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„Höcke ist eine Belastung für die Partei“

AfD-Politiker Björn Höcke hat mit seiner Aussage über das Holocaust-Mahnmal in Berlin eine Welle der Empörung ausgelöst. Scharfe Kritik kommt aus allen Parteien, auch aus seiner eigenen. Verständnis, hat er dafür nicht.

Offensichtlich mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin sagte Höcke auf einer Veranstaltung der Jungen Alternative am Dienstagabend in Dresden: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Zudem verglich der AfD-Mann Bundeskanzlerin (CDU) mit dem ehemaligen DDR-Staatschef Erich Honecker.

Nach Ansicht von SPD-Chef hat Höcke damit eine Grenze überschritten. „Björn Höcke verachtet das Deutschland, auf das ich stolz bin. Nie, niemals dürfen wir die Demagogie eines Björn Höcke unwidersprochen lassen. Nicht als Deutsche, schon gar nicht als Sozialdemokraten“, schrieb Vizekanzler Gabriel am Mittwoch in einer bei Facebook veröffentlichten Erklärung.

Gabriel betonte, ihm sei es kalt den Rücken heruntergelaufen, als er sich Höckes Auftritt im Internet angeschaut habe: „Die Höcke-Rede hat mich persönlich besonders entsetzt, weil mein Vater bis zu seinem Tod ein unverbesserlicher Nazi war.“ Politik und Gesellschaft sollten nicht über jedes Stöckchen der AfD springen, die von der Provokation lebe. „Aber hier geht es nicht um irgendeine Provokation. Hier geht es um unser Selbstverständnis als Deutsche.“

Selbst AfD-Chefin Frauke Petry distanzierte sich von Höcke. Der Wochenzeitung Junge Freiheit sagte sie: „Es bestätigt sich, was ich schon vor einem Jahr sagte. Björn Höcke ist mit seinen Alleingängen und ständigen Querschüssen zu einer Belastung für die Partei geworden“. Die AfD müsse sich entscheiden, ob sie den Weg der Republikaner gehen wolle, oder den anderer erfolgreicher Parteien, wie der FPÖ. „Wir werden Realisten sein oder politisch irrelevant werden“, warnte die AfD-Chefin. „Unsere Aufgabe ist es, die Lösung der enormen Probleme des Euro, der Inneren Sicherheit, bei Energie, Familie und Migration voranzutreiben.“

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Die Fraktionsvorsitzenden der Linken werfen dem umstrittenen AfD-Politiker gar Volksverhetzung vor. Sie würden deshalb gegen ihn Strafanzeige erstatten, kündigten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch am Mittwoch in einer Mitteilung an. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schließt sich seinen Kollegen an. „Dass Höcke am Tag des NPD-Verbotsverfahrens das Holocaust-Mahnmal mit dem Wort Schande und nicht den Holocaust als Schande bezeichnet, macht deutlich, in welcher geistigen Haltung Höcke agiert“, sagte Ramelow am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

Er habe schon lange darauf hingewiesen, dass Höcke die NS-Sprache benutze, sagte Ramelow. Bezeichnend sei auch, dass Höcke am Tag des NPD-Verbotsverfahrens versuche, die Achse des demokratischen Spektrums weiter nach rechts außen zu verschieben. Auch das politische Feld der AfD verschiebe sich dadurch deutlich nach rechts.

Höcke hat für die Kritik kein Verständnis. „Ich habe den Holocaust, also den von Deutschen verübten Völkermord an den Juden, als Schande für unser Volk bezeichnet. Und ich habe gesagt, dass wir Deutsche diesem auch heute noch unfassbaren Verbrechen, also dieser Schuld und der damit verbundenen Schande mitten in Berlin, ein Denkmal gesetzt haben. Was ist daran falsch? Was ist an dieser Feststellung zu kritisieren? Gar nichts!“, sagt er in einer persönlichen Erklärung. Darin verweist er auch darauf, dass der Begriff „Denkmal der Schande“ nicht von ihm stamme, sondern schon vor langer Zeit zumindest in den politischen Sprachgebrauch eingegangen sei. So heiße es etwa in einer Drucksache (14/3126) des Deutschen Bundestages: „Denkmäler der Schande und der Trauer, des Stolzes und der Freude sind notwendige Grundsteine des neuen Deutschlands und der neuen Bundeshauptstadt.“

In seiner Rede in Dresden sagte der AfD-Politiker, bis jetzt sei der deutsche Gemütszustand der „eines brutal besiegten Volkes“. „Anstatt die nachwachsende Generation mit den großen Wohltätern, den bekannten, weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und Erfindern in Berührung zu bringen, von denen wir ja so viele haben, vielleicht mehr als jedes andere Volk auf dieser Welt, und anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte, mies und lächerlich gemacht“, sagte Höcke.

Mit Blick auf die „führenden Altparteien-Politiker“ sprach Höcke von „erbärmlichen Aparatschiks“. Die Regierung Merkel sei „zu einem Regime mutiert“. Weder „Habitus noch ihre floskelhafte Phraseologie unterscheidet Angela Merkel von Erich Honecker“, sagte Höcke unter „Merkel muss weg“-Rufen der Zuhörer.


Rechtfertigung statt Entschuldigung

-Vize Ralf Stegner sprach auf dem Kurznachrichtendienst Twitter von einer „Hetz-Rede“ und forderte: „Null Einfluss für das Neonazipack!“ Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter nannte die Rede des AfD-Politikers „unsäglich“. „Die AfD muss sich unmissverständlich davon distanzieren und sich bei unseren jüdischen Freundinnen und Freunden entschuldigen.“

Eine Entschuldigung von Höcke fordert auch der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman. „Es ist eine Schande, dass unter uns Menschen sind, die falsche Konsequenzen aus der deutschen Geschichte ziehen wollen“, sagte Hadas-Handelsman am Mittwoch den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Eine Entschuldigung bei allen Opfern des Nationalsozialismus wäre angebracht, zuerst bei den im industriellen Massenmord umgekommenen sechs Millionen Juden“, erklärte der Botschafter.

Anstatt sich zu entschuldigen erklärt Höcke, es sei ihm darum gegangen, zu hinterfragen, wie wir Deutschen auf unsere Geschichte zurückblicken und wie sie uns im 21. Jahrhundert identitätsstiftend sein kann: „Zweifellos müssen wir uns in unserer Selbstvergewisserung der immensen Schuld bewusst sein. Sie ist ein Teil unserer Geschichte. Aber sie ist eben nur ein Teil unserer Geschichte.“ Der Kern seiner Aussage in Dresden sei gewesen, dass der „kulturelle Schatz“ der Deutschen wie der Buchdruck, die Dichtung und die Philosophie „zuweilen aus dem Blick“ gerate. Schuldbewusstsein allein könne keine gesunde Identität stiften, sondern nur eine gebrochene. Und aus dieser resultierten auch „die für uns alle sichtbaren Integrationsprobleme in diesem Land“.

AfD-Vize Alexander Gauland nimmt Björn Höcke gegen die Kritiker in Schutz. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Björn Höcke hat in keiner Weise Kritik an der Erinnerung an den Holocaust geübt.“ Wenn Höcke darauf hinweise, dass die Leistungen der deutschen Geschichte im öffentlichen Diskurs oftmals „unter der Erinnerung an diese zwölf Jahre“ verschwänden, sei das für ihn nachvollziehbar.

Dem nordrhein-westfälischen AfD-Chef Marcus Pretzell dagegen genügt Höckes Rechtfertigung nicht. Er übt scharfe Kritik an der Rede: „Fatal ist nicht, dass Höcke ständig missverstanden wird, fatal ist, dass dies in einem Bereich deutscher Geschichte geschieht, bei dem es der Anstand verbietet“, betonte Pretzell gegenüber der Jungen Freiheit. „Dass es ausgerechnet einem Geschichtslehrer passiert, sagt viel über unser NRW-Bildungssystem aus.“

Nach den Worten Gabriels unterstelle Höcke, der gesellschaftliche Umgang mit der deutschen Nazi-Vergangenheit mache das Land klein. Das Gegenteil sei richtig. Die Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen sei Voraussetzung dafür gewesen, dass Deutschland weltweit respektiert werde. „Es hat nach 1945 lange gedauert – aber wir Deutschen haben uns mit diesen unvorstellbaren Verbrechen auf eine Art und Weise auseinandergesetzt, die uns auch bei denen Respekt eingebracht hat, denen gegenüber Deutsche schuldig geworden sind.“ Politik und Gesellschaft versuchten, das „Nie wieder“ zur Richtschnur zu machen: „All das ist nicht selbstverständlich. Auf all das bin ich stolz.“

Das Bundesinnenministerium lässt offen, ob der Höcke-Flügel und die Jugendorganisation der AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollen. Der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder (CDU) verwies am Mittwoch bei der Regierungsbefragung im Bundestag darauf, dass die Entscheidung darüber bei den einzelnen Sicherheitsbehörden liege. Die Frage sei nicht politisch zu beantworten, und die Bundesregierung könne eine solche Beobachtung auch nicht anordnen.