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Ihr wollt euren neuen Job vor Arbeitsantritt kündigen? Wann euch als Arbeitnehmer Schadensersatzforderungen drohen

Juristisches Halbwissen kann viel Ärger, Zeit und Geld kosten. Ihr wollt eure Nerven und euer Portemonnaie lieber schonen? Dann ist unsere Kolumne „Kenne deine Rechte“ genau das Richtige für euch. Hier beantworten die beiden Anwälte Pascal Croset und Inno Merkel von der Berliner Kanzlei Croset alle zwei Wochen eine Frage rund ums Arbeitsrecht. In diesem Text geht es um die Frage, unter welchen Bedingungen man bereits vor Arbeitsantritt einer neuen Stelle kündigen kann.

Wer einen Arbeitsvertrag unterschreibt, tut dies in der Regel in der Absicht, die neue Stelle auch anzutreten. Und Arbeitgeber stellen wohl kaum neue Mitarbeiter ein, wenn nicht die eindeutige Absicht vorläge, diese auch wirklich zu beschäftigen. Und doch kommt es immer wieder zur Kündigung von der einen oder anderen Seite – obwohl die Tinte auf dem neuen Papier noch nicht einmal ganz trocken ist. Wie kann das sein?

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Schließlich liegt die neue Arbeitsstelle doch so viel näher am Zuhause, die Fahrtzeiten halbieren sich. Oder es passt aus familiären Gründen viel besser als beim letzten Arbeitgeber, man bekommt mehr Geld bei weniger Arbeit, die Kollegen sind netter … Gute Gründe für einen Arbeitsplatzwechsel gibt es also reichlich – genauso viele, wie es gute Gründe gibt, neue Mitarbeiter einzustellen.

Wie und warum es dann doch manchmal nicht klappt und was dann zu tun ist, werden wir hier Schritt für Schritt erklären.

Warum kündigt man vor Arbeitsantritt?

Folgendes Szenario: Ihr habt den Arbeitsvertrag unterschrieben und zunächst mal einen guten Grund, euch zu freuen. Aber dann passiert Folgendes:

  • Ihr erklärt eurem aktuellen Arbeitgeber, dass ihr eine neue Herausforderung gesucht und gefunden habt – doch euer Chef will euch nicht gehen lassen und reagiert mit einem Gegenangebot, einer Gehaltserhöhung etwa oder einer Beförderung.

  • Oder ihr habt euch auf mehrere Stellen gleichzeitig beworben und bekommt ein noch viel besseres Angebot von einem anderen Arbeitgeber.

  • Oder eure private Situation, eure Lebensverhältnisse, haben sich geändert. Ihr könnt die neue Stelle in der anderen Stadt nun doch nicht mehr antreten, weil ihr jemanden am aktuellen Arbeitsort kennengelernt habt, zum Beispiel.

Es sind noch weitere Gründe denkbar, aber in jedem Fall sollte klar geworden sein, dass es gute Gründe dafür gibt, eine Stelle doch nicht antreten zu wollen. Und da ihr nun aber schon den neuen Arbeitsvertrag unterschrieben habt, geht das nur mit einer Kündigung.

Das Gleiche kann übrigens auch dem neuen Arbeitgeber passieren. Beispielsweise in diesen Fällen:

  • Die Geschäfte laufen mit einem Mal richtig schlecht, und es kommt zum Einstellungsstopp.

  • Oder die geplante Stelle fällt doch nicht wie erwartet weg – der Arbeitnehmer, der die Firma eigentlich verlassen wollte, bleibt nun doch.

  • Oder es hat in der Zwischenzeit der perfekte Kandidat für diese Stelle zugesagt.

Auch hier sind noch viele andere Gründe denkbar, und auch hier wird deutlich: Hinter einer Kündigung noch vor dem ersten Arbeitstag wird mehr stecken, also nur organisatorisches Chaos oder Böswilligkeit.

Einen Arbeitsvertrag vor Beginn kündigen – geht das überhaupt?

Ein Arbeitsverhältnis kann von beiden Vertragsparteien, also vom Arbeitgeber ebenso wie vom Arbeitnehmer, noch vor dem ersten Arbeitstag gekündigt werden. Da die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses unter sechs Monaten liegt, greift der gesetzliche Kündigungsschutz hier nicht (§ 1 KSchG). Sogenannte „Kündigungsgründe“ sind daher nicht erforderlich. Dies ermöglicht eine ordentliche Kündigung vor Arbeitsantritt.

Zu einfach sollte man es sich aber auch nicht machen: Einfach so vom Vertrag „zurücktreten“ beziehungsweise den Vertrag per E-Mail widerrufen ist ausgeschlossen. Wer sich trennen will, der muss auch eine echte, formgerechte Kündigung aussprechen. In der Praxis entscheiden sich Arbeitnehmer immer wieder für eine Taktik, die Personaler als „Ghosting“ oder „No show“ bezeichnen: Sie erscheinen einfach nicht. Theoretisch drohen dem Arbeitnehmer hier Schadensersatzansprüche, welche wir schon einmal ausführlich beschrieben haben.

Allerdings ist das Risiko, echten Schadensersatz leisten zu müssen, begrenzt: Die Arbeitsgerichte gewähren Schadensersatz gegen Arbeitnehmer nur dann, wenn der Arbeitgeber den entstandenen Schaden ganz konkret beziffern kann. Das ist erfahrungsgemäß sehr selten der Fall. Daher haben Arbeitgeber zwei Arbeitsvertrags-Klauseln entwickelt, um sich vor nicht erscheinenden Neueinstellungen zumindest ein wenig zu schützen: Ausschluss der Kündigung vor Arbeitsantritt und Vertragsstrafen, gerne auch kombiniert.

Was hat es mit dem „Ausschluss der Kündigung vor Arbeitsantritt“ und der Vertragsstrafe auf sich?

Es gibt Formulierungen im Arbeitsvertrag, die den Vertragsparteien den Ausspruch einer Kündigung vor Beginn des Arbeitsvertrages untersagen. Damit wird sichergestellt, dass eine Kündigung erst am ersten Tag der Wirksamkeit des Arbeitsvertrages (also bei Aufnahme der Tätigkeit) erfolgen kann. Eine Kündigung ist damit frühestens am ersten Arbeitstag möglich, wobei dann stets die Kündigungsfrist einzuhalten ist.

Für die Dauer der Kündigungsfrist muss der Arbeitnehmer also noch arbeiten – und der Arbeitgeber muss ihn bezahlen. Diese Kündigungsfrist wird in der Regel 14 Tage betragen, da in Arbeitsverträgen typischerweise eine Probezeit vereinbart wird. Zwingend ist dies aber nicht.

Teilweise wird auch auf eine Probezeit verzichtet. Das hat zur Folge, dass entweder die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten (vier Wochen zum Monatsende oder zum 15. des Monats) oder die vertraglichen Kündigungsfristen, wenn diese länger sind (gerate Startups vereinbaren immer noch häufig drei Monate Kündigungsfrist). In dem Fall ist man als Arbeitnehmer verpflichtet, die Stelle anzutreten, auch wenn man sich bereits dagegen entschieden hat.

Gleichzeitig enthalten Arbeitsverträge regelmäßig eine sogenannte Vertragsstrafenabrede. Danach verpflichtet sich der Arbeitnehmer, für den Fall des nicht rechtzeitigen oder vollständig unterlassenen Arbeitsantritts zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Diese Vertragsstrafe darf jedoch nach dem richtungsweisenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. August 2010 (8 AZR 645/09) nicht höher sein als das Gehalt, welches für den Zeitraum der Kündigungsfrist zu zahlen gewesen wäre. Konkret: Hatten die Parteien eine Probezeit vereinbart, in der die Kündigungsfrist 14 Tage betragen hätte, darf die Vertragsstrafe auch nur etwas weniger als ein halbes Bruttomonatsgehalt betragen. Andernfalls ist die Vereinbarung der Vertragsstrafe unwirksam.

Als Fachanwälte für Arbeitsrecht erleben wir jedoch immer wieder, dass in der Praxis alles ganz anders läuft: Häufig schließen die Parteien letztlich einen Aufhebungsvertrag. Ein Beispiel: Sonja unterzeichnet im März 2022 einen Arbeitsvertrag bei der ABC GmbH, Arbeitsantritt soll am 1. Juli 2022 sein. Vereinbart wird eine Probezeit von sechs Monaten, Bruttomonatsgehalt 5000 Euro, Vertragsstrafe bei Nichtantritt 2000 Euro, Ausschluss der Kündigung vor Vertragsbeginn. Ende April 2022 erhält Sonja unerwartet die Zusage für ihren Traumjob und teilt der ABC GmbH mit, dass sie vom Vertrag gerne „zurücktreten“ möchte. Der Personaler ist erst enttäuscht, dann ein wenig wütend und teilt mit, dass Sonja dann eben die Vertragsstrafe zahlen solle.

Sonja kontaktiert daraufhin einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, der dem Arbeitgeber mitteilt, dass Sonja am 1. Juli 2022 nun doch die Arbeit antreten und gleichzeitig eine Kündigung zum 15. Juli 2022 übergeben würde. Er weist darauf hin, dass der Arbeitgeber sicherlich kein Interesse hat, Sonja 15 Tage lang einzuarbeiten, um sie dann sofort wieder gehen zu lassen. Zudem müsste der Arbeitgeber dann ja auch die Vergütung für diese Zeit zahlen, etwa ein halbes Monatsgehalt.

Schließlich würde dann auch keine Vertragsstrafe fällig werden, denn Sonja hätte er fristgerecht und ordnungsgemäß gekündigt. Vor dem Hintergrund dieses für die ABC GmbH vollkommen desaströsen Szenarios schlägt er der ABC GmbH vor, das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag per sofort zu beenden, allerdings ohne Zahlung einer Vertragsstrafe. Das alles klingt zunächst absurd, ist jedoch in unserer Praxis schon mehrmals genauso geschehen.

Besonderes Ärgernis: Vermittlungsgebühr für Headhunter

Besonders wütend sind Arbeitgeber natürlich, wenn sie zuvor für einen Headhunter eine Vermittlungsgebühr bezahlt haben. Denn die Vermittlungsgebühren für Headhunter werden in aller Regel mit Unterschrift des Arbeitsvertrages fällig. Dementsprechend müssen Arbeitgeber diese Gebühr auch bezahlen, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nie antritt.

Arbeitgeber fragen dann regelmäßig an, ob die Vermittlungsgebühren – in der Regel eine fünfstellige Summe – dem Arbeitnehmer als Schadensersatz in Rechnung gestellt werden können. Dies geht allerdings nicht. Denn kündigt der Arbeitnehmer fristgerecht gekündigt, hat er keine Pflichten verletzt. Das fällt in die Risikosphäre des Arbeitgebers. Für Arbeitgeber ist hier die einzige Möglichkeit, die Vermittlungsgebühren zuvor schon gestaffelt zu vereinbaren – so, dass zum Beispiel ein Drittel bei Vertragsabschluss gezahlt wird, ein Drittel nach sechs Wochen Betriebszugehörigkeit – und ein Drittel nach Bestehen der Probezeit. Ob dies aktuell am Markt durchsetzbar ist, ist natürlich eine andere Frage.

Dieser Artikel wurde zuletzt am 18. März 2022 aktualisiert. Er wurde am 17. März 2022 veröffentlicht.