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Anstieg der Infektionszahlen: Konzerne verschärfen Verbote für ihre Mitarbeiter

Die innerdeutschen Beherbergungsverbote betreffen Dienstreisen nur selten. Trotzdem ändern Firmen wie VW, Metro oder Knorr-Bremse die Regelungen für ihre Angestellten deutlich.

Mitarbeiter von Volkswagen, die aus innerdeutschen Risikogebieten stammen, dürfen die Werke nicht mehr betreten – wenn sie mit dem ÖPNV anreisen. Foto: dpa
Mitarbeiter von Volkswagen, die aus innerdeutschen Risikogebieten stammen, dürfen die Werke nicht mehr betreten – wenn sie mit dem ÖPNV anreisen. Foto: dpa

Das innerdeutsche Reisechaos, befeuert durch regionale Beherbergungsverbote und undurchsichtige Quarantänevorschriften, weiß zumindest ein deutscher Dax-Konzern zu nutzen: Volkswagen in der Wolfsburger Zentrale – und zwar für die versteckte Eigenwerbung. Mitarbeiter, deren Wohnorte in den vergangenen sieben Tagen mehr als 100 Corona-Ansteckungen je 100.000 Einwohner zählten, so entschied VW, dürfen nicht mehr die eigenen Werke betreten. Es sei denn: Sie kommen mit dem Auto.

Angestellte wiederum dürfen in derart belasteten Städten und Landkreisen ihren Wagen nur noch verlassen, wenn sich das Fahrzeug auf einem Werksgelände der eigenen Firma befindet. Abstecher zum Bäcker oder Kiosk sind tabu – und werden durch den Fahrtenschreiber kontrolliert.

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Die Ausweisung von mehr als 30 deutschen Städten und Landkreisen als Corona-Risikogebiete hat die Reise- und Sicherheitsbeauftragten in deutschen Unternehmen in Alarmbereitschaft versetzt. Gerade noch 18,2 Prozent der Firmen, so fand eine Umfrage des Geschäftsreiseverbands VDR unter mehr als 200 Unternehmen heraus, erlauben innerdeutsche Dienstreisen uneingeschränkt. Mitte August waren es noch 33,3 Prozent. Dabei betreffen die innerdeutschen Beherbergungsverbote Dienstreisende kaum.

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Selbst ins Privatleben ihrer Mitarbeiter greifen manche Arbeitgeber inzwischen ein. Beim Bahn- und Lkw-Zulieferer Knorr-Bremse dürfen Gebiete, die das Robert Koch-Institut für riskant erklärt, selbst in der Freizeit nicht mehr angesteuert werden.

Was vor den Sommerferien für Corona-Hotspots am Mittelmeer galt, gilt jetzt auch für deutsche Metropolen wie Berlin, Stuttgart oder Essen. Wer privat dorthin verreist und anschließend in Quarantäne geht, muss unbezahlten Urlaub nehmen, solange er nicht von zu Hause arbeiten kann. Auch sämtliche Weihnachtsfeiern sagte Knorr-Bremse ab.

Bei der Telekom in Bonn könnten außerdem die Besprechungen bald deutlich kleiner ausfallen. In der vergangenen Woche beschränkte sie der Dax-Konzern schon auf eine Teilnehmerzahl von 25. Sollte in einer Region die Sieben-Tage-Inzidenzzahl von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner überschritten werden, erlaubt der Konzern nur noch bis zu zehn Personen. Die verschärften Regeln könnten also auch bald in der Firmenzentrale in Bonn gelten: In der Stadt lag die Inzidenzzahl am Dienstag bei 47,27.

Zudem schauen die meisten Reisestellen jetzt genauer hin. 76,6 Prozent der VDR-Befragten machen ihre Erlaubnis für Dienstreisen vom Ansteckungsrisiko in den jeweiligen deutschen Zielregionen abhängig - nach nur 49,4 Prozent vor zwei Monaten.

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Eines der ersten Opfer der gestiegenen Alarmbereitschaft ist die Münchener Immobilienkonferenz der Expo Real. Nachdem die Messe München noch am Freitag bekräftigt hatte, man werde das zweitägige Branchentreffen am 14. Oktober starten, folgte am Montagabend die Absage. Kurz zuvor hatte das Robert Koch-Institut München zum Risikogebiet erklärt, worauf Referenten und gebuchte Teilnehmer ihren Verzicht bekundeten.

Die Einstufung Stuttgarts als Corona-Hotspot traf am Dienstag außerdem den Start-up-Wettbewerb Weconomy, bei dem das Handelsblatt Kooperationspartner ist. Dort sollten sich an diesem Freitag Topmanager von BASF, Daimler, Bosch und B. Braun mit jungen Gründern treffen. „Die steigenden Infektionszahlen verlangen von uns allen Verantwortungsbewusstsein“, begründete BASF-Vorstand Michael Heinz, weshalb die Veranstaltung ins Internet verlegt wurde.

Dem steilen Anstieg der Corona-Infektionen dürfte es zu verdanken sein, dass man in den Unternehmen gegenüber einer raschen Erholung pessimistischer geworden ist. Glaubten Ende Juli noch 16,3 Prozent der Reisemanager an eine Besserung zum Jahreswechsel, sind es nun nur noch 9,7 Prozent. 19,4 Prozent sind sogar der Ansicht, dass die Beschränkungen über das erste Quartal 2021 hinausgehen.

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Ausgesprochen unterschiedlich schneiden die Reisedienstleister im Urteil darüber ab, wie effizient sie gegen die Corona-Ansteckungsgefahr vorgehen. Für das eigene Hygienekonzept kassierte die Deutsche Bahn von 58,9 Prozent der Reisemanager die Note „unzureichend“ – mit sich stets verschlechternden Werten seit Ende Juli. Die Fluggesellschaften erhielten dieses Urteil dagegen nur von elf Prozent, Hotels gerade einmal von 5,5.

Große Einigkeit herrschte dagegen bei der VDR-Umfrage in einer anderen Bewertung. 76 Prozent kreuzten die Antwort an: „Ja, wir werden innerdeutsch häufiger mit dem Pkw reisen.“

Die Vorsicht in den deutschen Unternehmen dürfte in den kommenden Tagen noch einmal steigen. Denn einen Tag nach Veröffentlichung der VDR-Umfrage beschlossen Bund und Länder am 7. Oktober, dass Reisende nur bei Vorlage eines negativen Coronavirus-Tests beherbergt werden dürfen, sobald sie aus Sars-Cov-2-Regionen der Warnstufe stammen. Alle Bundesländer folgten dieser Vereinbarung – bis auf vier.

„Das Sicherheitsempfinden ist eher irrational“

Im Wirrwarr der Meldungen ging unter, dass das Beherbergungsverbot im Ernstfall nur für Touristen gilt, nicht aber für Geschäftsreisende. In der Praxis werde es die Unternehmen dennoch gleichermaßen treffen, glaubt Markus Orth, Chef der Geschäftsreise-Agenturkette Lufthansa City Center (LCC). „Für Unternehmer ist die Wahrnehmung dieselbe wie für Touristen“, weiß der Frankfurter Agenturchef. „Das Sicherheitsempfinden ist derzeit eher irrational.“

Orth rechnet damit, dass es bald noch schlimmer kommt. „Wenn Heimkehrer demnächst erst fünf Tage in Quarantäne müssen, um anschließend einen Coronatest zu absolvieren, kommt das faktisch einem neuen Lockdown gleich“, ist sich der LCC-Chef sicher. Ursprünglich sollte diese Regelung, die von der Industrie heftig kritisiert wird, bereits Anfang Oktober in Kraft treten. Weil aber die dazu notwendige Testinfrastruktur bis heute fehlt, soll über den Start erst in den kommenden Tagen entschieden werden.

Besonders dramatisch treffen die erneuten Reisebeschränkungen die Hotel- und Gastronomiebetriebe, die durch den Frühjahrs-Lockdown bereits im ersten Halbjahr 2020 einen Umsatzverlust von 35 Milliarden Euro beklagten. Nach der nur zögerlich angelaufenen Sommersaison hätten viele ihre Hoffnungen auf die Herbstferien gesetzt, heißt es beim Deutschen Tourismusverband (DTV).

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„Für viele Gastgeber bedeuten die Umsätze der zwei oder drei Wochen im Herbst vor Beginn der ohnehin problematischen Wintersaison in diesem Jahr den Unterschied zwischen Weiterbestand und Insolvenz“, warnt Verbandspräsident Reinhard Meyer.

Auch für viele Geschäftsreiseagenturen könnte es eng werden. Allein Lufthansa City Center, der größte deutsche Anbieter, rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatzminus von 80 Prozent. Für notleidende Betriebe hat die Franchise-Organisation nun ein Geschäftsmodell entwickelt, das die laufenden Kosten massiv nach unten drücken soll. „Wir starten einen mobilen Vertrieb“, enthüllte LCC-Chef Orth am Montag. Statt eines teuren Ladenlokals sollen künftig bei vielen das Wohnzimmersofa und ein Computer für die Beratung reichen.

Daimler-Beteiligung Blacklane profitiert als Chauffeurdienst

Zumindest eine Branche hofft darauf, von den Reisebeschränkungen am Ende profitieren zu können: die Anbieter von Dienstreise-Services. Der Chauffeurdienst Blacklane etwa, der bislang vor allem für Airport-Zubringerfahrten gebucht wurde, wirbt verstärkt mit „Intercity-Rides“ – als Alternative zum Zug.

„Wir sehen einen klaren Trend, dass die Menschen im geschützten Fahrzeug unterwegs sein wollen“, sagt Blacklane-Gründer Jens Wohltorf, „und daher auch für mehrere Stunden eine Limousine buchen.“

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Im April kam die Daimler-Beteiligung Blacklane nach Wohltorfs Aussagen nur noch auf zwei Prozent des Vorkrisenumsatzes, inzwischen aber wieder auf ein Drittel bis die Hälfte. Ohne den schwachen US-Markt sähe es sogar noch besser aus. 2019 erzielte der Fahrtvermittler gut 100 Millionen Euro Umsatz vor allem mit Business-Kunden.

Mitarbeit: Stefan Menzel, Florian Kolf, Markus Fasse, Christoph Kapalschinski, Anis Micijevic, Larissa Holzki