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Der Anti-Trump

Verkehrte Welt: Während der mächtige US-Präsident Trump gegen den Freihandel poltert und Unternehmen mit Zöllen droht, präsentiert sich sein chinesisches Pendant Xi Jinping als glühender Verfechter der Globalisierung.

Klaus Schwab mag es gerne nüchtern. Doch nach der Rede des chinesischen Staatspräsidenten am Dienstag in Davos wurde selbst der zurückhaltende Gründer des Weltwirtschaftsgipfels etwas auftrumpfender: „Das war eine sehr sehr wichtige Rede an einem historischen Zeitpunkt“, sagte er kurz nach dem allerersten Auftritt eines chinesischen Präsidenten in der Davos-Gipfelgeschichte. Dass die Rede bedeutsam und zum wichtigsten Moment des alljährlichen Treffen der Wichtigen und Reichen werden würde, zeigte sich schon im Vorfeld: Mehr als 7000fach wurde sein bevorstehendes Auftreten in den Medien erwähnt, mehr als die Präsenz jedes anderen Teilnehmers in Davos. Und auch den zweiten Platz dieser Hitliste belegt Xi – mit seinem Namen in chinesischen Schriftzeichen.

Xi sollte die Erwartungen nicht enttäuschen. In dem mit mehr als 1.200 Gästen gefüllten Saal des Davoser Kongresszentrums präsentierte sich der Staatschef in einer fast einstündigen Rede als glühender Verfechter des kapitalistischen Freihandels. In einer Zeit, in der der designierte US-Präsident gegen den Freihandel poltert und andere Nationen beschimpft, zeigte sich Xi als weltoffener Globalist.

Was die Zuschauer da zu sehen bekamen, war der Anti-Trump. Während Trump auf Twitter mit 140 Zeichen um sich schlägt, zeigte sich Xi ebenso staatstragend wie verantwortungsvoll – als offener, liberaler Weltbürger. Eine mächtige Demonstration eines friedlichen chinesischen Führungsanspruchs in der Welt. Eine Rede, die eigentlich von einem amerikanischen Präsidenten hätte stammen können.

„Wir leben in der besten aller Welten, und wir leben in der schlimmsten aller Welten“, zitierte Xi eingangs Charles Dickens, den großen Chronisten der Schattenseiten der industriellen Revolution. Auch heute lebe man in einer Welt der Widersprüche, so der Staatschef. Auf der einen Seite steige der materielle Wohlstand, Wissenschaft und Technologie seien auf einem Stand wie niemals zuvor. Auf der anderen Seite gebe es regionale Kriege, Terrorismus, die Flüchtlingskrise und eine steigende Spreizung der Einkommen. „Die Menschen wundern sich, was schief gelaufen ist in dieser Welt. Und für viele ist die Globalisierung zur Büchse der Pandora geworden.“

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Doch viele der Probleme in der Welt, so Xi, hätten mit der Globalisierung wenig zu tun. Als Beispiele nannte er den Terrorismus, die Flüchtlingswellen und sogar die Finanzkrise. Jedoch räumte er ein, dass die Globalisierung ein zweischneidiges Schwert sei. Sie habe zu größerer Ungleichheit geführt und Gewinner ebenso wie Verlierer produziert. „Nichts in der Welt ist perfekt“, sagte Xi. Aber das sei keine Rechtfertigung dafür, die Globalisierung per se komplett abzuschreiben.

Statt dessen schlug er einen – nicht ganz uneigennützigen – Reformplan vor, den er zwischen den Zeilen immer wieder mit Spitzen gegen Trump garnierte. So sollten die Staaten davor zurückschrecken, aufgrund der Probleme ihre eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die anderen zu verfolgen: ein klarer Seitenhieb auf die „America first“-Politik des künftigen US-Präsidenten, der am Freitag ins Amt eingeführt wird. „Wir sollten Nein sagen zum Protektionismus“, ergänzte er. Xi sprach an diesem Dienstag vor einer schweigend-gebannten Weltelite. „Aus einem Handelskrieg wird niemand als Gewinner hervorgehen.“ Als eine der größten Exportnationen der Welt gilt ebenso wie Deutschland als einer der größten Gewinner des freien Handels und der Globalisierung.

Xi nutzte auch die Gelegenheit, die internationale Staatengemeinschaft dazu aufzufordern, die globalen Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds zu reformieren und dabei den Schwellenländern ein größeres Mitspracherecht einzuräumen. Schließlich hätten diese in den vergangenen Jahren 80 Prozent zum globalen Wirtschaftswachstum beigetragen. Die derzeitigen Gespräche über eine neue Quotenregelung im IWF sollten nicht im Sande verlaufen, mahnte er. Auch die wachsende Ungleichheit weltweit und die Tatsache, dass ein Prozent der Weltbevölkerung 99 Prozent aller Reichtümer besäßen, nannte er „beunruhigend“. Die Staaten der Welt sollten zusammenarbeiten, um diese Einkommenslücke wieder zu verringern.

Zum Schluss kam Xi nochmals auf den Freihandel zurück: China werde seine Türen weit offen halten für ausländische Investitionen: „Und wir hoffen, dass andere ihre Türen nicht für chinesische Investitionen schließen werden.“ Mancher Zuhörer konnte nach der Rede kaum glauben, was er da gerade gehört hatte. „Das ist eine verkehrte Welt. Wenn mir jemand vor zehn Jahren gesagte hätte, dass Amerika sich für Protektionismus einsetzt und China für den Freihandel, ich hätte ihn für verrückt erklärt“, so ein deutscher Topmanager.

Einen letzten Seitenhieb gegen Trump konnte sich Xi schließlich nicht verkneifen: „China steht für ein offenes und transparentes Freihandelsregime.“ Exklusive und bilaterale Abkommen – wie sie Trump favorisiert – lehne China ab. Verkehrte Welt eben.