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Conti bringt Absenkung der kollektiven Arbeitszeit ins Spiel – heißer Auto-Juli steht bevor

Personalchefin Ariane Reinhart will auf diese Weise Arbeitsplätze in der Autoindustrie retten. Auch Bosch und ZF ringen um Arbeitsplätze. Nicht jedes Modell gefällt den Gewerkschaften.

Der Zulieferer denkt über die Absenkung der Arbeitszeit nach. Für die Autoindustrie könnte das ein Modell sein, in der Coronakrise möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Foto: dpa
Der Zulieferer denkt über die Absenkung der Arbeitszeit nach. Für die Autoindustrie könnte das ein Modell sein, in der Coronakrise möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Foto: dpa

Die Prognose ist erschreckend: Statt über 98 Millionen Fahrzeuge wie 2018 rechnen Experten in diesem Jahr mit einem Einbruch der weltweiten Produktion auf höchstens 70 Millionen Fahrzeuge. Überkapazitäten von etwa einem Drittel werden unweigerlich tausende Jobs kosten. Denn die Flaute auf dem Automarkt könnte bis ins Jahr 2025 reichen.

Einen so langen Markteinbruch werden die Autobauer und Zulieferer in Deutschland mithilfe der Kurzarbeit nicht überstehen können. Doch mit dem Vorstoß für eine Kaufprämie sind die Autohersteller gescheitert. Damit ist der einfachste Rettungsweg versperrt. Jetzt suchen die Arbeitnehmer einen anderen Ausweg, um die volle Wucht der Krise für die Beschäftigten abzufedern.

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Die Autozulieferer zeigen dabei die meiste Flexibilität. Continental wagt einen Vorschlag: Weil in bestimmten Bereichen, zum Beispiel in der Fertigung, dauerhaft zu wenig Arbeit für zu viele Beschäftigte da ist, schlägt Continentals Personalvorständin Ariane Reinhart statt Kurzarbeit eine kollektive Absenkung der Arbeitszeit vor, gepaart mit einer finanziellen Unterstützung durch den Staat.

„Im Vorstand suchen wir nach Möglichkeiten eine Art ‚Coronabrücke‘ zu bauen, mit der wir das Unternehmen wirtschaftlich gesund bis in das Jahr 2025 führen können.“, sagt Reinhart dem Handelsblatt. „Eine Idee könnte sein, die Arbeitszeit kollektiv abzusenken, was tarifvertraglich auch möglich wäre. In einem solchen Fall wäre insbesondere für die niedrigen Tarifgruppen eine Aufstockung durch die Bundesagentur für Arbeit erstrebenswert.“

Die Kurzarbeit ist für Unternehmen wie Continental keine Dauerlösung. Denn die Autoindustrie befindet sich mitten in einem Strukturwandel. Die Bedingungen für das Kurzarbeitergeld wiederum beschneiden die Konzerne in ihrer unternehmerischen Freiheit. Gezielter Personalabbau ist während der Kurzarbeit nicht möglich. Damit würde bei Conti das auf zehn Jahre angelegte Strukturprogramm für die Dauer der Kurzarbeit ruhen müssen – was am Ende vermutlich noch mehr Jobs kosten würde.

Eine zum Teil staatlich unterstützte kollektive Absenkung der Arbeitszeit, wie es Reinhart nun vorschlägt, könnte sowohl Conti als auch der gesamten Autobranche in der aktuellen Krise wieder helfen. „Wir werden die Arbeitszeitverkürzung mit unseren Sozialpartnern besprechen, und natürlich ist das Thema Aufstockung durch die Bundesagentur für Arbeit ein politisches, das wir gesondert diskutieren müssen.“, sagt die Personalchefin.

Reinhart glaubt, dass andere Unternehmen dem Beispiel von Conti folgen könnten. „Was wir als Unternehmen brauchen, ist ein neuer kollektiver und branchenübergreifender Ansatz hinsichtlich der Flexibilität bei den Arbeitszeiten.“ Die Sozialpartner seien sehr weitsichtig. Sie bieten die Möglichkeit, die Arbeitszeit abzusenken. „Neu aber ist der Umfang des Bedarfs“, sagt die Conti-Personalchefin.

Keine Jobgarantie

Es wird eine Gradwanderung werden. Alte Denkverbote scheinen aufgebrochen. „Der Tarifvertrag muss neu geschrieben werden“, meint der Manager eines großen Autozulieferers. Offen will er das nicht sagen, denn er weiß, wie schwer sich die Arbeitnehmerseite damit tut. Verhärtete Fronten sind das Letzte, was die gesamte Branche brauchen kann.

Für die beiden Gewerkschaften bei Conti, die IG BCE und die IG Metall, wäre eine Arbeitszeitabsenkung um bis zu 20 Prozent, wie es der Tarifvertrag in absoluten Notsituationen erlaubt, nur schwer zu verdauen. Denn anders als bei der Kurzarbeit schlagen die Lohneinbußen bei einer Arbeitszeitabsenkung bei den Beschäftigten voll durch. Deswegen hat laut dem Tarifvertrag der IG Metall die Kurzarbeit gegenüber der Arbeitszeitabsenkung grundsätzlich Vorrang.

Aber die absolute Notsituation ist so gut wie da. Während in der Öffentlichkeit diskutiert wird, wo und wie man in den Urlaub fährt, treibt die Branche eher um, wie viele Jobs man überhaupt erhalten kann.

Dabei scheint die Coronakrise den Gewerkschaften in der Autoindustrie die Druckmittel zu nehmen. Denn die Faktenlage ist eindeutig. Es besteht daher grundsätzlich die Bereitschaft zu Verhandlungen, mit dem Ziel Arbeitsplätze abzusichern. Conti-Konzernbetriebsrat Hasan Allak bestätigt auf Anfrage, dass in einem gemeinsamen internen Interview mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Conti-Betriebsrates, Lorenz Pfau, angekündigt wurde, von Betriebsratsseite alles in den Blick zu nehmen, was die Tarif- und Sozialpolitik hergebe. Oberstes Ziel sei es, Arbeitsplätze zu erhalten.

Oder mit anderen Worten: Die Gewerkschaften sind grundsätzlich bereit, neue Wege zu gehen, die Arbeitszeitabsenkung wäre aber das letzte Mittel und müsste mit Sicherheiten einhergehen. Sicherheiten, die es aber in diesen Zeiten kaum geben kann. „Wir brauchen Garantien für die Mitarbeiter. Einseitige Entscheidungen von der Unternehmensführung werden wir nicht akzeptieren“, sagt Conti-Betriebsrat Pfau dem Handelsblatt. „Wenn eine kollektive Kürzung der Arbeitszeit vorgenommen werden sollte, dann nur, wenn die Unternehmensführung zu Gegenleistungen bereit ist und versichert, dass diese Maßnahmen zeitlich begrenzt eingesetzt werden.“

Eine zeitliche Begrenzung dieser Maßnahmen ist auch im Sinne von Conti. Generelle Arbeitsplatzgarantien will die Personalvorständin Reinhart aber nicht geben. „Eine Beschäftigungssicherung in diesen Zeiten auszusprechen, wäre einfach nicht fair, weil wir es nicht garantieren können“, sagt sie.

Bei ZF ist die Situation dagegen bereits hochgekocht. Vergangene Woche demonstrierten an fast allen Standorten des drittgrößten deutschen Autozulieferers Mitarbeiter gegen den drohenden Personalabbau. Ende Mai hatte das Stiftungsunternehmen vom Bodensee verkündet, weltweit bis zu 15.000 Stellen abzubauen – davon die Hälfte in Deutschland. „Es geht darum, unser Unternehmen zukunftssicher aufzustellen und gleichzeitig Beschäftigung zu sichern“, sagt Personalvorständin Sabine Jaskula.

Die Verhandlungen mit den Beschäftigten laufen. Klar ist schon jetzt: Es wird ans Eingemachte gehen. Neben der Absenkung der Arbeitszeit könnten auch Errungenschaften vorangegangener Tarifrunden wie der T-Zug zurückgedreht werden. Besonders belastete Beschäftigten mit Kindern, zu pflegenden Angehörigen oder in Schichtarbeit können dabei zwischen einen tariflichen Zusatzgeld (T-Zug A) oder acht zusätzlichen freien Tagen im Jahr wählen. Bei ZF wollen sie eine große Lösung für alle Inlandswerke noch im Juli schaffen, die Pilotcharakter für die gesamte Industrie haben könnte.

Entscheidungen im Juli

Branchenführer Bosch übt sich derweil in „Salami-Taktik“. Bosch-Chef Volkmar Denner will seiner Linie treu bleiben und Standort für Standort entscheiden. Bislang ging die Strategie auf. Rund 3000 Stellen konnten mit vergleichsweise geringem Aufsehen abgebaut werden. Aber in der sich zuspitzenden Gesamtsituation heizt sich die Stimmung immer mehr auf.

Einen Vorgeschmack gab vergangene Woche die vergleichsweise kleine Entscheidung, 300 Jobs in der Lenkungssparte in Bietigheim-Bissingen zu streichen. Die Proteste der Beschäftigten erreichen jedes Mal die Landesregierung mit entsprechendem Echo.

Direkte Konfrontationen mit den Arbeitnehmervertretern versuchen die Zulieferer daher zu vermeiden. Der „Wirtschaftswoche“ sagte Denner, dass man sich im engen Schulterschluss mit den Arbeitnehmervertretern und den Gewerkschaften befände. Gleichzeitig nimmt der Charme größerer Lösungen vielleicht für die gesamte Industrie zu, auch wenn sie große Einbußen bei den Beschäftigten mit sich bringen werden.

In der deutschen Autoindustrie und in der Politik rumort es deswegen gewaltig. Und während Bosch, Conti und ZF die betriebswirtschaftlichen Schäden so gering wie möglich halten und die Gewerkschaften möglichst viele Arbeitsplätze erhalten wollen, will die Politik Massenentlassungen verhindern. Es seien derzeit alle gefragt, in dieser herausfordernden Situation einen Beitrag zu leisten, sagt Reinhart. „Das gilt sowohl für die Unternehmen, ihre Mitarbeiter und die Politik.“

Zu diesem Thema positioniert habe sich die Politik jedoch noch nicht, sagt Conti-Betriebsrat Pfau. „Es gibt Kontakte und Sondierungen über Maßnahmen zur Absicherung von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie, aber diese Gespräche befinden sich noch in einem ganz frühen Stadium“, sagt er.

Viel Zeit für eine Entscheidung bleibt nicht, gibt Conti-Personalchefin Reinhart zu Bedenken „So eine Arbeitszeitsenkung nützt natürlich dem Cashflow unmittelbar“, sagt sie. „Und je mehr man solche Maßnahmen herauszögert, desto größer wird der Druck auf die Anzahl der Arbeitsplätze, die von Abbau betroffen sein könnten.“ Es deutet alles auf einen heißen Auto-Juli hin, der in dieser Woche beginnen wird.

„Wir werden die Arbeitszeitverkürzung mit unseren Sozialpartnern besprechen und natürlich ist das Thema Aufstockung durch die Bundesagentur für Arbeit ein politisches, das wir gesondert diskutieren müssen.“, sagt die Continental-Personalchefin. Foto: dpa
„Wir werden die Arbeitszeitverkürzung mit unseren Sozialpartnern besprechen und natürlich ist das Thema Aufstockung durch die Bundesagentur für Arbeit ein politisches, das wir gesondert diskutieren müssen.“, sagt die Continental-Personalchefin. Foto: dpa