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China in der Krise: Die Führung verheimlicht Wirtschaftsdaten, denn das Wachstum fällt hinter die Konkurrenten in Asien zurück

Chinas Wirtschaft schwächelt. Während des Volkskongresses der Kommunistischen Partei soll das unter den Teppich gekehrt werden. - Copyright: picture alliance / AA | Emre Aytekin
Chinas Wirtschaft schwächelt. Während des Volkskongresses der Kommunistischen Partei soll das unter den Teppich gekehrt werden. - Copyright: picture alliance / AA | Emre Aytekin

Chinas Wirtschaft darf nicht schwächeln. Jedenfalls nicht vor aller Welt. Und schon gar nicht, wenn der Kongress der Kommunistischen Partei tagt – bei dem Chinas Staatspräsident und Parteichef Xi Jinping seine Alleinherrschaft mit einer dritten Amtszeit zementieren will. Weil Chinas Wirtschaft aber eben doch schwächelt, griff die Kommunistische Partei zu einem altbewährten Mittel totalitärer Herrscher. Sie sagte die geplante Veröffentlichung frischer Daten zu Chinas Wachstum, zum Außenhandel und zum Immobilienmarkt kurzerhand ab.

Offizielle Begründung: Die Verantwortlichen hätten sich wegen des Parteikongresses in Quarantäne begeben müssen. Das wiederum passt ins Bild. Chinas rigorose Null-Covid-Politik lähmt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt seit zweieinhalb Jahren.

Heraus kommt die Wahrheit ja doch: China fällt zurück. Hinter die eigenen Ambitionen, denn China muss sein Ziel von 5,5 Prozent Wirtschaftswachstum in diesem Jahr begraben. Doch China fällt auch hinter andere Länder Asiens zurück, deren Wirtschaft dynamischer wächst.

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Statt Zahlen vorzulegen, erzählt die KP Geschichten: "Die Wirtschaft hat sich im dritten Quartal wirklich erholt", sagte der Chef der mächtigen Reform- und Entwicklungskommission, Zhao Chenxin, in Peking. Immerhin räumte er wie zuvor schon Premierminister Li Keqiang "Schwierigkeiten" ein. Grund seinen "größer als erwartete Schocks". Es habe wegen äußerer Umstände, der Corona-Pandemie, extremen Wetters und anderer unerwarteter Faktoren "einige monatliche Schwankungen" gegeben, sagte Chinas oberster Wirtschaftslenker. Aber jetzt sei China auf dem Kurs der Erholung und zeige Widerstandskraft.

Nur Zahlen zeigt China nicht. Wie es um Chinas Wirtschaft aktuell wirklich bestellt ist, weiß niemand genau. Es darf aber angenommen werden, dass die zurückgehaltenen Zahlen nicht gut sind. Die letzten veröffentlichten waren es ebenfalls schon nicht.

Im zweiten Quartal 2022 wuchs Chinas Bruttoinlandsprodukt nur um 0,4 Prozent. Für das dritte Quartal, also die Monate Juli bis September, erwarteten Ökonomen nun ein Wachstum von 3,5 Prozent. Klar ist längst, dass die Regierung ihr 5,5-Prozent-Ziel dieses Jahr verfehlen wird. Der Internationale Währungsfonds traut China 2022 gerade noch 2,8 Prozent zu. Das wäre nach dem Einbruch im ersten Corona-Jahr 2020 erst das zweite Mal seit langen vier Jahrzehnten, dass das Wachstum so niedrig ausfällt.

Chinas Wachstum fällt hinter Indien, Vietnam und Bangladesch zurück

Schmerzlich für die KP-Kader ist, dass China in den aktuellen Krisen schlechter abschneidet als viele andere Länder – sogar in der unmittelbaren Nachbarschaft. "Zum ersten Mal seit 1990 wächst der Rest Asiens schneller als China", sagt der Vorsitzende der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke.

Nach der Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird das auch im nächsten Jahr so sein. Der IWF traut China 2023 rund 3,2 Prozent Wachstum zu. Das ist etwa das Tempo, in dem die Weltwirtschaft wächst. Die Dynamik ist in anderen Ländern aber größer als in China.

Für Indien erwartet der IWF 6,9 Prozent, also mehr als doppelt so viel wie in China. Vietnam, wohin westliche Konzerne wie Apple Produktion aus China abzuziehen beginnen, werde um sieben Prozent wachsen, Malaysia um 5,4 Prozent – und sogar für Bangladesch erwartet der IWF mit 7,2 Prozent mehr Dynamik als in China. Die Wirtschaft in der gesamten Region ohne China soll laut Weltbank um 5,3 Prozent wachsen.

 - Copyright: Internationaler Währungsfonds
- Copyright: Internationaler Währungsfonds

Chinas Wirtschaft als Wachstumsbremse? Das wäre allerdings wirklich neu. Für die übrige Welt, die jahrelang vom schnellen Wachstum des Riesenmarktes China profitiert hat, wäre das keine gute Nachricht.

Chinas Krise hat viele Gründe. Als wichtigsten Faktor verweist Wuttke wie viele China-Kenner auf die rigorose Null-Covid-Strategie. Während der Rest Asiens und der Welt längst begonnen hat, mit dem Virus zu leben, versucht Chinas Führung jeden kleinen Ausbruch mit Lockdowns, Massentests und Quarantäne zu ersticken. Das Null-Covid-Ziel ist durch neue Varianten, die sich leichter verbreiten, immer schwieriger einzuhalten. Das Regime sperrt seine Leute weg, anstatt sie arbeiten zu lassen.

Von allen Problemen Chinas sei «Null-Covid und wie man da rauskommt», das größte, sagte auch Richard McGregor vom australischen Lowy Institut. "Es scheint Chinas Wirtschaft wie ein Schlag mit einem Hammerschlag zu treffen."

Eine Folge von vielen ist eine dramatisch hohe Jugendarbeitslosigkeit. Viele junge Chinesen arbeiten im Dienstleistungssektor. Er ist von Lockdowns immer wieder hart getroffen. Fast 20 Prozent der 16- bis 24-Jährigen sind ohne Job. Arbeitslosengeld oder eine andere soziale Absicherung gibt es für diese Jobs nicht. Wenn der Chef sagt, "Geh' nach Hause", haben die Menschen von heute auf morgen kein Einkommen mehr. China droht eine verlorene Generation.

Das dritte große Problem ist die Krise des Immobiliensektors. Der Bau allein trug phasenweise ein Viertel zu Chinas BIP bei. Doch nun ist die gewaltig aufgeblähte Immobilienblase geplatzt. Der IWF warnt, dass die Immobilienkrise auf Banken, Unternehmen oder lokale Regierungen "überschwappt".

China war der größte Gewinner der Globalisierung seit den 90er Jahren. Die enge Vernetzung mit der Weltwirtschaft befeuerte den Aufstieg Chinas zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hinter den USA. Nun aber bremst auch die schwache globale Nachfrage das chinesische Exportwachstum. Wie stark? Das bleibt vorerst verborgen. Die Veröffentlichung der neuen Außenhandelszahlen wurde erst verschoben, dann abgeblasen. Im Vormonat hatte Chinas Exportmaschinerie schon an Schwung verloren und "nur" einen Zuwachs von 7,1 Prozent erreicht.

Um die Konjunktur anzukurbeln, pumpt Chinas Regierung kräftig Geld in die Wirtschaft, obwohl die hohe Verschuldung längst ein Problem ist. Die Zentralbank hat mehrfach die Zinsen gesenkt. Die Vergabe neuer Bankkredite verdoppelte sich im September nahezu.

Zu den hausgemachten Problemen kommt, dass China nun auch Gegenwind aus der westlichen Welt erfährt. In den politisch tief gespaltenen USA ist ein Thema bei den Anhängern aller Parteien konsensfähig: Das Misstrauen gegenüber China und der Wunsch, Chinas wirtschaftliche, politische und militärische Expansion zu stoppen. Das bewegt vermehrt US-Konzerne, sich aus China zurückzuziehen oder mindestens Alternativen aufzubauen wie die Produktion in Vietnam oder Indien.

Vor allem aber trifft das jüngste US-Embargo für Mikrochips China hart. Die Handelsbeschränkungen betreffen Hochleistungschips ebenso wie Ausrüstung zur Herstellung von Halbleitern. Dazu kommen Einschränkungen für US-Amerikaner, in chinesischen Fabriken zu arbeiten und dort die Entwicklung und Produktion von Chips zu unterstützen. Die USA sind entschlossen, China von Hochtechnologie abzuschneiden.

Sogar in Europa bewegt sich etwas. Der Schock der Abhängigkeit von Russlands Energie sitzt tief. Auch in Deutschland sickert die Erkenntnis ein, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit von China ebenso gefährlich wäre. Sei es bei Importen zum Beispiel wichtiger Grundstoffe für Arzneimittel, bei Exporten und ganzen Branchen wie der Automobilindustrie oder bei Investitionen China in deutsche Infrastruktur - wie zum Beispiel der geplante Einstieg der chinesischen Großreederei Cosco bei Teilen des Hamburger Hafens.