werden.“ Momentan stünden die meisten Angebote noch am Anfang und deckten längst nicht das komplette finanzielle Leben ab, doch die Institute machten Fortschritte.

Rückkehr der Bancassurance

So baut etwa die Deutsche Bank ihre Online- und Mobile-Plattform stetig aus. Gerade gab das Institut bekannt, dass sein digitaler Versicherungsmanager – entstanden in Kooperation mit dem Versicherungs-Start-up Friendsurance – nun allen Kunden über die Smartphone-App der Bank und das Online-Banking bereitstehe. Laut Philipp Gossow, Leiter des Privatkundengeschäfts der Marke Deutsche Bank in Deutschland, ist damit der Glaube an die „Rückkehr der Bancassurance durch die Digitalisierung“ verbunden – also die Verknüpfung von Bank- und Versicherungsangeboten. Ähnliches bieten Banken auch schon in Kooperationen mit Start-ups wie Clark oder Moneymeets.

Als Basisangebot für einen Finanzüberblick gelten zudem Multibanking-Tools, die das Einbinden externer Konten ermöglichen. Auch dies bietet die App der Deutschen Bank. Für eine umfassende Finanzübersicht müssen sich Kunden und Interessenten jedoch auf der Bank-Website durch den sogenannten „Finanzcheck“ klicken oder diesen in der Filiale mit einem Berater durchlaufen. Im Ergebnis erhalten sie eine individuelle Finanzübersicht und Hinweise für Verbesserungen ihrer Finanzanlagen und ihrer Absicherung. Auch über die digitalen Kanäle können sie bei Bedarf einen Termin mit einem Bankberater vereinbaren.

„Wenn es um eine umfassende Finanzanalyse geht, setzen wir auf den persönlichen Kontakt, entweder in der Filiale, telefonisch oder per Video“, erklärt Knut Straeter, Leiter Vertriebsmanagement Deutschland für die Privatkunden der Deutschen Bank. Künftig sollen allerdings „alle unsere Produkte voll digital abschlussfähig sein“, so Straeter. Das Projekt Yunar, eine App, die den Nutzern Vergünstigungen bei alltäglichen Einkäufen bieten sollte, hat die Bank indes komplett eingestellt.

Auch die Erste Group mit Hauptsitz in Österreich hat die „finanzielle Gesundheit“ ihrer Kunden im vergangenen Jahr zu ihrem Leitbild gemacht. Laut Birte Quitt, Leiterin der Privatkundenstrategie, gab es eine umfassende Beratung früher nur für sehr vermögende Kunden, nun solle sie allen zur Verfügung stehen. „Zunächst bieten wir die Beratung in unseren Filialen an, werden sie aber zunehmend auch digital über unsere Banking-Plattform George umsetzen“, erklärt Quitt. Neben einer Analyse der Einnahmen und Ausgaben gehe es auch um die Planung persönlicher Ziele und die finanzielle Absicherung fürs Alter. Bei den Empfehlungen werde auf Angebote wie einen bankeigenen Robo-Advisor verwiesen.

Traditionelle Banken sind jedoch nicht die einzigen Anbieter eines „finanziellen Zuhauses“. Auch den großen Tech-Konzernen wie Google und Amazon wird schon lange ein Interesse unterstellt. Zudem buhlen etliche Fintechs wie Finanzguru, Outbank und Finanzblick mit ihren Smartphone-Apps um die Gunst der Verbraucher. Auch Vermögensverwalter bringen sich in Stellung. Finanzdienstleister werden von Start-ups wie Wealthpilot unterstützt. Das junge Unternehmen hat sich auf die automatisierte Aggregation, Analyse und Planung sämtlicher liquider und illiquider Vermögenswerte sowie Kredite spezialisiert. „Dabei spalten wir auch einzelne Anlageprodukte wie ETFs auf und können so etwa Klumpenrisiken offenlegen“, sagt Co-Gründer Stephan Schug. Das erspare seinen Kunden – zu denen auch schon mehrere Banken gehören – viel Arbeit und biete den Endkunden eine transparente Finanzübersicht.

Versicherer auf dem Vormarsch

Und dann sind da noch die Versicherungskonzerne. Für sie ist eine umfassende Finanzplattform eine Chance, häufiger mit ihren Kunden in Kontakt zu treten, als das allein über Versicherungsprodukte möglich ist. Als besonders ausgereift gilt unter Marktbeobachtern die Finanz-App Heymoney von Iconic Finance, einem Tochterunternehmen der Allianz. Aktuell ist diese nur mit persönlicher Einladung eines Allianz-Beraters zugänglich. Doch eine Öffnung für jedermann ist geplant. Nutzer sollen damit ihre Konten, Verträge und Versicherungen verwalten und Ausgaben optimieren können. Das Projekt hat auch andere Finanzinstitute aufgerüttelt.

Damit diese ein solches Angebot nicht selbst entwickeln müssen, stehen Dienstleister mit sogenannten Whitelabel-Lösungen bereit. Sie bieten quasi das „finanzielle Zuhause“ von der Stange. Einer davon ist Finhome, das zur Unternehmensgruppe Finconomy gehört. Auch Start-ups wie Finleap Connect, FinAPI und Fintecsystems unterstützen Institute bei eigenen Entwicklungen. Finconomy-Gründer Reinhard Tahedl berichtet von einem „regelrechten Push“ durch die Ankündigung der Heymoney-App. Sein früheres „Financial Home“-Start-up Treefin hatte er schon 2017 an die W- & -W-Gruppe verkauft. Auch dem Versicherer Alte Leipziger hat er eine ähnliche Lösung bereitgestellt. Finhome soll in diesem Jahr noch bei einem Vermögensverwalter und einem Finanzvertrieb eingesetzt werden.

Unterstützt wird der Trend durch die zweite EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2. Demnach müssen Banken sogenannten Drittanbietern Zugriff auf die Kontodaten ihrer Kunden gewähren – sofern die Kunden dies wünschen und die Unternehmen von der Finanzaufsicht reguliert werden. Aus den Transaktionsdaten können die Firmen umfangreiche Informationen ziehen. Je mehr Verbraucher online und per Karte bezahlen, desto detaillierter wird das Bild. Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzen beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzvb), warnt deshalb: „Verbraucher sollten immer überlegen, ob der versprochene Nutzen in einer guten Relation zur Menge der preisgegebenen Daten steht und prüfen, ob der Anbieter seriös ist. Schließlich stecken in den Transaktionsdaten sehr sensible Informationen.“

Noch scheint auch die Mehrheit der potenziellen Kunden skeptisch zu sein. So zeigte jüngst eine Umfrage der Unternehmensberatung PwC Strategy & , dass in Deutschland nur vier Prozent der Befragten ihre Bankdaten teilen, um dadurch Vorteile zu erlangen. Am ehesten kann man sie demnach mit Shopping-Rabatten und einer einfacheren Steuererklärung locken. Studienautor und Zahlungsverkehrsexperte Andreas Pratz sagt: „Eine bloße Kontoaggregation stößt nur begrenzt auf Interesse. Um erfolgreich zu sein, müssen Finanz-Apps neben einer Finanzübersicht unmittelbare finanzielle Vorteile bieten.“

Analysen befeuern den Vertrieb

Das wollen auch die „Financial Homes“ tun. Die Software von Finhome zum Beispiel prüft mithilfe des Schwesterunternehmens Banksapi die Transaktionsdaten auf sogenannte lebensverändernde Ereignisse. „Das können beispielsweise eine Gehaltserhöhung, der Eingang von Kindergeld oder neue Mietzahlungen sein“, so Tahedl. „Der Finanzdienstleister, der das Financial Home bereitstellt, kann bei diesen Ereignissen neue Anlageprodukte vorschlagen, eine Risikolebensversicherung anbieten oder eine Prüfung der Hausratversicherung anregen, das eröffnet zusätzliche Vertriebschancen.“

Wer als Kunde solche Angebote erhält, sollte sich also nichts vormachen: Auch wenn die Anbieter die Vorteile für die Verbraucher betonen, stehen dahinter letztlich handfeste Vertriebsinteressen. Darauf weist auch Verbraucherschützerin Mohn hin. „Wenn Versorgungslücken aufgezeigt werden, geht es immer auch darum, Produkte zu verkaufen.“

Beraterin Rabener hält es deshalb für wichtig, dass eine digitale Financial-Home-Lösung auch Selbstentscheidern angeboten wird. „Ideal wäre ein hybrides Tool, das sowohl eigene Analysen als auch eine Betreuung durch Berater ermöglicht“, erklärt sie. Ob die Kunden für diesen Service bezahlen würden, ist fraglich. Zur ersehnten Kundenbindung könnte er aber allemal beitragen.