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Beim Nato-Gipfel wurde die Katastrophe abgewendet – bis zum nächsten Trump-Tweet

Trump akzeptiert nach heftiger Kritik an Deutschland die Beschlüsse zu stärkerer militärischer Zusammenarbeit. Doch Vertrauen zu ihm haben die Europäer nicht.

Das ganz große Zerwürfnis zwischen US-Präsident Donald Trump und den europäischen Nato-Partnern ist ausgeblieben, die denkbare Katastrophe abgewendet: Die USA bleiben in der Nato, Trump hat sogar der Abschlusserklärung zugestimmt. Vier zentrale Nato-Beschlüsse zu intensiverer Zusammenarbeit werden umgesetzt. Die Nato bleibt entscheidungs- und handlungsfähig. Ihre Modernisierung kann umgesetzt werden.

Bis zum nächsten Tweet. So jedenfalls sieht es wohl Kanzlerin Angela Merkel (CDU), wie es nach dem ersten Tag des zweitägigen Nato-Gipfels in Brüssel deutsche Delegationsmitglieder durchblicken ließen. „Der Gipfel ist ja noch nicht zu Ende“, hieß es immer wieder. Und: Wer weiß, was Trump wieder einfallen wird, sobald er am Donnerstagabend in der Präsidentenmaschine Richtung London sitzt. Und noch gefährlicher: Am Montag trifft Trump Russlands Präsident Wladimir Putin in Helsinki.

Der Gipfel-Tag in Brüssel jedenfalls begann aus deutscher Regierungssicht heftig. Heftiger als die Bundesregierung nach allen Wut-Tweets gegen deutsche Autos, deutsche Exportüberschüsse und zu geringe Verteidigungsausgaben ohnehin befürchtet hatte.

„Ich hatte einen Orangensaft, Toast und einen wirklich guten Fruchtsalat“, versuchte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg später auf einer Thinktank-Tagung über sein Frühstück mit Trump zu scherzen, als er nach der Bedeutung der neuesten Trump-Tiraden gefragt wurde. Doch lachen mochte niemand, schon gar nicht Merkel. Denn Trumps Frühstücksgespräch war der bisher härteste politische Frontalangriff auf Deutschland.

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Zu Beginn des Frühstücks hatte der Nato-Generalsekretär noch versucht, gute Stimmung zu verbreiten: Alle Europäer hätten ihre Verteidigungsbudgets um viele Milliarden erhöht, auch Deutschland. „Dank Ihrer Führungskraft, Mr. President“, lobte Stoltenberg Trump.

Doch der nutzte das Lob nur als Stichwort, sich in Rage zu reden. „Kein anderer Präsident hat das Thema so verfolgt wie ich. Dabei läuft es seit Jahrzehnten so, und es ist unfair gegenüber den US-Steuerzahlern“, legte er los. Und knöpfte sich Deutschland vor. „Es ist ein reiches Land, es könnte sofort die Ausgaben erhöhen, schon morgen, ohne Probleme zu bekommen.“

Und er schob auch gleich eine Erklärung nach: „Deutschland ist ein Gefangener Russlands“, behauptete Trump, wegen der Gaslieferungen aus Russland. Die würden 70 Prozent des deutschen Energiebedarfs ausmachen. „Wie kann man zusammenarbeiten, wenn ein Land seine Energie von dem Land bezieht, vor dem man sich schützen will?“, polterte er weiter.

Ungewohnt deutliche Reaktion

Merkel konterte den Affront für ihre Verhältnisse ziemlich deutlich. Bei ihrer Ankunft im Stahl- und Glaspalast der Nato in Brüssel sprach sie ausführlich darüber, was es für sie persönlich bedeutet habe, „unter der Kontrolle der Sowjetunion“ zu leben. Auch dank der Nato müssten das die Ostdeutschen nun nicht mehr.

Während der Arbeitssitzung dann erläuterte sie die Fakten zu den russischen Gasimporten: 37 Prozent der Gaslieferungen beziehe Deutschland aus Russland, dies entspreche neun Prozent des Energiebedarfs. Deutschland, das auf Energieimporte angewiesen sei, tue alles, nicht von einem Lieferanten abhängig zu werden. Später setzen sich Merkel und Trump für eine Stunde zusammen, um vor allem über Handelsfragen und Bedrohungslagen zu sprechen.

Nein, Trump habe nach dem Frühstück kein einzelnes Land mehr kritisiert, allerdings von allen höhere Verteidigungsausgaben verlangt, hieß es anschließend: Nicht zwei Prozent, sondern vier Prozent sollten die Nato-Staaten künftig für Verteidigung ausgeben. Eine Forderung, die Trump auch früher schon erhoben hatte, auf die aber auch am Mittwoch kein anderes Nato-Land einging.

Nato-Generalsekretär Stoltenberg zeigte sich nach der Arbeitssitzung erleichtert. Denn seine Strategie war aufgegangen, am Anfang des Treffens alle Abschlussdokumente dieses Arbeitsgipfels zu erwähnen, dann zu fragen, ob es Einwände gibt, um sie dann als beschlossen abzulegen. In dem Dokument steht einmal mehr das „uneingeschränkte Bekenntnis“ der Partner zum Zwei-Prozent-Ziel. Bis 2024 sollen alle Nato-Staaten sich dem Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, annähern.

Weder wurde der Zeitraum verkürzt, noch einzelne Länder zu schnelleren Steigerungen der Ausgaben gedrängt. Es stehen auch eher Deutschland genehme Formulierungen über die Stärkung der militärischen Fähigkeiten und der Bereitschaft, diese der Nato zur Verfügung zu stellen, darin.

Und: Die Nato bleibt arbeitsfähig. „Für die Nato sind die Beschlüsse ein wichtiger Schritt der Modernisierung“, sagte Ian Lesser vom German Marshall Fund dem Handelsblatt. Die Nato einigte sich damit darauf, noch mehr Stärke gegenüber Russland zu demonstrieren, die Abschreckung zu erhöhen.

Denn hinter der „Speerspitze“, den Truppen, die bereits jetzt im Baltikum und in Polen unter Beteiligung der Bundeswehr operieren, soll eine zweite Linie aufgebaut werden: Die Nato will künftig binnen 30 Tagen 30 Bataillone, 30 Kampfschiffe und 30 Flugzeuge an die Ostgrenze verlegen können. Dass die schnelle Truppenverlegung auch funktioniert, sollen zwei neue Kommandozentralen sicherstellen: eine in Virginia und eine in Ulm. Beide Projekte unterstützen die US-Militärs seit Monaten. Auch eine Ausbildungsmission im Irak und mehr Soldaten für Afghanistan sind jetzt beschlossene Sache.

Ist der Gipfel damit ein großer Erfolg? Für die Arbeitsebene der Nato zunächst ja, sagen Experten. Allerdings: Es bleibt die große politische Unsicherheit mit Blick auf Trump. Was steht in seinem nächsten Tweet? Welche unabgestimmten Zusagen der USA gegenüber Russland müssen die Europäer fürchten, wenn Trump am Montag Putin trifft?

Die große Unsicherheit innerhalb der Nato über ihre Führungsnation USA, sie wird bleiben. Vermutlich, so sagte es ein Militär am Rande, solange Trump US-Präsident ist.