Anlegen nach dem Lego-Prinzip
Der Satz schlug Wellen. Er kam von Warren Buffett. Der amerikanische Starinvestor machte vor zwei Jahren im Bericht seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway eine Bemerkung, die es in sich hatte. Er empfahl seiner Frau Astrid, nach seinem Tod den größten Teil des Bargelds in den S&P-500-Indexfonds der US-Gesellschaft Vanguard zu investieren. Die Reaktion folgte prompt. In einer E-Mail bedankte sich Vanguard-Gründer John Bogle artig beim Multimilliardär und verlieh Buffett den Titel „zweitbester Verkäufer“ in seinem Investmenthaus.
Der Rat des heute 86-jährigen ist aktueller denn je. Er gibt Antwort auf eine fast philosophische Frage, die die Investmentbranche seit langer Zeit beschäftigt. Was liefert den besseren Ertrag: Gezielte Einzelwertauswahl der als attraktiv bewerteten Titel oder Verzicht auf diesen Aufwand und simpler Kauf eines Indexproduktes, das so zusammengesetzt ist wie eine gewählte Messlatte? Im Börsen-Slang werden die unterschiedlichen Ansätze schlicht mit „aktiv“ und „passiv“ abgekürzt.
Buffett hat sich demnach für die passive Anlage entschieden. Auf den ersten Blick stützen regelmäßige Auswertungen aus unterschiedlichsten Quellen diese Entscheidungen. Denn meistens illustrieren die typischen Leistungsbilanzen, dass die Anlageergebnisse aktiver Depots unterlegen sind. „Passive Fonds schneiden europaweit besser ab als aktive“, betitelte beispielsweise die Analysefirma S&P Dow Jones Indices in diesem Jahr eine Auswertung. Die Analysten zählten ab, wie viele aktiv verwaltete europäische Aktienfonds eine geringere Rendite lieferten als ein Vergleichsindex. Das Ergebnis ist erschütternd: Die Misserfolgsquote steigt von 32 Prozent im ersten Jahr stetig bis auf über 86 Prozent nach zehn Jahren.
Wer demnach nach dem Zufallsprinzip einen aktiven Fonds aussucht, der geht ein hohes Risiko ein, dass er nach einigen Jahren mit weniger Rendite dasteht als ein schlichtes Indexprodukt ihm eingebracht hätte. Bei genauerem Hinsehen zeigt das Ergebnis von S&P und ähnlichen anderen Auswertungen nur einen Teil der Wahrheit – aus verschiedenen Gründen. So tragen manche aktive Fonds dieses Etikett zu unrecht. Sie fordern die typischerweise höheren Gebühren für solche Produkte, folgen im Kern aber einer passiven Strategie, orientieren sich also sehr stark an einer Indexzusammensetzung.
Indexfonds sammeln rasant Geld ein
Die deutsche Finanzaufsicht Bafin ist den Schummlern auf der Spur. Es geht um Aktienfonds mit hohen Gebühren. Die Bafin hat in diesem Jahr Daten bei den hiesigen Fondsanbietern eingesammelt und überprüft sie. Der Gebührenunterschied zwischen beiden Anlageansätzen ist groß. Aktive Aktienfonds verlangen oft bis zu zwei Prozent Jahresgebühr. Passive Angebote wie börsengehandelte Indexfonds erreichen im Schnitt ein Viertel dessen. Angebote für populäre Messlatten wie Dax oder Euro Stoxx 50 sind deutlich preiswerter.
Die europäische Wertpapieraufsicht Esma hegt schon seit einiger Zeit den Verdacht, dass manche Fonds mogeln. Die Fondsratingagentur Morningstar schlägt in gleiche Kerbe. Sie wertete fast 500 europäische Aktienfonds aus. Danach ist unter den Managern, die einen aktiven Investmentansatz versprechen, jeder Fünfte ein verkappter Index-Folger. Für Analyst Matias Möttölä sind Titel suspekt, die sich sehr stark am Index orientieren: „In Verbindung mit den hohen Gebühren ist so ein Fonds selten eine gute Wahl.“
Der Erfolg „echter“ aktiver Manager könnte demnach unterschätzt werden. Wissenschaftliche Untersuchungen legen das ebenfalls nahe. Finanzprofessor Antti Petajisto von der New Yorker Universität legte eine Langfristanalyse für US-Aktienfonds vor. Er sortierte die verkappten Indexprodukte aus. Sein Ergebnis: Die Fonds mit den größten Indexabweichungen konnten durchschnittlich jährlich über einen Prozentpunkt mehr Ertrag abliefern als die Messlatte. Solche Ergebnisse relativieren den holzschnittartig errechneten statistischen Misserfolg der aktiven Manager wie in der Kalkulation von S&P.
In der Praxis haben Investoren ihre eigene Antwort auf die investmentphilosophische Frage gefunden. Manche bauen ihre Depots trennschärfer zusammen und sortieren die Mogelpackungen aus. Sie wählen für bestimmte Anlagen echte aktive Manager, denen sie einen Mehrertrag zutrauen. In anderen Bereichen wählen sie dagegen gezielt Indexprodukte, auch wegen ihrer Kostenvorteile. „Diese Kostenvorteile sind in der Welt ohne Zinsen und mit der Erwartung künftig geringerer Wertpapiererträge noch wichtiger geworden“, sagt Jan Altmann, Gründer der Beratungsgesellschaft 4assetmanagement.
Im Vergleich der beiden Welten haben die passiven Anlagen den größten Zulauf. Das ist am rasanten Wachstum der börsengehandelten Indexfonds ablesbar. Diese „Exchange Traded Funds“, kurz ETFs, sammelten allein in Europa seit ihrem Start Anfang des Jahrtausends 480 Milliarden Euro ein. Noch kaufen vor allem institutionelle Großinvestoren wie Pensionskassen und Versicherungen. Branchenexperten erwarten künftig eine größere Beteiligung von Privatanlegern. Auch der technologische Fortschritt spielt den ETFs in die Hände. Mit ihnen als Bausteinen lassen sich Depots einfach zusammenstellen und als Vermögensverwaltung Online anbieten. Es ist ein Lego-Prinzip der modernen Art.
Auch dieser Trend zeigt: Es gibt keine simple Entscheidung zwischen aktiv und passiv im Sinne eines „entweder oder“. Auch wer passive Bausteine einsetzt, muss diese sinnvoll kombinieren. Das kann beispielsweise ein spezieller Mix aus ETFs für Aktien- und Anleihe-Messlatten sein. Diese Entscheidung ist eine aktive. Ähnlich sieht es Werner Krämer, Analysechef bei Lazard Asset Management in Deutschland: „Die Zukunft liegt in einer optimierten Mischung passiver Kerninvestments und wirklich sehr aktiver Fonds, die sich weit von den Index-Messlatten entfernen.“
Auch Star-Investor Buffett liebt trotz der Empfehlung für seine Frau aktive Entscheidungen. Als Chef von Berkshire Hathaway sucht er sich seine Firmenbeteiligungen sehr gezielt aus.
KONTEXT
Die zehn größten Fondsanbieter am deutschen Markt
Franklin Templeton
19 Milliarden Euro
Generali Invest
31 Milliarden Euro
Blackrock
40 Milliarden Euro
Helaba Invest
113 Milliarden Euro
HSBC Trinkaus&Burkhardt
169 Milliarden Euro
Universal-Investment
206 Milliarden Euro
Union Investment (Volksbanken)
220 Milliarden Euro
Deka (Sparkassen)
222 Milliarden Euro
DeAWM (Deutsche Bank)
291 Milliarden Euro
Allianz Global Investors
367 Milliarden Euro
Quelle
Quelle: Fondsverband BVI
Dargestellt ist das Publikums-/Spezial-/Immobilienfondsvermögen // Gesamtvolumen 2600 Milliarden Euro
Stand: 31.12.2015
KONTEXT
Von Roboter-Beratern weltweit verwaltetes Vermögen
2014
13 Milliarden Dollar
Quelle: Oliver Wyman, ab 2016 Prognose
2015
30 Milliarden Dollar
Quelle: Oliver Wyman
2016
60 Milliarden Dollar
2017
100 Milliarden Dollar
2018
160 Milliarden Dollar
2019
270 Milliarden Dollar
2020
500 Milliarden Dollar